Sonntag, 05. Mai 2024

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ZDF-"heute"-Moderatorin Petra Gerster
"Ich muss nun selber als Vorbild herhalten"

ZDF-"heute" gehört zu den beliebtesten Nachrichtensendungen in Deutschland und erreicht ein Millionenpublikum. Nach mehr als 20 Jahren verabschiedet sich nun Petra Gerster aus dem Moderationsteam. Allerdings sagte sie im Dlf: "Ich bleibe beschäftigt" - mit Hund und einem neuen Buchprojekt.

Petra Gerster im Gespräch mit Isabelle Klein | 18.05.2021
Moderatorin Petra Gerster
"Es ist tatsächlich so, dass ich die erste bin, die so lange in der Primetime auf dem Schirm ist" - ZDF-Moderatorin Petra Gerster (imago/ Future Image/J.Krick)
Glaubwürdigkeit, Professionalität und Seriosität – es sind die wichtigsten Attribute für Moderatorinnen und Moderatoren von Nachrichtensendungen. Und wie nur wenige andere steht Petra Gerster für diesen Markenkern. Seit 1989 arbeitet Gester für das ZDF, seit mehr als 20 Jahren präsentiert sie die "heute"-Sendung um 19 Uhr. Am 26. Mai 2021 wird sie die Nachrichtensendung zum letzten mal moderieren.

Isabelle Klein: Für viele Zuschauerinnen und Zuschauer sind Sie zur regelmäßigen Begleiterin des Abends geworden, zu einem vertrauten Gesicht und einer vertrauten Stimme. Wie fühlt sich das gerade für Sie an, die letzten Male um 19.00 Uhr die "heute"-Sendung zu moderieren?
Petra Gerster: Ja, Seltsam. Ich kann jetzt nicht sagen, dass die Zuschauer für mich vertraut geworden sind, aber irgendwie in der Abstraktion schon. Ich habe ja doch die Zuschauer und Zuschauerinnen immer direkt angesprochen und irgendwie werden sie mir fehlen, glaube ich.
Klein: Eigentlich wollten Sie ja auch schon viel früher aufhören bei den heute-Nachrichten. Wie kam es dazu, dass Sie etwas länger geblieben sind als geplant?
Abschied unter Coronabedingungen
Gerster: Ich hatte einen Vertrag bis zur offiziellen Rentengrenze; das ist, glaube ich, auch so üblich im ZDF. Und dann hat mich ein halbes Jahr vorher – das war also letzten Sommer in der Pandemie – unsere damals neue Hauptabteilungsleiterin Bettina Schausten gefragt, ob ich nicht noch ein halbes Jahr dranhängen könnte. Und da habe ich gar nicht überlegen müssen, habe sofort ja gesagt. Der Beruf macht mir immer noch Freude. Es war einfach schön, noch ein halbes Jahr länger zu machen.
Ich dachte damals allerdings auch optimistisch, da wäre die Pandemie dann vorbei, wenn ich aufhören würde und ich könnte meinen großen Ausstand meine Abschiedsparty feiern. Das ist jetzt im Moment immer noch etwas in den Sternen…
Klein: …und die Party verschiebt sich dann noch ein bisschen.
Gerster: Genau, ja.
Ein Reporter streckt sein Mikrofon mit dem Arm weit von sich in Richtung Interviewpartner, um den coronabedingten Sicherheitsabstand zu wahren
Coronakrise zwingt Medien zu Transparenz
Wie wählen Redaktionen ihre Themen aus, wie kommen Reporterinnenen an ihre Quellen? Lange haben sich Medien schwer getan, auch über ihre eigene Arbeit zu berichten. In der Coronakrise zeigen sie nun ungewohnte Einblicke.
Klein: Sie sind ja schon wahnsinnig lange Journalistin, wurden 2020 schon mal für ihr Lebenswerk ausgezeichnet vom Journalist*innenbund. Ich nenne mal einige Stationen: Angefangen beim "Kölner Stadt-Anzeiger" mit einem Volontariat, danach ging es zum Fernsehen, zum WDR. Ihren Durchbruch, würde ich mal sagen, hatten Sie mit dem sogenannten Frauenmagazin "ML mona lisa", 1998 haben Sie da als Moderatorin angefangen und sind Sie dann schließlich zur heute-Moderatorin geworden. Wie war es damals für Sie in der damals noch sehr männerdominierten Journalismus-Branche Karriere zu machen?
Gerster: Tja, da hat sich schon viel geändert in der Zeit. Als ich anfing – daran erinnere ich mich gut… Wir haben ja so ein riesiges Großraumbüro, wo alle heute-Redaktionen zusammensitzen außer dem heute journal. Das sind dann, wenn es voll besetzt wäre, sicher an die hundert Leute. Aber es sind natürlich immer wesentlich weniger, weil ja die Schichten auch verschieden sind. Da waren also in diesem Großraumbüro maximal zehn Prozent Frauen und in der Hierarchie gar keine. Alle meine Chefs, angefangen vom Redaktionsleiter über Hauptabteilungsleiter über Chefredakteur und so weiter – alles Männer.
Und in der Zwischenzeit hat sich zumindest auf der unteren Ebene doch so viel geändert, dass wir fast 50 Prozent Frauen haben oder sogar 50 Prozent. Also das variiert ja immer ein bisschen. Und jetzt haben wir auch endlich nach langer Zeit zum ersten Mal eine Hauptabteilungsleiterin. Vorher hatten wir aber auch schon mal eine Redaktionsleiterin. Und insofern hat sich schon viel geändert. Man fühlt sich nicht mehr so auf einsamer Flur als Frau.
Herausforderung Beruf und Familie
Klein: Sie haben es ja nun auch geschafft, haben Karriere gemacht. Haben Sie jemals irgendwie diese berüchtigte gläserne Decke gespürt? Also sind Sie da an Grenzen gestoßen?
Gerster: Nee. Insofern nicht als ich ja frei bin. Ich war früher, also beim WDR, noch fest angestellt, aber dann war ich immer frei beim ZDF. Das heißt: ich habe auch tatsächlich keine Karriere in der Hierarchie angestrebt. Also ich glaube, diese gläserne Decke, die kommt dann, wenn ich jetzt unbedingt eine Chefredakteurin hätte werden wollen. Dann hätte ich aber anders vorgehen müssen. Dann hätte ich zuerst mal eine Festanstellung anstreben müssen und dann mich da hocharbeiten.
Aber mir war klar, dass ich mit zwei Kindern auch mit einem sehr emanzipierten, feministisch gesonnenen Mann an meiner Seite, der die Hälfte immer mit übernommen hat, mindestens die Hälfte, wenn nicht mehr – dass ich trotzdem lieber frei bliebe und Zeit für meine Kinder auch hätte. Im Nachhinein war das richtig so.
Klein: Also Karriere nur mit gleichberechtigtem Partner, würden Sie sagen?
Gerster: Ja, auf jeden Fall. Dass zwei Leute Karriere machen und Kinder haben, wenn sie die nicht nur delegieren wollen an sogenanntes Personal oder in Internate stecken wollen – das ist schwierig. Natürlich ändert sich auch das hoffentlich. Aber es ist immer noch schwierig für Menschen, einfach weil wir zu wenige Hilfsangebote von staatlicher Seite haben, anders als Frankreich zum Beispiel.
Mein Mann – der war ja nun auch Journalist – der wollte unsere Tochter in der Kindertagesstätte anmelden mit drei und ist ausgelacht worden war, weil es überhaupt keine Plätze gab für Dreijährige. Und es wurde gesagt: wenn, dann überhaupt nur für Alleinerziehende und für ein berufstätiges Ehepaar war da gar keine Chance damals in München. Heute gibt es ja einen Anspruch darauf. Aber ich glaube, der wird auch nicht überall einlösbar sein, so wie ich die Lage beurteile.
"Hatte kein Vorbild, an dem ich mich hätte orientieren können"
Klein: Nun werden für Frauen ja auch vor der Kamera noch mal andere Standards gesetzt als für Männer. Da steht das Aussehen häufig im Vordergrund, nicht unbedingt für die Zuschauerinnen und Zuschauer, aber es wird häufig kommentiert, auch von Medienseite. Sie haben uns im Dlf mal 2007 in einem Interview etwas zum Älterwerden vor der Kamera gesagt. Da hatten Sie gerade ihr Buch "Die Reifeprüfung" über die Frau ab 50 geschrieben. Da haben sie gesagt: Es gebe kaum Vorbilder für Sie - Altern vor der Kamera sei für Frauen noch nicht selbstverständlich. Das ist nun ein paar Jahre her. Wie denken Sie heute darüber?
Gerster: Ja, es ist tatsächlich so, dass ich die erste bin, die so lange in der Primetime auf dem Schirm ist, wenn ich das richtig sehe. Ich habe damals, als ich das Buch schrieb – und deswegen habe ich überhaupt nur das Buch geschrieben, weil ich um meinen 50. Geburtstag herum meistens von männlichen Kollegen gefragt wurde – oder auch sogar im Freundes- und Bekanntenkreis: Ja, wie lange dürfen Sie denn jetzt noch moderieren?
Also das Wort 'dürfen' hat mich da besonders gestört. Ich fühlte mich irgendwie auf dem Gipfel meines Schaffens und im Zenit überhaupt und fühlte mich großartig und dachte: Mit 50 werden Männer in Ämter gehievt und starten erst mal so richtig durch. Und dann habe ich schon irgendwie so ein Verfallsdatum auf der Stirn. Das kann ja wohl nicht sein. Und dann habe ich mich auch umgesehen und festgestellt, dass ich tatsächlich damals schon die Älteste war am Abend ab 19.00 Uhr. Das hat sich insofern nicht geändert, als ich in den letzten 16 Jahren tatsächlich auch kein Vorbild hatte, an dem ich mich hätte orientieren können. Also, ich muss nun selber als Vorbild herhalten.
"Sprache muss sich ändern"
Klein: Dieses Sichtbarmachen von Frauen, das passiert ja auch über Sprache und das ist mir auch aufgefallen: Ab und zu benutzen Sie das Gendersternchen, sprechen zum Beispiel von Journalist*innen mit einer kleinen Pause. Manchmal sagen Sie aber auch von Journalistinnen und Journalisten, Sie variieren da so ein bisschen. Warum haben Sie sich dazu entschieden?
Gerster: Das Gendersternchen habe ich ja auch lange abgelehnt, weil es mir mündlich gesprochen irgendwie sperrig vorkam. Aber ich muss sagen, ich habe mich jetzt wirklich dran gewöhnt. Auch beim Hören finde ich überhaupt nichts mehr dabei. Aber ich variiere einfache, um nicht penetrant zu sein. Ich weiß, dass sich sehr viele, vor allem ältere Herren daran wahnsinnig stören und ich will auch meine Zuschauer – ich sage extra jetzt Zuschauer, nicht Zuschauer*innen, weil es meistens die Männer sind, die sich empören – also die Zuschauer will ich auch nicht vor den Kopf stoßen. Und man muss ja auch nichts mit der Brechstange durchsetzen wollen, sondern ich finde es wichtig, dass Frauen sichtbar gemacht werden.
Und man kann nicht immer diese Doppelformen benutzen. Gerade bei einer Nachrichtensendung geht es um Sekunden und immer beide Formen zu nennen, kann auch ermüdend sein. Man benutzt auch andere Formen wie Radfahrende oder Demonstrierende, also mal ein Partizip. Ich finde die Abwechslung ganz schön. Und ob sich das Sternchen langfristig durchsetzen wird, wird man sehen.
Ich bin da auch nicht ideologisch, was immer dann unterstellt wird. Aber ich denke einfach, es ist jetzt an der Zeit, wirklich klarzumachen, dass die Welt nicht nur aus Männern besteht und dass der Mann auch nicht das Maß aller Dinge ist. Und dieses generische Maskulinum, das immer ins Feld geführt wird, ist einfach historisch entstanden aus dem Patriarchat. Das muss man einfach so sehen. Aus einer Welt, in der Männer herrschten und Männer die Berufe ausübten und Männer in der Öffentlichkeit waren. Daher kommt es. Und jetzt hat sich die Welt geändert und ich denke, da muss sich auch die Sprache ändern.
Jan Hofer im roten Kopuzenpullover vor der Abfahrt zu Dreharbeiten zur 13. Staffel der RTL-Tanzshow am 12.03.2020 in Köln
Mit Jan Hofer nach vorn - Was hinter der Informations-Offensive von RTL steckt
Von "Wer wird Millionär" bis "Let's Dance": RTL ist vor allem für seine Unterhaltungsformate bekannt. Doch bei Deutschlands quotenstärkstem Privatsender sollen journalistische Inhalte ausgebaut werden.
Klein: Auch in den privaten Medien gibt es ja gerade so eine Art Informationsoffensive. Gerade hat sich "Mister Tagesschau", wie er genannt wurde, Jan Hofer, verabschiedet zu RTL. Die ehemalige Tagesschau-Moderatorin, Linda Zervakis ist jetzt bei ProSieben. Und jetzt kommen Sie ins Spiel, quasi als "Miss heute". Wie sieht ihre Zukunft nach den heute Nachrichten aus?
Gerster: Also erstmal nicht bei den Privatmedien, sondern ich werde ein weiteres Buch schreiben mit meinem Mann. Aber ich sage gleich: ich verrate noch nicht worüber. Aber es wird ein aktuelles Buch und es hat nichts mit Corona zu tun.
Klein: Also sie bleiben beschäftigt.
Gerster: Ich bleibe beschäftigt, genau. Und wenn das Buch fertig ist, kommt ein Hund ins Haus. Und dann werde ich auch beschäftigt sein. Und dann werde ich weitersehen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.