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Zahlen - aber bitte anonym

Der vielgepriesene Boomsektor des Internet-Shopping will nicht so recht in Gang kommen. Zwar bieten viele Händler Produkte auch über das Datennetz feil, doch die umworbene Kundschaft übt sich in Zurückhaltung und ordert allenfalls auf klassische Weise via Telefon oder Postweg. Ein Grund hierfür liegt auch in der fehlenden Anonymität in Internet und der Furcht, Dritte könnten Bestellungen und Daten einsehen und für eigene Zwecke verwenden. Dem Verlangen nach der Zahlung ohne Datenspuren will jetzt das Fraunhofer-Institut für Sichere Telekooperation in Darmstadt mit einem neuen Zahlungsverfahren für das Internet entsprechen.

Andrea Vogel |
    "Viele Leute schrecken vor dem Interneteinkauf zurück, weil sie die Befürchtung haben, dass ihr Name oder ihre Adresse für andere Zwecke genutzt werden als zur Abwicklung eines Geschäfts", resümiert Matthias Enzmann vom Fraunhofer-Institut für sichere Telekooperation den Wunsch vieler Bürger nach Intimität beim Einkauf. Schließlich hat, wer in der realen Welt einkauft, immerhin die Möglichkeit, Ware gegen Geld zu tauschen und dabei unerkannt zu bleiben. Im Internet ist so ein Tausch deutlich komplizierter, denn schließlich muss die Ware erst einmal in die Hände des Kunden kommen und umgekehrt auch das Geld zum Händler. Um dies zu gewährleisten, fragen viele Internet-Händler gleich ein ganzes Paket persönlicher Daten von ihren Kunden ab. Ob diese Daten aber wirklich nur für die Abwicklung des einen Geschäfts genutzt, sie für ein Kundenprofil verwendet oder sogar großzügig weitergereicht werden - darauf hat der Kunde nicht den geringsten Einfluss. "Es gibt 2 Gründe, warum ein Kunde einem Internetanbieter seinen Namen tatsächlich übermitteln muss: Einerseits, um die Bezahlung abzuwickeln und zweitens für die Auslieferung. Für die Bezahlung gibt es schon Konzepte oder Zahlungssysteme, die ohne den Namen des Nutzers auskommen", so der Experte. Das eigentliche Problem sei dagegen der Versand, denn hier müssten reale Güter existierenden Adressen zugeordnet werden.

    Die Fraunhofer-Wissenschaftler entwickelten jetzt ein System, das dieses Problem aus der Welt schaffen soll: Ein Java-Applet, das in die Webseite des Händlers installiert wird, zerlegt die Bestellung quasi in "Interessen-Pakete". Der Händler erhält so die Information, welches Produkt bestellt wird, sowie eine Zahlungsgarantie einer Bank über die Transaktion. Diese Angaben genügen, um eine Ware auf den Weg zum Kunden zu schicken. Doch statt Namen und Adresse des Empfängers wird der Lieferung lediglich eine Rechnungsnummer beigefügt. Die eigentliche Lieferadresse schickt das Java-Programm dagegen direkt an den Paketdienst, ohne dass sie in die Hände des Händlers gelangt. Der Zusteller kann dann anhand der Rechnungsnummer die korrekte Adresse zuordnen und die Ware an den richtigen Empfänger ausliefern. Doch vollständig anonym darf der Kunde allerdings nicht bleiben: Um mit der Fraunhofer-Software einkaufen zu können, muss er sich quasi eine Internet-Identität zulegen - ein Pseudonym mit Zertifikat. Durch diesen Interessenausgleich werde einerseits das Interesse des Kunden an Anonymität gewahrt, andererseits könnten Internetanbieter weiterhin ihre Geschäftswelt auf die Verbraucher zuzuschneiden, betont Matthias Enzmann. Der Vorteil für den Kunden: Er kann sich ein Angebot auf seine persönlichen Wünsche zuschneiden lassen, ohne sich dabei zu erkennen zu geben. Will er dem Anbieter die Datensammlung erschweren oder aus anderen Gründen sein Pseudonym wechseln, kann er sich einfach eine neue virtuelle Identität zulegen.

    Eine Hintertür wollen die Fraunhofer-Wissenschaftler aber doch einbauen: "Was wir zusätzlich bräuchten, ist eine Stelle, die das Pseudonym im Bedarfsfall aufdecken kann, denn man kann mit diesem Pseudonym natürlich auch Unsinn treiben", so Enzmann. Wer unter welchen Umständen die Aufdeckung des Pseudonyms verlangen können soll, ist bislang noch nicht ganz klar. Ein solcher Not-Ausstieg aus der virtuellen Welt dürfe aber in jedem Fall nur aus triftigem Grund benutzt werden.