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Zehn Jahre LEG-Privatisierung in NRW
Vernachlässigung und Luxusmodernisierung

Seit zehn Jahren ist in Nordrhein-Westfalen die zuvor landeseigene Wohnungsbaugesellschaft LEG privatisiert. Mieter ziehen eine negative Bilanz: Steigende Mieten, teure Modernisierungen, kaum Instandhaltung und ein Vermieter, der kaum erreichbar ist.

Von Kay Bandermann | 28.08.2018
    Ein Kind steht vor einem Hochhaus.
    Höhere Mieten und schlechte Instandhaltung - Bewohner sind unzufrieden (Imago / JOKER)
    Die lautstarken Proteste haben nichts gebracht. 60.000 Unterschriften reichten am Ende nicht, um die Privatisierung der landeseigenen LEG zu stoppen. Zehn Jahre ist das her. Auch Rosemarie Reichl und Frank Fusillo haben damals in ihrer LEG-Siedlung in Dortmund Unterschriften für die Volksinitiative gesammelt. Ihr Fazit nach zehn Jahren:
    "Schlecht. Denn wir haben andauernd Mieterhöhungen. Es wird nichts gemacht, es wird nicht renoviert. Die Leute kämpfen, dass was gemacht wird. Die Fluren sehen aus, keine Schlösser drin in den Haustüren. Das kann’s nicht mehr sein."
    "Die haben ja alle Verbindungen gekappt. Selbst wenn man nach Hörde fährt zu dieser Zentrale: da ist ja alles verbarrikadiert…Die haben auch den Mieterbeirat kommen lassen. Wenn irgendein Mieter nicht zufrieden war, dann konnten wir das vortragen. Ist nicht mehr! Das ist vorbei."
    Mieter der LEG sind die beiden immer noch. Als "Über 60jährige" bekamen sie ein Wohnrecht auf Lebenszeit. So steht es in der 27-seitigen Sozialcharta, die damals zum Schutz von Mietern und Mitarbeitern vereinbart wurde.
    Sozialcharta ein zahnloser Tiger
    Aus Sicht von Mietervereinen hat sich das Papier als "zahnloser Tiger" erwiesen. Die Charta galt von Anfang an nur für Mieter des Jahres 2008. Schlecht verhandelt, sagt Hans-Joachim Witzke vom Deutschen Mieterbund NRW.
    "Die wollten Geld machen, um ihren Landeshaushalt zu sanieren und die LEG loswerden, die ihnen lästig war. Und jedes Zugeständnis, was die LEG hätte machen müssen, hätte den Kaufpreis gesenkt und daran bestand nun mal kein Interesse."
    Vor im Einzelfall drastischen Mieterhöhungen schützte die Charta auch nicht. Die LEG durfte die Mieten pro Jahr um drei Prozent anheben – im Durchschnitt. Im Einzelfall können Steigerungen aber viel höher ausfallen. Ein Beispiel aus Dortmund: um bis zu 50 Prozent sollen die Mieten demnächst steigen, weil die LEG einen Häuserblock aus der Gründerzeit sanieren will - was die Mieter nicht verstehen.
    "Ich wohne Souterrain. Können Sie mir sagen, was ich mit einem Balkon soll? Und hinterher ne Mieterhöhung von 150 Euro? Ich habe mein Bad 2011 renovieren lassen – behindertengerecht. Mein Badezimmer: spitze! - Es sollen neue Briefkästen gemacht werden. Unsere Briefkästen, die Briefkästen in den Häusern, die ich kenne, sind alle völlig funktionsfähig."
    Modernisierung vertreibt Mieter
    Für Tobias Scholz vom Mieterverein Dortmund ist das ein typisches Muster der privatisierten und mittlerweile sogar börsennotierten LEG. Sie modernisiert die Bestände massiv – und versucht die Kosten so weit wie gesetzlich erlaubt auf die Mieter abzuwälzen – ohne einen Blick darauf, ob sich die Menschen die Wohnung anschließend noch leisten können.
    "Man sieht es an den hohen Mieterhöhungen, gerade auch hier im Viertel. Man sieht es aber auch an den geschlossenen Kundencentern und der Service-Hotline, wo wir laufend Beschwerden erhalten, dass die LEG nicht mehr persönlich erreichbar ist und man lange warten muss. Da geht es um das Aktionärsinteresse, um die Börse. Da stehen nicht die Mieter im Mittelpunkt."
    Unternehmen sieht Erfolgsgeschichte
    Aus Sicht des Unternehmens sind die vergangenen zehn Jahre eine Erfolgs- und vor allem eine Wachstumsgeschichte. Die Zahl der Wohnungen stieg von 93.000 auf gut 135.000. Die Mitarbeiterzahl wuchs im gleichen Verhältnis – um rund 50 Prozent auf 1.300. Auch mit den Gewinnen, der Dividende und dem Aktienkurs ging es bergauf. Dieser Erfolg sei aber nicht auf dem Rücken der Mieter entstanden, betont LEG-Sprecherin Judith-Maria Gillies.
    "Unsere Durchschnittsmieten liegen weiter unter NRW-Schnitt. Und gleichzeitig wirtschaften wir eben profitabel. Wir sind solide durchfinanziert, stecken viele Millionen Euro in die Instandhaltung…: Und das zeigt, dass man als Normalverdiener eine wirklich bezahlbare Wohnung finden kann."
    Für das Geschäftsjahr 2018 prognostiziert das LEG-Management eine weitere Steigerung der Mieten – und die sind die wichtigste Einnahmequelle des Unternehmens – um durchschnittlich 3,5 Prozent. Mit dem Auslaufen der Sozialcharta habe das nichts zu tun, so die LEG-Sprecherin.
    "Für Mieterhöhungen gilt: auch ohne Sozialcharta unterliegen sie natürlich und selbstverständlich allen gesetzlichen Bestimmungen. Das war so und wird immer so sein. Generell arbeiten wir daran, Mieter und Mitarbeiter zufrieden zu stellen. Das ist völlig unabhängig von einer Sozialcharta."
    Das scheint noch nicht überall angekommen zu sein. Mieterin Rosemarie Reichl aus Dortmund hat keine Hoffnung, dass sich etwas bessert.
    "Es hat vorher nicht geklappt und wird auch hinterher nicht klappen."