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Zahltag für Umweltverschmutzer

Klima. - In fünf Jahren wird es ernst, dann beginnt, vorbehaltlich der Zustimmung Russlands, die erste Anrechnungsperiode im Rahmen des Kyoto-Klimaschutzprotokolls. Sie dauert 2008 bis 2012. Dann geht es darum, welches Land wie viel an Treibhausgasen emittiert, wer wie viel aufgeforstet hat und dadurch eine Gutschrift in der Klima-Bilanz bekommt. Die Details werden derzeit auf der 9. Weltklima-Konferenz verhandelt.

Volker Mrasek |
    Von heutigen Erdbeobachtungs-Satelliten kann man keineswegs behaupten, dass sie den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Doch aus dem Weltraum zu erkennen, wie viel Kohlenstoff in Stämmen, Ästen und Blättern gespeichert ist - das sei im Moment noch zu viel verlangt für die Späher im All, sagt der Astrophysiker Stephen Briggs. Der Brite leitet die Abteilung für Erdbeobachtungsprogramme und -anwendungen bei der Europäischen Raumfahrtagentur Esa:

    Es gibt eine Reihe von Satelliten, die schon heute Daten über die Biosphäre liefern. Manche davon machen Aufnahmen im sichtbaren Spektralbereich wie die französischen Spot oder die US-amerikanischen Landsat-Satelliten. Andere arbeiten mit Radarsignalen wie der europäische Envisat oder der kanadische Radarsat. Sie alle können Wälder aus dem All erkennen und auch Veränderungen ihrer Fläche. Aber die Biomasse der Bäume lässt sich aus diesen Satelliten-Aufnahmen nicht abschätzen.

    Gerade das aber wäre wünschenswert für exakte Kohlenstoff-Bilanzen - um abschätzen zu können, welche Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid Wälder nun wirklich schlucken. Und wann sie sie wieder an die Atmosphäre abgeben, etwa im Fall von Rodungen oder Buschbränden ...

    Hier setzt auch das Kyoto-Protokoll an. Es verlangt, genau zu überwachen, wo Wald abgeholzt und wo er aufgeforstet wird. Denn Wälder können unter dem Protokoll als Kohlenstoff-Speicher angerechnet werden. Deshalb müssen wir ihre Biomasse objektiv bestimmen können.

    In wenigen Jahren soll die Erdbeobachtung genau das leisten können, pünktlich zur ersten Anrechnungsperiode des Kyoto-Protokolls. Bis dahin werden nicht nur neue leistungsfähigere Satelliten im All sein. Es soll auch versucht werden, ihre Radar- und Infrarot-Datensätze zu kombinieren, um so ein genaueres Bild von der Landoberfläche und ihre Biomasse-Verteilung zu bekommen, wie Stephen Briggs hofft:

    Wir erproben gerade neue Techniken für eine verbesserte Satellitenbild-Auswertung. Dazu muss man wissen: Die Stämme, Äste und Wurzeln von Bäumen werfen Strahlung unterschiedlich stark zurück. Stämme, und in ihnen steckt die meiste Biomasse - Stämme reflektieren vor allem langwellige Strahlung. Also können wir verstärkt Satelliten, die mit großen Wellenlängen arbeiten, nutzen, um die Kohlenstoff-Vorräte von Wäldern besser abzuschätzen. Daneben machen wir von der sogenannten Radar-Interferometrie Gebrauch. Das ist eine Technik, die maßgeblich in Europa entwickelt wurde, für die hiesigen Umweltsatelliten. Durch sie ist es möglich, die Landoberfläche dreidimensional darzustellen.

    Die Verschmelzung beider Datensätze soll es erlauben, Wälder in ihrer räumlichen Größe genau zu erfassen und noch dazu den in ihnen gebunkerten Kohlenstoff ziemlich genau zu bestimmen. Übrigens stammt einer der künftig geplanten Biosphären-Satelliten zum Teil aus Deutschland. Er heißt TERRASAR, soll 2006 starten und ist ein deutsch-britisches Gemeinschaftsprojekt.

    Unter dem Kyoto-Klimaregime sollen neben Wäldern natürlich auch Treibhausgas-Emissionen erfasst werden. Auch dazu taugen heutige Erdbeobachtungs-Satelliten bisher nur beschränkt. Sie schaffen es problemlos, die Gesamtmenge an Methan oder CO2 zu bestimmen, die sich zwischen Erdoberfläche und Bordinstrument befindet. Doch Höhen-aufgelöste Messungen in Bodennähe, direkt über einer Industrieregion etwa, sind mit ihnen kaum möglich. Sie aber wären wichtig.

    Doch auch das soll sich ändern - durch eine Initiative der US-Raumfahrtbehörde Nasa. Leonard Berrie, Chef der Umweltabteilung bei der Welt-Meteorologie-Organisation in Genf:

    Die Nasa wird den bisher besten Satelliten zur Erfassung von Treibhausgasen bauen. Sie nennt ihn "CO2-Observatorium". Im Jahr 2007 soll er in eine Erdumlaufbahn gehen. Seine Instrumente werden erstmals zeigen, wie das Kohlendioxid in Bodennähe verteilt ist, welche Mengen in welcher Höhe der Atmosphäre vorkommen. Das ist eine wichtige Ergänzung zu den Treibhausgas-Messungen von Bodenstationen und Flugzeugen.