Von Frank Grotelüschen
Es gibt drei Sorten von Neutrinos, und diese drei Sorten wandeln sich im Fluge ineinander um. Diese eigenartige Teilchenmetamorphose konnten in den letzten Jahren gleich zwei Großexperimente beweisen - SNO in Kanada und Superkamiokande (Super-K) in Japan. Damit wurde auch klar, dass Neutrinos Masse besitzen. Denn Teilchen, die sich verwandeln können, müssen Masse haben - so will es die Quantenphysik. Nun wagen die Neutrinoforscher den nächsten Schritt. Douglas Michael vom California Institute of Technology sagt:
Experimente wie Superkamiokande haben Neutrinos beobachtet, die entstehen, wenn kosmische Teilchen in die Erdatmosphäre einschlagen. Dabei stellte sich heraus, dass viele dieser Neutrinos auf ihrem Weg zum Detektor scheinbar verschwanden. Zwar sind wir Physiker mittlerweile sicher, dass diese Neutrinos nicht verschwinden, sondern sich umwandeln in eine andere Sorte. Nur: Theoretisch lässt sich das bislang nicht so recht erklären. Wir haben zwar einige Ideen, aber wir verstehen nicht wirklich, was da passiert.
Die Frage nach dem Warum, glaubt Douglas Michael, lässt sich nur mit besseren, mit präziseren Messdaten beantworten. Also bauen er und seine Kollegen ein neues Großexperiment namens MINOS. Statt mit Neutrinos aus der Atmosphäre arbeitet MINOS mit einem Strahl aus künstlichen Neutrinos.
Wir nutzen einen sehr leistungsfähigen Teilchenbeschleuniger in der Nähe von Chicago, um einen Strahl aus einer bestimmten Neutrinosorte zu erzeugen, den Myon-Neutrinos. Diesen Strahl schicken wir 735 Kilometer nach Norden nach Minnesota. Und dort wollen wir die Myon-Neutrinos auffangen.
Dieses Auffangen besorgt ein 8.000 Tonnen schwerer Detektor, eingebaut in eine riesige unterirdische Höhle. Das Entscheidende: Die Forscher wissen sehr genau, wie viele Myon-Neutrinos ihr Beschleuniger erzeugt. Nun muss der Detektor noch zählen, wie viele dieser Neutrinos nach den 735 Kilometern bei ihm ankommen. Es werden - das ist klar - nicht alle sein, denn ein Teil der Myon-Neutrinos verwandelt sich im Fluge in eine andere Sorte, die Tau-Neutrinos. Nur: Wie viele Teilchen sich umwandeln, das weiß keiner so genau. Eben dies wollen die Forscher möglichst präzise messen und so zum Beispiel herausfinden, um wie viel das Tau-Neutrino schwerer ist als das Myon-Neutrino.
Ende 2004 sollen das 170 Millionen Dollar-Experiment beginnen - nicht gerade ein preiswertes Unterfangen. Da mag es überraschen, dass das Teilchenforschungszentrum CERN in Genf ein ähnliches Projekt startet. Auch die CERN-Forscher wollen per Beschleuniger einen Neutrinostrahl erzeugen und auf einen unterirdischen Detektor in 730 Kilometern Entfernung richten - und zwar ins italienische Gran-Sasso-Massiv. Doch es gibt einen Unterschied zu MINOS, dem US-Experiment.
Wir wollen die Tau-Neutrinos direkt beobachtenAndere Experimente können nur beobachten, wie die Myon-Neutrinos verschwinden. Sie können nicht zeigen, dass dafür Tau-Neutrinos auftauchen, dass sich die Myon-Neutrinos also tatsächlich in Tau-Neutrinos verwandeln,
so Stavros Katsanevas von der Universität Lyon. 2006 soll das Experiment starten, 2008 rechnen die Physiker mit ersten Ergebnissen. Doch das Projekt ist umstritten, sogar im eigenen Lager.
Ich habe die Sinnhaftigkeit dieses Unternehmens nie eingesehen, weil das Experiment von seiner physikalischen Fragestellung her nicht wirklich tragfähig war. Es sind andere Sachen angesagt, Sachen, die uns weiterbringen,
meint CERN-Physiker Friedrich Dydak. Seiner Ansicht nach wird das CERN-Gran-Sasso-Projekt nur etwas beweisen, dessen sich die Fachwelt eh sicher ist. Dydak würde das Geld - immerhin 160 Millionen Euro - lieber in andere Projekte stecken, etwa einen Neutrinodetektor auf dem Grund des Mittelmeers. Dem muss Stavros Katsenavas natürlich widersprechen.
Ich halte unser Projekt keineswegs für belanglos. Die Neutrinophysik steckt voller Überraschungen. Und wir sollten nicht von einem Phänomen überzeugt sein, das wir nicht wirklich gesehen haben.
Aber vielleicht gehen Kritiker wie Befürworter leer aus. Denn das CERN steckt derzeit in einer Finanzkrise und muss in den nächsten Jahren rund 500 Millionen Euro einsparen. Und so ist nicht auszuschließen, dass der Genfer Neutrinostrahl dem Rotstift zum Opfer fällt. Ende Juni wissen wir mehr, dann will das CERN darüber entscheiden.
Es gibt drei Sorten von Neutrinos, und diese drei Sorten wandeln sich im Fluge ineinander um. Diese eigenartige Teilchenmetamorphose konnten in den letzten Jahren gleich zwei Großexperimente beweisen - SNO in Kanada und Superkamiokande (Super-K) in Japan. Damit wurde auch klar, dass Neutrinos Masse besitzen. Denn Teilchen, die sich verwandeln können, müssen Masse haben - so will es die Quantenphysik. Nun wagen die Neutrinoforscher den nächsten Schritt. Douglas Michael vom California Institute of Technology sagt:
Experimente wie Superkamiokande haben Neutrinos beobachtet, die entstehen, wenn kosmische Teilchen in die Erdatmosphäre einschlagen. Dabei stellte sich heraus, dass viele dieser Neutrinos auf ihrem Weg zum Detektor scheinbar verschwanden. Zwar sind wir Physiker mittlerweile sicher, dass diese Neutrinos nicht verschwinden, sondern sich umwandeln in eine andere Sorte. Nur: Theoretisch lässt sich das bislang nicht so recht erklären. Wir haben zwar einige Ideen, aber wir verstehen nicht wirklich, was da passiert.
Die Frage nach dem Warum, glaubt Douglas Michael, lässt sich nur mit besseren, mit präziseren Messdaten beantworten. Also bauen er und seine Kollegen ein neues Großexperiment namens MINOS. Statt mit Neutrinos aus der Atmosphäre arbeitet MINOS mit einem Strahl aus künstlichen Neutrinos.
Wir nutzen einen sehr leistungsfähigen Teilchenbeschleuniger in der Nähe von Chicago, um einen Strahl aus einer bestimmten Neutrinosorte zu erzeugen, den Myon-Neutrinos. Diesen Strahl schicken wir 735 Kilometer nach Norden nach Minnesota. Und dort wollen wir die Myon-Neutrinos auffangen.
Dieses Auffangen besorgt ein 8.000 Tonnen schwerer Detektor, eingebaut in eine riesige unterirdische Höhle. Das Entscheidende: Die Forscher wissen sehr genau, wie viele Myon-Neutrinos ihr Beschleuniger erzeugt. Nun muss der Detektor noch zählen, wie viele dieser Neutrinos nach den 735 Kilometern bei ihm ankommen. Es werden - das ist klar - nicht alle sein, denn ein Teil der Myon-Neutrinos verwandelt sich im Fluge in eine andere Sorte, die Tau-Neutrinos. Nur: Wie viele Teilchen sich umwandeln, das weiß keiner so genau. Eben dies wollen die Forscher möglichst präzise messen und so zum Beispiel herausfinden, um wie viel das Tau-Neutrino schwerer ist als das Myon-Neutrino.
Ende 2004 sollen das 170 Millionen Dollar-Experiment beginnen - nicht gerade ein preiswertes Unterfangen. Da mag es überraschen, dass das Teilchenforschungszentrum CERN in Genf ein ähnliches Projekt startet. Auch die CERN-Forscher wollen per Beschleuniger einen Neutrinostrahl erzeugen und auf einen unterirdischen Detektor in 730 Kilometern Entfernung richten - und zwar ins italienische Gran-Sasso-Massiv. Doch es gibt einen Unterschied zu MINOS, dem US-Experiment.
Wir wollen die Tau-Neutrinos direkt beobachtenAndere Experimente können nur beobachten, wie die Myon-Neutrinos verschwinden. Sie können nicht zeigen, dass dafür Tau-Neutrinos auftauchen, dass sich die Myon-Neutrinos also tatsächlich in Tau-Neutrinos verwandeln,
so Stavros Katsanevas von der Universität Lyon. 2006 soll das Experiment starten, 2008 rechnen die Physiker mit ersten Ergebnissen. Doch das Projekt ist umstritten, sogar im eigenen Lager.
Ich habe die Sinnhaftigkeit dieses Unternehmens nie eingesehen, weil das Experiment von seiner physikalischen Fragestellung her nicht wirklich tragfähig war. Es sind andere Sachen angesagt, Sachen, die uns weiterbringen,
meint CERN-Physiker Friedrich Dydak. Seiner Ansicht nach wird das CERN-Gran-Sasso-Projekt nur etwas beweisen, dessen sich die Fachwelt eh sicher ist. Dydak würde das Geld - immerhin 160 Millionen Euro - lieber in andere Projekte stecken, etwa einen Neutrinodetektor auf dem Grund des Mittelmeers. Dem muss Stavros Katsenavas natürlich widersprechen.
Ich halte unser Projekt keineswegs für belanglos. Die Neutrinophysik steckt voller Überraschungen. Und wir sollten nicht von einem Phänomen überzeugt sein, das wir nicht wirklich gesehen haben.
Aber vielleicht gehen Kritiker wie Befürworter leer aus. Denn das CERN steckt derzeit in einer Finanzkrise und muss in den nächsten Jahren rund 500 Millionen Euro einsparen. Und so ist nicht auszuschließen, dass der Genfer Neutrinostrahl dem Rotstift zum Opfer fällt. Ende Juni wissen wir mehr, dann will das CERN darüber entscheiden.