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Zählappell für Schmetterlinge

Schmetterlinge reagieren besonders empfindlich auf Veränderungen ihrer Umgebung. Laut BUND stehen 80 Prozent von ihnen auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten. Das Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle hat vor einem Jahr das Tagfalter-Monitoring ins Leben gerufen, bei dem Hunderte von Freiwilligen zwischen Mai und September Schmetterlinge suchen, zählen und Beobachtungsbögen ausfüllen.

Von Anke Petermann |
    Judith ist neun hat sich aus der Materialsammlung im Wormser Umwelthaus ein Bestimmungsbuch herausgenommen, sie malt einen Mohrenfalter ab - detailgenau. Jan, acht Jahre alt, ist mit jüngerem Bruder und Cousine vorbeigekommen und schaut sich ein Tagpfauenauge unterm Mikroskop an:

    " Da vorne der Kopf, der ist haarig und die Flügel sind bunt."

    " Und siehst du bei den Flügeln noch was Besonderes, was man normal gar nicht erkennen kann, aber wenn man dadurch guckt, sieht das so ein bisschen aus wie eine Fischhaut. Pass auf, ich mach dir das noch mal größer."

    " Wie Schuppen? "

    " Wie Schuppen, Schmetterlinge haben Flügel mit Schuppen."

    Wie glitzernde Pailletten sehen die Schuppen in der Vergrößerung aus. Die Kinder begeistert an diesen Insekten…,

    " ... dass sie so bunt sind. "

    " ... dass die so schöne Farben, dass die so schöne Muster haben. Die darf man ja auch net anfassen, weil die sonst nicht mehr fliegen können. Und einmal ist mir ein Schmetterling auf die Hand geflogen."

    Judiths Vater Markus Gmeiner verrät sein Rezept für schmetterlings- und damit auch kinderfreundliches Grün vorm Haus:

    "Wir haben ein bisschen Bauerngarten, den wir auch biologisch bewirtschaften. Da stehen Blütengewächse, also Ringelblumen, ich hab’ auch Mischsaat ausgesät, also Salat und Zwiebeln und da Kräutersamen reingeworfen, einfach so wild, das geht dann so wild durcheinander auf, da kommen jetzt Kornblumen raus und Mohn, und da sind auch die Schmetterlinge zu beobachten, Insekten, alles Mögliche. Spritzmittel sind verpönt."

    Vorbildlich. Denn, so erklärt Peter Diehl, Biologe und Leiter der Wormser Faltertage: Düngemittel und Pestizide, letztere von Privatgärtnern und der öffentlichen Hand oft großzügiger eingesetzt als von der Landwirtschaft, vernichten die Spezialstandorte, die Schmetterlinge als Lebensraum brauchen. Schmetterlingsfreundliche Pflanzen wachsen eher auf mageren, also nährstoffarmen Böden. Es sind einheimische Arten, keine Exoten, die Schmetterlingen Nahrung bieten. Kleiner Rundgang durch den Wormser Schul- und Umweltgarten. Peter Diehl zeigt auf Brennnesselgestrüpp:

    "Für jemanden, der auf Ordnung im Garten Wert legt, wär’ das vielleicht die Ecke, die er als nächstes angreifen und niedermachen würde. Aber hier sitzen dann die Raupen dran, die dann direkt zwei, drei Meter neben dran hier an der Kräuterspirale die Blüten besuchen können. Also, es sind natürlich alle Windenarten, aber auch speziell alles, was blüht und sehr tiefe Kelche hat, wo die Schmetterlinge mit ihren langen Rüsseln eher reinkommen als Bienen und Hummeln, das können Wicken und Schmetterlingsblütler sein, selbst eine Erbse, die man anpflanzt, kann schon Nahrung für Schmetterlinge bieten."

    In diesem Jahr bekommen die Gartenbesucher relativ wenige Schmetterlinge zu sehen. Vielleicht wegen des harten Winters, vermutet Peter Diehl, aber der allgemeine Rückgang unter anderem wegen zunehmender Zersiedlung ist wohl auch spürbar. Schmetterlinge sind wegen ihres komplexen Lebenszyklus’ besonders gefährdet, wenn die Natur durch Monokulturen, Überdüngung und Pestizideinsatz aus dem Gleichgewicht gerät:

    "Und ihr kriegt jetzt noch raus, wer dieser orangefarbene Falter ist, der mir da eben begegnet ist ..."

    Vielleicht hatte dieser Besucher das Glück, einen seltenen "Dickkopf" zu sehen. Das Falter-Zählen steht an diesem heißen Wochenende in Worms eher im Hintergrund, das Monitoring selbst wird Detail-Ergebnisse über den Artenrückgang wohl erst in einigen Jahren liefern. Doch eines zeichnet sich vor den nächsten Faltertagen am 9. und 10. September schon ab, so Erwin Manz, Geschäftsführer des BUND Rheinland-Pfalz:

    "Die Faltblätter, die wir haben, die werden uns aus den Händen gerissen, und manche Betreuer des Monitorings, die streuen jetzt schon in alle Winde und suchen sich Leute, die mit ihnen zählen, also, es ist eine regelrechte Begeisterung an manchen Orten ausgebrochen. Wir haben wirklich neue Menschen gefunden, die das zu ihrem Thema erklärt haben und sich über Schmetterlinge stärker zum Naturschutz bekennen und da aktiv werden."

    Mehr Informationen zum Tagfalter-Monitoring finden Sie beim
    Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle