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Zehn Jahre Dunkle Energie

Vor genau zehn Jahren haben Astronomen entdeckt, dass die Ausdehnung des Universum immer schneller abläuft, angetrieben von der sogenannten Dunklen Energie. Zum Jubiläum treffen sich nun die führenden Kosmologen der Welt am Institut des Hubble-Weltraumteleskops in Baltimore, um über den aktuellen Stand und die künftigen Ziele bei der Erforschung der Dunklen Energie zu diskutieren.

Von Dirk Lorenzen |
    Adam Riess erinnert sich gut an das Frühjahr 1998. Damals war er frisch promovierter Astronom an der Universität Berkeley. Für ein internationales Forscherteam hatte er die - an sich undankbare - Aufgabe, große Mengen an Beobachtungsdaten zu bearbeiten.

    "Ich habe die Daten analysiert und immer dieses komische Ergebnis bekommen, das absolut keinen Sinn ergab. Ziel unseres Projekts war, zu messen, wie sehr sich die Ausdehnung des Universums aufgrund der Anziehung der Materie verlangsamt. Statt dessen haben wir herausbekommen, dass sich das Weltall immer schneller ausdehnt. Das hat die ganze Forscherwelt sehr überrascht - und viele haben das Ergebnis zunächst angezweifelt. Aber mittlerweile gilt unsere Messung als gesichert. Natürlich erklärt sie nicht, warum das Universum beschleunigt. Das ist heute die große Frage."

    Auch zehn Jahre nach der sensationellen Entdeckung bleibt den Astronomen nicht viel mehr, als über sie zu staunen. Was genau hinter der Dunklen Energie steckt, also was genau den Kosmos jetzt immer schneller auseinander treibt, ist für das Team um Adam Riess, der heute am Institut des Hubble-Weltraumteleskops in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland tätig ist, noch immer völlig unklar.

    "Wir versuchen zu messen, ob die Dunkle Energie immer gleich stark ist, oder ob die Beschleunigung im Kosmos mal stärker und mal schwächer war. Nach unseren bisherigen Daten sieht die Dunkle Energie recht statisch aus, aber ob sie immer exakt gleich war, lässt sich noch nicht sagen. Sicher ist nur, dass sich die Stärke der Dunklen Energie im Laufe der kosmischen Geschichte nicht abrupt verändert hat. Im Kosmos hat also nicht plötzlich jemand auf das Gaspedal getreten."

    Schlüssel zum Verständnis der Dunklen Energie sind Supernovae, gewaltige Sternexplosionen. Supernovae lassen sich noch in extrem großer Entfernung von Milliarden von Lichtjahren beobachten. Im Licht der Supernovae ist die Information gespeichert, wie schnell sich der Kosmos zum Zeitpunkt der Sternexplosion ausgedehnt hat. Die derzeitigen Daten deuten auf eine bewegte kosmische Vergangenheit: Danach wurde die Ausdehnung des Kosmos in den ersten gut acht Milliarden Jahren tatsächlich immer langsamer. Damals dominierte noch die anziehende Materie. Danach aber, so zeigen alle Beobachtungen, ist die Ausdehnung des Kosmos immer schneller geworden. Die beschleunigende Dunkle Energie hatte gegenüber der bremsenden Materie die Oberhand gewonnen.

    "Nach heutiger Theorie hat sich das Universum einen Sekundebruchteil nach dem Urknall extrem schnell aufgebläht. Wir nennen das Inflation. Vielleicht ist die Dunkle Energie ein schwacher Nachfolger dieses Phänomens, so eine Art ewige Inflation. Die Dunkle Energie ließe sich auch mit den versteckten Dimensionen der String-Theorie erklären. Es gibt noch weitere mögliche Modelle. Aber die bisherigen Daten sind zu ungenau, um diese knifflige Frage wirklich zu klären. Deswegen plant die Nasa derzeit JDEM, die Joint Dark Energy Mission. Das wird eine Raumsonde, die Tausende von Supernovae sehr präzise vermessen soll."

    JDEM soll vor allem den kosmischen Übergang von der Abbremsung zur Beschleunigung genauestens verfolgen. In diese Daten setzen die Astronomen derzeit die größten Hoffnungen. Auf der Tagung in Baltimore begann das große Schaulaufen dreier möglicher Projekte für die JDEM-Sonde. Um einem der größten Rätsel der Physik beizukommen, setzen die Forscher auf ein spezielles Weltraumteleskop, das sich allein dieser Frage widmet und das den aktuellen relativen Stillstand überwinden soll. Doch bis JDEM starten kann, werden gut und gerne noch einmal zehn Jahre vergehen.

    Link zum Thema

    Symposium: "Eine Dekade Dunkle Energie" (Engl.)