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Zank der Erben

Um den Nachlass des Filmemachers Rainer Werner Fassbinder ist ein handfester Streit entbrannt. Fassbinders Ex-Frau Ingrid Caven hatte die Chefin der Fassbinder Foundation Juliane Lorenz kritisiert. Inzwischen schlossen sich weitere Fassbinder-Freunde der Kritik an.

Von Rüdiger Suchsland | 01.06.2007
    Zunächst sah es nur aus wie ein Rosenkrieg, ein Streit unter eifersüchtigen Witwen, Groupies und Mitarbeitern. Doch jetzt ist von "Geschichtsklitterung" die Rede, von persönlichen Eitelkeiten, handwerklichen Mängeln, letztlich von der Beschädigung des Erbes von Deutschlands wichtigstem Nachkriegsfilmemacher.

    Vor fast auf den Tag genau 25 Jahren starb Rainer Werner Fassbinder. Vier Jahre nach seinem Tod gründete Fassbinders Mutter Lilo Eder die Berliner Fassbinder-Foundation, um Nachlass und Rechte des Regisseurs zu verwalten. Seit Eders Tod 1992 fungiert als Geschäftsführerin und alleinige Nachlassverwalterin Juliane Lorenz, Cutterin der letzten 11 Filme Fassbinders und nach eigenen Angaben nach US-Recht Fassbinders Ehefrau - in Deutschland wird die Verbindung allerdings nicht anerkannt.

    " Man kann rechtlich eigentlich nichts sagen, weil sie es ja geschafft hat, Erbin zu sein. Zwar hat sie es nicht geschafft mit dieser so genannten Ehe, die wahrscheinlich überhaupt nicht besteht - mit dieser Lüge hat sie es nicht geschafft. Aber sie hat es geschafft mit Lilo Eder. Natürlich hat das kein Mensch geglaubt in der Umgebung von Rainer dass sie verheiratet waren - kein Mensch! Sie hat ja nicht mal dort gewohnt. oder vielleicht mal einen Tag dort übernachtet. Sie war auch keine "Lebensbegleiterin" oder was alles. Das war ja alles erfunden! Aber was ist das mit dieser Stiftung? Was soll denn das, was ist das? Eine Stiftung? Da denkt man doch, das ist gemeinnützig."

    so weit Ingrid Caven, Schauspielerin, Sängerin und Ex-Frau Fassbinders.

    Vor allem die Geschäftsführung von Juliane Lorenz und der Charakter der Berliner Foundation ist jetzt ins Gerede geraten. Gestern haben sich nun gleich 25 ehemalige Mitarbeiter und Freunde Fassbinders, Schauspieler, Cutter, Produzenten, darunter auch Regisseur Werner Schroeter, Kameramann Michael Ballhaus und eben Ingrid Caven, in einer gemeinsamen Erklärung zu Wort gemeldet, heftige Vorwürfe gegen Lorenz erhoben und deren Rücktritt gefordert. Aus Kreisen der Unterzeichner ist intern sogar von Unregelmäßigkeiten und - allerdings schwer beweisbaren - Verfälschungen die Rede:

    " Wir finden, dass sie die Unwahrheit sagt,"

    meint Fassbinder Darstellerin Isolde Barth, eine der Unterzeicherinnen der Erklärung.

    " Die meisten Leute, die sich geäußert haben, sind einfach verärgert, enttäuscht, auch mundtot gemacht. Aber sie gehörten eng zu Fassbinder, haben mit ihm eng gearbeitet, und wurden einfach weggedrängt."

    Von Lorenz' "zweifelhaften Methoden" und "selbstherrlichem Banausentum" ist in der Erklärung die Rede, die Vorwürfe sind handfest, möglicherweise sogar justiziabel. Kritisiert wird, dass der Fassbinder Foundation zur Rechtsform einer Stiftung ein Stiftungsrat fehle.

    Außerdem protestieren die Unterzeichner gegen die neue DVD-Ausgabe der Verfilmung von Alfred Döblins Roman "Berlin Alexanderplatz". Lorenz habe den Film "aus Gründen der besseren Verkäuflichkeit mehr als deutlich aufgehellt"; und das Hauptwerk verfälscht.

    "Das ist schlecht restauriert" sagt auch Fassbinders einstige Regieassistentin Renate Leiffer. Diese Aufhellung sei nicht Fassbinders Intention. Da werde der Massenverträglichkeit und dem Eigeninteresse das Werk geopfert.

    Und Ingrid Caven äußert sich wie folgt:

    " Was ist denn gut dran, wenn man sich an das Werk macht, und dort dann so genannte 'verbesserte Eingriffe' vornimmt? Wieso kann denn ein Kameramann unwidersprochen behaupten, er wisse, wie Rainer das nun gerne gehabt hätte? Rainer hat die Dunkelheit verteidigt - das war sein Stil, ein ästhetisches Prinzip, das dem Roman und seiner vornationalsozialistischen Atmosphäre entsprach."

    Hier ist nun der Streit endgültig da angekommen, wo er hingehört und geführt werden muss: Bei der Kunst. Und bei der wichtigen, ganz grundsätzlichen Frage: Wie geht Deutschland eigentlich mit dem Werk seines wichtigsten Nachkriegsfilmemachers um? Die 25 Unterzeichner der Erklärung fordern jedenfalls den Rücktritt von Juliane Lorenz. Noch einmal Ingrid Caven:

    " Jetzt kann man ja diesen Rücktritt nicht mehr fordern. Sie ist ja die rechtliche Erbin. Das wusste man doch nicht. Man hat ja gedacht, dass ist eine Stiftung, da müsste es doch einen Stiftungsrat geben."

    Der Streit um das Fassbinder-Erbe hat gerade erst begonnen.