Es war die Zeit von Renaissance und Humanismus, als neben den Glauben mehr und mehr das Wissen rückte, die Berechenbarkeit der Welt im Großen wie im Kleinen. Aufgeschlossene Herrscher wie der sächsische Kurfürst August begannen, filigran gearbeitete Instrumente zu sammeln, in Auftrag zu geben und auch zu gebrauchen. 1575 fuhr er mit einer Art frühem "Navi" die 370 Kilometer zum Kurfürstentag nach Regensburg. Unter ihm rollten die Räder der Kutsche, die – mechanisch übersetzt – ein Papierband mit den Stationen seiner Reise abrollen ließen. Er und Nachfolger wie sein Sohn Christian oder Johann Georg II. sammelten raffinierte Messgeräte; Uhren, auf denen sich Figuren drehten, und Globen, die Erde und Himmel, Zeit und Raum in einem wiedergaben. Des Menschen Werk und Gottes Segen:
Es wundern sich viele über die Gnade Gottes, welcher der Menschen Vernunft und Genie mit so hohen Gaben überschüttet und gezieret hat, dass er bei nur einem Punkt das Ganze des Himmelswesen zeigen kann.
Steht sinngemäß in einer Bedienungsanleitung eines golden glänzenden Globus, der in Augsburg gefertigt wurde.
Sind die Instrumente schon Raritäten, so sind es ihre Gebrauchsanweisungen noch mehr. Verstehen würden sie ohne weitere Vermittlung wohl nur Experten; die Ausstellung richte sich jedoch in erster Linie an die vielen neugierigen Laien, sagt Michael Korey, Mathematiker, Wissenschaftshistoriker und Oberkonservator am Mathematisch-Physikalischen Salon:
"Wir möchten ein nicht-technisches Publikum erreichen; wir möchten möglichst wenig an Vorwissen dabei voraussetzen. Und davor setzen wir uns sehr eng und intensiv zusammen und überlegen: Was können wir zeigen, was müssen wir weglassen?"
So wurden 13 Instrumente und Maschinen ausgewählt, um deren Mechanik und Arbeitsweise durch Übersetzung ins Digitale zu veranschaulichen, was junge Informatiker der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden übernahmen. Ihr Professor ist Markus Wacker. Viel Arbeit machte dabei die Pascaline, die komplizierte Rechenmaschine des Mathematikers und Philosophen Blaise Pascal, die er ab 1642 entwickelt hat. Etwa acht sind weltweit bekannt; die größte, mit der man bis in die Zehner-Millionen hinein addieren kann, besitzt Dresden:
"Das Schwierige war vor allem das Verständnis der Mechanik innen, wie man überhaupt Addition in Mechanik gießt. Die Programmiergrundlagen sind klar: Man muss die Technik, die man verstanden hat, in einen Programmcode gießen. Da ist es weniger, glaube ich, die Leistung, es in ein Programm zu kriegen, als einfach die Geduld und die Zeit, das für jeden Besucher aller Altersklassen so rüberzubringen, dass sie es auch verstehen."
So auch bei der Pascaline. Auf dem Bildschirm, der neben ihr steht, sieht der Besucher rechts das gewohnte Zahlenbild einer handschriftlichen Addition, was links in die Bewegung von Zahnrädern und Hebeln übersetzt wird, und am Ende natürlich das gleiche Resultat anzeigt:
"Wenn man eine Zahl einstellen will, kann man an die entsprechende Stelle dieses Drehrades einstechen, rumdrehen und dann wird entsprechend die Zahl auf die schon bestehende Zahl drauf addiert."
Drehscheibe, einstechen, rumdrehen – so haben wir vor wenigen Jahrzehnten noch telefoniert. Wer von den jungen Besuchern weiß das noch' An der digitalen Übersetzung der Pascaline gebe es noch eine offene Stelle, sagt Markus Wacker: Die Subtraktion, denn die Räder an Pascals Maschine lassen sich nur eine Richtung drehen:
"Man muss so ein bisschen um die Ecke denken mit Ergänzung auf 999, praktisch von hinten her denken. Das hat viel mit Informatik zu tun, die ähnlich aufgebaut ist. Da werden die negativen Zahlen ja auch nur mit Nullen und Einsen dargestellt."
Mit der Digitalisierung einher ging die Restaurierung und Konservierung der Instrumente und Maschinen. Auch der Dresdner Pascaline. Von ihr wisse man ausnahmsweise nicht, wann genau und wie sie in die Sammlung kam, sagt Michael Korey. In Museumsunterlagen des 19. Jhs. stehe: französische Rechenmaschine, kaputt:
"Wir sind so daran gewöhnt, dass wir Rechenmaschinen jederlei Art haben, dass einen PC wir auf dem Schreibtisch haben und mit mobilen Endgeräten umgehen. Wir können uns nicht eine Zeit vorstellen, wo Rechenmaschinen nicht zum Alltag gehörten."
Erst mit ihrer industriellen Herstellung ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann ein erneutes Interesse an Rechenmaschinen, befeuert durch Marketinginteressen:
"Es gab öffentliche Wettbewerbe zwischen maschinell Rechnenden und mit der Hand Rechnenden. Die wurden veranstaltet von den Rechenmaschinenfirmen, um Kontore und große Firmen zu überzeugen: Es lohnt sich, mit der Rechenmaschine zu arbeiten. Es war nicht immer schneller. Wenn jemand in einem Kontorhaus immer wieder die gleichen Rechnungen macht, kann er mit der Hand sehr viel schneller, manchmal zuverlässiger als eine Maschine sein."
Weniger über Wettbewerbe als über Vorführungen und Experimente in den Salons verbreitete sich die Elektrizität, wie eine digital aufbereitete und sogar für öffentliches Experimentieren nachgebaute Elektrisiermaschine von 1790 belegt. Das Elektrisierende, das noch heute in unserem Wortschatz steckt, entstand aber schon früher:
"Ein beliebtes Vorführexperiment, in Sachsen geboren in den 1740er-Jahren, war der sogenannte elektrische Kuss. Wir sehen es hier gerade in einer Animation! Eine Frau stand auf einem Isolierschemel, einem kleinen Hocker mit Glasbeinen. Und sie hielt ihre Hand auf eine Messingkugel einer Elektrisiermaschine. Die Maschine wurde angekurbelt, sie wurde elektrisch aufgeladen, spürte aber dabei nichts. Wenn sie langes Haar hatte, standen ihr die Haare zu Berge."
Dann wurde jemand gesucht, der sie gegen einen Obolus küssen wollte. Wobei der berühmte Funke übersprang.
Sechs lange Jahre wurde im Mathematisch-Physikalischen Salon gebaut und restauriert, getüftelt und geordnet, um der Sammlung zur besten Wirkung zu verhelfen. Deshalb sei die Ausstellungsfläche auf fast das Doppelte vergrößert, aber die Zahl der Exponate auf 400 verringert worden. Das sei etwas weniger als ein Viertel des Bestandes, sagt Peter Plaßmeyer, der Direktor des Salons:
"Die Instrumente erdrücken sich nicht. Man kann sich auf einzelne Stücke einlassen, man nimmt sie wahr. Gerade bei den Globen, wenn Sie vor einer Erdkugel stehen: Sie müssen hingucken. Sonst sagen Sie: Es ist ein Globus, und Sie haben nichts entdeckt, was darauf ist. Wenn Sie dann aber sehen, dass Schiffe durch die Ozeane fahren und dass Kontinente belebt sind, dann macht das richtig Spaß, nicht nur zu gucken, sondern ihn wirklich zu lesen."
Und ihn dadurch zu verstehen. Nicht nur die Exponate an sich, sondern über sie die gesamte Zeit zwischen Renaissance und Aufklärung, zwischen Kunsthandwerk und beginnender Industrialisierung.
Es wundern sich viele über die Gnade Gottes, welcher der Menschen Vernunft und Genie mit so hohen Gaben überschüttet und gezieret hat, dass er bei nur einem Punkt das Ganze des Himmelswesen zeigen kann.
Steht sinngemäß in einer Bedienungsanleitung eines golden glänzenden Globus, der in Augsburg gefertigt wurde.
Sind die Instrumente schon Raritäten, so sind es ihre Gebrauchsanweisungen noch mehr. Verstehen würden sie ohne weitere Vermittlung wohl nur Experten; die Ausstellung richte sich jedoch in erster Linie an die vielen neugierigen Laien, sagt Michael Korey, Mathematiker, Wissenschaftshistoriker und Oberkonservator am Mathematisch-Physikalischen Salon:
"Wir möchten ein nicht-technisches Publikum erreichen; wir möchten möglichst wenig an Vorwissen dabei voraussetzen. Und davor setzen wir uns sehr eng und intensiv zusammen und überlegen: Was können wir zeigen, was müssen wir weglassen?"
So wurden 13 Instrumente und Maschinen ausgewählt, um deren Mechanik und Arbeitsweise durch Übersetzung ins Digitale zu veranschaulichen, was junge Informatiker der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden übernahmen. Ihr Professor ist Markus Wacker. Viel Arbeit machte dabei die Pascaline, die komplizierte Rechenmaschine des Mathematikers und Philosophen Blaise Pascal, die er ab 1642 entwickelt hat. Etwa acht sind weltweit bekannt; die größte, mit der man bis in die Zehner-Millionen hinein addieren kann, besitzt Dresden:
"Das Schwierige war vor allem das Verständnis der Mechanik innen, wie man überhaupt Addition in Mechanik gießt. Die Programmiergrundlagen sind klar: Man muss die Technik, die man verstanden hat, in einen Programmcode gießen. Da ist es weniger, glaube ich, die Leistung, es in ein Programm zu kriegen, als einfach die Geduld und die Zeit, das für jeden Besucher aller Altersklassen so rüberzubringen, dass sie es auch verstehen."
So auch bei der Pascaline. Auf dem Bildschirm, der neben ihr steht, sieht der Besucher rechts das gewohnte Zahlenbild einer handschriftlichen Addition, was links in die Bewegung von Zahnrädern und Hebeln übersetzt wird, und am Ende natürlich das gleiche Resultat anzeigt:
"Wenn man eine Zahl einstellen will, kann man an die entsprechende Stelle dieses Drehrades einstechen, rumdrehen und dann wird entsprechend die Zahl auf die schon bestehende Zahl drauf addiert."
Drehscheibe, einstechen, rumdrehen – so haben wir vor wenigen Jahrzehnten noch telefoniert. Wer von den jungen Besuchern weiß das noch' An der digitalen Übersetzung der Pascaline gebe es noch eine offene Stelle, sagt Markus Wacker: Die Subtraktion, denn die Räder an Pascals Maschine lassen sich nur eine Richtung drehen:
"Man muss so ein bisschen um die Ecke denken mit Ergänzung auf 999, praktisch von hinten her denken. Das hat viel mit Informatik zu tun, die ähnlich aufgebaut ist. Da werden die negativen Zahlen ja auch nur mit Nullen und Einsen dargestellt."
Mit der Digitalisierung einher ging die Restaurierung und Konservierung der Instrumente und Maschinen. Auch der Dresdner Pascaline. Von ihr wisse man ausnahmsweise nicht, wann genau und wie sie in die Sammlung kam, sagt Michael Korey. In Museumsunterlagen des 19. Jhs. stehe: französische Rechenmaschine, kaputt:
"Wir sind so daran gewöhnt, dass wir Rechenmaschinen jederlei Art haben, dass einen PC wir auf dem Schreibtisch haben und mit mobilen Endgeräten umgehen. Wir können uns nicht eine Zeit vorstellen, wo Rechenmaschinen nicht zum Alltag gehörten."
Erst mit ihrer industriellen Herstellung ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann ein erneutes Interesse an Rechenmaschinen, befeuert durch Marketinginteressen:
"Es gab öffentliche Wettbewerbe zwischen maschinell Rechnenden und mit der Hand Rechnenden. Die wurden veranstaltet von den Rechenmaschinenfirmen, um Kontore und große Firmen zu überzeugen: Es lohnt sich, mit der Rechenmaschine zu arbeiten. Es war nicht immer schneller. Wenn jemand in einem Kontorhaus immer wieder die gleichen Rechnungen macht, kann er mit der Hand sehr viel schneller, manchmal zuverlässiger als eine Maschine sein."
Weniger über Wettbewerbe als über Vorführungen und Experimente in den Salons verbreitete sich die Elektrizität, wie eine digital aufbereitete und sogar für öffentliches Experimentieren nachgebaute Elektrisiermaschine von 1790 belegt. Das Elektrisierende, das noch heute in unserem Wortschatz steckt, entstand aber schon früher:
"Ein beliebtes Vorführexperiment, in Sachsen geboren in den 1740er-Jahren, war der sogenannte elektrische Kuss. Wir sehen es hier gerade in einer Animation! Eine Frau stand auf einem Isolierschemel, einem kleinen Hocker mit Glasbeinen. Und sie hielt ihre Hand auf eine Messingkugel einer Elektrisiermaschine. Die Maschine wurde angekurbelt, sie wurde elektrisch aufgeladen, spürte aber dabei nichts. Wenn sie langes Haar hatte, standen ihr die Haare zu Berge."
Dann wurde jemand gesucht, der sie gegen einen Obolus küssen wollte. Wobei der berühmte Funke übersprang.
Sechs lange Jahre wurde im Mathematisch-Physikalischen Salon gebaut und restauriert, getüftelt und geordnet, um der Sammlung zur besten Wirkung zu verhelfen. Deshalb sei die Ausstellungsfläche auf fast das Doppelte vergrößert, aber die Zahl der Exponate auf 400 verringert worden. Das sei etwas weniger als ein Viertel des Bestandes, sagt Peter Plaßmeyer, der Direktor des Salons:
"Die Instrumente erdrücken sich nicht. Man kann sich auf einzelne Stücke einlassen, man nimmt sie wahr. Gerade bei den Globen, wenn Sie vor einer Erdkugel stehen: Sie müssen hingucken. Sonst sagen Sie: Es ist ein Globus, und Sie haben nichts entdeckt, was darauf ist. Wenn Sie dann aber sehen, dass Schiffe durch die Ozeane fahren und dass Kontinente belebt sind, dann macht das richtig Spaß, nicht nur zu gucken, sondern ihn wirklich zu lesen."
Und ihn dadurch zu verstehen. Nicht nur die Exponate an sich, sondern über sie die gesamte Zeit zwischen Renaissance und Aufklärung, zwischen Kunsthandwerk und beginnender Industrialisierung.