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Zankapfel Hobbit

Anthropologie. - Im September 2003 stieß eine indonesisch-australische Forschergruppe auf fossile Überreste einer zwergenhaft kleinen Menschenart, die noch vor 18.000 Jahren auf der indonesischen Insel Flores gelebt haben soll. Funde deuten darauf hin, dass dieser kleine Homo floresiensis sogar noch länger auf der Insel gelebt hat. Jetzt ist um die Fossilien ein Streit entbrannt, in den auch ein renommierter Paläoanthropologe und Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig verwickelt ist. Man wirft ihm unethisches, möglicherweise sogar gesetzeswidriges Verhalten vor.

Von Dagmar Röhrlich | 21.02.2005
    Eine zentrale Figur der Affäre ist Teuku Jacob, Emeritus an der Gadjah Mada University in Yogyakarta. Er gilt als graue Eminenz der indonesischen Anthropologie, ein mächtiger Mann. Ihn hatte das binationale Entdeckerteam aus australischen und indonesischen Forschern außen vor gelassen: Er war weder an den Grabungen beteiligt, noch als Gutachter hinzugezogen worden. Dabei interessiert ihn das Fossil besonders: Er glaubt nicht an die neue Menschenart. Für ihn ist es der Überrest eines Pygmäen mit krankhaft verkleinertem Schädel. Anstatt aber die Fossilien im Zentrum für Archäologie zu untersuchen, wo sie offiziell aufbewahrt werden, "borgte" Teuko Jacob sie sich aus. Tony Djubiantono, Direktor des Indonesischen Zentrums für Archäologie in Djakarta:

    Das Fossil ist jetzt bei Professor Jakob in Yogyakarta. Er hat es privat aufgrund einer Freundschaft mit einem Mitglied unserer Forschergruppe bekommen, ohne meine Genehmigung, obwohl ich als Direktor des Zentrums für Archäologie dafür zuständig bin. Ich gab sie erst nachträglich, und Professor Teuko Jacob hat mir im Nachhinein versprochen, das Fossil zurückzugeben. Inzwischen sind mehrere vereinbarte Termine verstrichen, und er untersucht immer noch.

    Das war nur die erste Runde. Im Besitz der Überreste, lud Teuku Jacob mehrere ausländische Forscher zur Begutachtung der Knochen an seine Universität nach Yogyakarta ein:

    Wir sehen uns der Situation gegenüber, dass vom Typfossil des homo floresiensis, der dem Indonesischen Zentrum für Archäologie gehört, ohne Genehmigung Proben genommen worden sind. Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut in Leipzig hat aufgrund der Autorität von Teuko Jacob, eines emeritierten Professors einer anderen, vollkommen unbeteiligten Institution, Material aus Indonesien ausgeführt.

    Vielleicht illegal, so Mike Morwood, Archäologe von der australischen Universität von New England und Mitentdecker des Fossils. Er betont: Das indonesische Recht sei sehr strikt, wenn es um die Ausfuhr von Fossilien gehe. Für Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut in Leipzig, der sich unerwarteten Vorwürfen gegenübersieht, stellt sich die Sache anders dar:

    Am 12. Januar hat das indonesische Kulturministerium das Seminar "Der prähistorische Mensch von Flores" organisiert, ein Treffen von indonesischen Wissenschaftlern. Auch Tony Djubiantono als Leiter des Indonesischen Zentrums für Archäologie und Teuku Jacob sollen dort gewesen sein. Ich selbst war nicht da, mir haben mehrere Leute davon berichtet. Auf der Konferenz sind anscheinend Entscheidungen getroffen worden, unter anderem, dass Jacob bei der Erforschung des Homo floresiensis dabei sein soll. Außerdem wurde wohl beschlossen, dass neben einem indonesischen Genetiker auch Svante Pääbo hier in Leipzig die Erbsubstanz des Homo floresiensis untersuchen soll. Als ich später im Januar Professor Jacob besucht habe, gab er mir mit der Autorisierung aller dieser Authoritäten die DNS-Probe für meinen Kollegen Svante Pääbo mit.

    Svante Pääbo ist ein sehr renommierter Paläogenetiker. Die Probe besteht aus zwei Gramm schweren Knochenfragmenten, die lose in der Fundhöhle lagen. Mit ihnen soll geklärt werden, ob das 18.000 Jahre Fossil für die DNA-Analyse taugt. Denn das ist fraglich. Hublin betont: In seinem Fach sei es ganz normal, dass Institute kleine Proben für chemische Analysen austauschten. Das mache jeder. Die Australier sind gleichberechtigte Partner bei der Entdeckung des Homo floresiensis. Sie haben 600.000 Euro investiert und fürchten, um die Früchte ihrer Arbeit betrogen zu werden. Seit drei Monaten kommt ihre Forschungsgruppe nicht an das eigene Material heran. Jean-Jacques Hublin will jetzt erst einmal Klarheit bekommen:

    Wir wollen das jetzt klar gestellt sehen – und nur wenn alles ganz klar ist, werden wir die Analysen vornehmen, ansonsten schicken wir das Material zurück an Professor Jacob, und er kann dann damit machen, was er will.