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Zahlen aus der Distanz

Das Internet hat viele neue Märkte erschlossen - doch noch immer ist das Bezahlen dabei kompliziert und mit Risiken behaftet. Seit über einem Jahrzehnt werkeln Ingenieure, Entwickler und Dienstleister an übergreifenden Bezahlsystemen - jetzt sehen Experten den Durchbruch endlich nahe.

Von Wolfgang Noelke |
    Fahrkarten kaufen funktioniert ganz einfach: man hält das Handy im Bus an eine blaue Tafel und automatisch wird die Fahrkarte gekauft. Die Geldüberweisung wickelt das Handy per Funk ab und der Fahrkartenkontrolleur könnte das auf dem Display des Handys überprüfen. Der Vorteil ist, dass die Kommunikation zwischen dem Handy und der blauen Tafel, an die man das Handy halten muss, per RFID Chip berührungslos und bei jedem Wetter funktioniert, der Nachteil: man benötigt dafür ein spezielles Handy. Solche so genannten NFC-Handys wird es künftig häufiger geben, denn die Kreditkartenindustrie hat beschlossen, auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Dr. Toni Merschen entwickelte bereits für den Kreditkartenherausgeber Mastercard den so genannten PayPass, eine Kreditkarte, mit integrierter RFID-Technik:

    "Unsere kontaktlose Zahltechnologie ist praktisch eine Unterfunktion und kann auch unter diesem Nearfield-Communication-Banner segeln. Wir haben auch schon mit unserer Mastercard-PayPass-Produktpalette im NFC Bereich Pilotprojekte erfolgreich abgeschlossen. Das sind genauso Debit und Kedit und Prepaidanwendungen, wie wir sie mit den Karten fahren. Die entsprechenden Daten sind dann eben nicht auf der Karte gespeichert, sondern in einem sicheren Bereich auf dem Handy und der Transaktionsvorgang ist derselbe: Sie halten dann nicht die Karte vor das Lesegerät, sondern sie halten ihr Handy vor das Lesegerät und die Transaktionsdaten werden übertragen und dem Lesegerät kommt dann eine ganz normale Transaktion an."

    Ganz ohne Handy, so Toni Merschen funktioniert dasselbe System beispielsweise in New York:

    "Öffentlicher Nahverkehr ist ein weites Feld. Wenn Sie zum Beispiel ein System haben, wie die New Yorker U-Bahn, wo sie durch ein Drehkreuz gehen, da ist keine Notwendigkeit gegeben, das nachher zu überprüfen. Dann nehmen Sie Ihre Karte und das Drehkreuz dreht sich und fertig. Sie haben damit praktisch kontaktlos bezahlt, gegen eine vorbezahlte Prepaid Card mit kontaktloser Technologie. Wenn sie sich in anderen Systemen bewegen, wo sie einen Nachweis mit sich führen müssen, dass sie bezahlt haben, dann gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten, diese Informationen zu speichern. Das können Sie auf der Karte machen, wir haben Installationen in Taiwan, die das tun. Das Cellphone bietet natürlich noch eine größere Möglichkeit, diese Dinge nicht nur zu speichern, sondern auch zu displayen. Das sind Dinge, die zurzeit pilotiert werden."

    Auch die ganz normale Karte verändert sich radikal im Aussehen. Sie heißt jetzt Internet Smartcard und soll überall dort eingesetzt werden können, wo ein Computer steht, mit USB Anschluss. Ein teures und voluminöses Kartenlesegerät müsse man nun nicht mehr kaufen und bei Bedarf mit auf die Reise nehmen, sagt Thomas Palsherm vom Kartenhersteller Giesecke & Devrient:

    "Der Endbenutzer wird heute einen Brief nachhause bekommen. Dieser Brief beinhaltet eine Smartcard, auch im Format einer Smartcard, eine Kreditkarte oder EC Karte, wie er das bisher kennt und diese beinhaltet ein so genanntes Plug In. Dieses Plug In wird ausgebrochen, das kennen Sie auch schon aus dem Bereich der GSM-Welt, also des Mobilfunks. Das wird ausgebrochen und in zwei transparente Plastikgehäuse eingearbeitet und verwandelt sich in ein USB-Token. Das heißt, Kartenleser, Treiber, Leser und sonstige Geschichten sind einfach obsolet."

    In der Chipkarte im so genannten "gehärteten ", also von außen unangreifbaren USB Stick, arbeitet ein Server, der die verschlüsselte Verbindung zum Zielrechner der Bank selbständig aufbaut, unabhängig vom Betriebssystem des jeweiligen PCs - und ohne dass eventuelle Spionageprogramme, beispielsweise in Internetcafes die Verbindung mitlesen könnten. Demnächst soll sogar ein Prozessor in die Chipkarte integriert werden, der die USB-Karte in einen geschlossenes System verwandelt. Die hohe Innovationsaktivität der Chipkartenindustrie, so vermutet Michael Hegenbarth, langjähriges Mitglied in unterschiedlichsten Standardisierungskommissionen, habe seine Ursache:

    "Es ist halt eine Tatsache, dass man jetzt erst wachgerüttelt wird - ich würde auch mal sagen, durch die ID-Applikationen, speziell im Reisepass und nationalen ID Cards, die kontaktlos arbeiten. Die Zeit bis jetzt kann man nicht rechnen, sondern die Zeit ab heute, wo man diese Harmonisierungsbestrebungen eingeleitet, das sollte kurz sein, weil der NFC-Markt ist sehr boomend und man kommt jetzt auf den Punkt und sagt sich:" oh, hier müssen wir doch eigentlich zusammenarbeiten! "