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"Zahl scheint mir etwas zu hoch"

Geologie. - In Afghanistan sollen Bodenschätze im Wert von 1 Billion US-Dollar lagern. Unter anderem beruht sie auf eine Untersuchung des US-amerikanischen geologischen Dienstes, der Eisen, Kupfer, Gold und größere Lithium-Vorkommen gefunden hat. Volker Steinbach Abteilungsleiter Energierohstoffe und mineralische Rohstoffe bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe bewertet die Meldungen im Gespräch mit Monika Seynsche.

18.06.2010
    Seynsche: 1 Billion US-Dollar klingt nach einer gewaltigen Rohstoffmenge. Ist dieses Teil überraschend?

    Steinbach: Afghanistan verfügt zweifellos über ein großes Rohstoffpotenzial. Sie nannten eben bereits Rohstoffe, mineralische Rohstoffe wie Eisenerz und Kupfer, aber auch Edelmetalle wie Gold, sowie Kohle und Erdgas. Der Rohstoffsektor in Afghanistan ist bisher noch relativ wenig entwickelt, in den letzten Jahrzehnten gab es wenig Bergbau. Wenn wir uns die Regionen Afghanistans ansehen am Ausläufer des Himalaja, wenn wir auch in die Nachbarstaaten schauen, nach Tadschikistan oder Kirgistan, weiß man, dass geologisch dort ein hohes Rohstoffpotenzial zu erwarten ist. Die Frage ist natürlich, inwieweit sind diese Rohstoffvorkommen auch wirtschaftlich gewinnbar. Die Zahl erscheint mir etwas zu hoch, aber das muss dann im Prinzip die Praxis zeigen, wenn die Rohstoffe in Afghanistan gefördert werden.

    Seynsche: Sie sagten 1 Billion US-Dollar halten Sie für etwas hoch gegriffen. Für wie realistisch halten Sie denn generell diese Abschätzungen, die jetzt durch die Mediengeistern?

    Steinbach: Sie müssen insgesamt natürlich auch sehen, dass die Erschließung von Lagerstätten, von Rohstoffen, sehr hohe Investitionen voraussetzen. Zwei wesentliche Punkte sind für die Erschließung und für den Beginn des Bergbaus in Afghanistan ganz entscheidend. Das ist einmal die politische Stabilität des Landes, da sind sicherlich noch sehr viele Herausforderungen zu bewältigen, zum anderen ist es natürlich die Infrastruktur, die erschlossen werden muss. Wenn man sich das Land Afghanistan vorstellt mit diesen Gebirgszügen, bisher ja infrastrukturell wenig erschlossen, dann ist ganz klar, dass man auch viele Millionen und Milliarden Dollar in die Hand nehmen muss, um diese Lagerstätten erst einmal fördern zu können, um die erst einmal zu erreichen. Sie brauchen Infrastruktur, Straßen, Brücken, Sie brauchen eine Energieversorgung für den Bergbau, Sie brauchen Wasser. Und das muss natürlich gegen den Rohstoffwert auch gegengerechnet werden, das ist ein Unterschied, ob ich die Lagerstätte in der Nähe einer guten Infrastruktur erschließe, oder ob ich diese Lagerstätte 100 Kilometer oder 200 Kilometer in einer entfernten Regionen erschließen muss. Und das wird in diese Wirtschaftlichkeit letztendlich miteingehen. So dass man vom Tisch aus schlecht sagen kann, wie hoch ist ihr wahrer Wert. Man kann das hochrechnen, aber man muss natürlich auch die Kosten für die Erschließung der Lagerstätten gegenrechnen. Ich glaube, dass es noch verfrüht, um hier genaue, exakte Zahlen geben zu können.

    Seynsche: Die US-amerikanische Regierung hat ja auch gesagt, hat dieses Land quasi das Saudi-Arabien des Lithium genannt, weil die Vorkommen so groß wären. Halten Sie das für realistisch, dass dort so große Lithiumvorräte sind?

    Steinbach: Also ich glaube, auch das muss man etwas differenziert sehen. Es ist bekannt, dass in Afghanistan so genannte Hämatit-Körper mit einem Lithiumgehalt existieren. Diese Hämatit-Körper haben jedoch nur einen Gehalt von Lithium in Höhe von 1,8 bis 2,2 Prozent Lithium, Lithiumoxid. Wenn man das mit vergleichbaren Lagerstätten in Australien betrachtet, dann sind diese vergleichbaren Lagerstätten in Australien mit einem wesentlich höheren Lithiumgehalt versehen, nämlich 3,5 bis 4,5 Prozent. Auch hier zeigt sich wieder die Frage der Wirtschaftlichkeit. Es ist auch bekannt, dass in Afghanistan im so genannten Salzseen, im Saalren, Lithium vorhanden sein könnte, aber alle Informationen, die bisher darüber bestehen, die sind doch sehr vage, und ich glaube, dass doch zu sehr verfrüht ist, zu sagen, Afghanistan ist das Lithiumland vergleichbar mit Saudi-Arabien. Unseres Erachtens ist das sehr, sehr verfrüht, um so eine Aussage zu treffen. Ein gewisses Potenzial ist da, aber da sind noch sehr viele geologische und lagerstättenkundliche Untersuchungen erforderlich, um hier mehr Informationen zu erlangen.