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Zehn Jahre nach der Moldauflut

Die Tschechische Republik hat nach der Flutkatastrophe vor zehn Jahren viel für den Schutz gegen Hochwasser getan. Damals wurden 450 Orte überflutet, 200.000 Menschen mussten evakuiert werden. Viel Geld ist auch in die Verbesserung der grenzüberschreitenden Vorhersage- und Meldesysteme geflossen.

Von Stefan Heinlein |
    August 2002 - mit Lautsprecherdurchsagen ruft die Polizei die Bewohner der Prager Kleinseite zum Verlassen ihrer Häuser und Wohnungen auf. Es schüttet seit Tagen ohne Unterbrechung. Zentimeter für Zentimeter steigt der Pegel der Moldau.

    Über 200.000 Menschen in Prag und anderen Städten des Landes werden evakuiert. 450 Ortschaften werden überflutet - 17 Menschen sterben. Es ist die größte Flutkatastrophe der tschechischen Geschichte.

    "Niemand hat mit einem solchen Hochwasser gerechnet, erinnert sich Josef Reidinger vom tschechischen Umweltministerium. Unsere Schutzmaßnahmen waren darauf nicht vorbereitet. An einigen Stellen stand das Wasser so hoch wie seit 1000 Jahren nicht mehr."

    Es dauert viele Monate, bis die unmittelbaren Schäden des Hochwassers beseitigt sind. Im Anschluss beginnt das Nachdenken über die Ursachen der Flutkatastrophe. Viel zu langsam ist in der Vergangenheit in den Hochwasserschutz investiert worden. Die Städte und Gemeinden scheuten die hohen Kosten für den Bau von Rückhaltebecken, Deichen und mobilen Schutzwänden. Auch die Staustufen entlang der Moldau wurden jahrzehntelang vernachlässigt, so der Direktor der Wasserwirtschaftsbetriebe Tomas Kendik:

    "Erst nach dem Hochwasser 2002 wurden viele technische Schutzmaßnahmen verwirklicht. An den Staustufen wurden zusätzliche Mobilsperren gebaut um größere Wassermassen zu bewältigen."

    Die Staustufe Orlik etwa 50 Kilometer vor Prag ist die größte und wichtigste der insgesamt acht Moldaukaskaden. Vor zehn Jahren ermöglicht der Deich für einige Stunden eine Verzögerung des Hochwassers - doch verhindern kann Orlik die Flutkatastrophe nicht, erinnert sich Dammmeister Pavel Melichar:

    "Das war damals eine sehr gefährliche Situation. Der Deich war enorm belastet. Wir haben bis zur letzten Minute mit der Öffnung der Schleusen gewartet. Zum Glück hat er das ausgehalten."

    Viele Milliarden Kronen hat Tschechien mit europäischer Unterstützung in den letzten Jahren in den Hochwasserschutz investiert. Es bleibt eine Aufgabe mit vielen Baustellen. Der Schwerpunkt liegt auf dem Schutz der Städte und Gemeinden entlang von Moldau und Elbe erklärt Josef Reidinger:

    "Wir haben 45 Kilometer Schutzdämme entlang der Flüsse gebaut. Prag und andere Städte werden zusätzlich durch mobile Stahlwände gesichert. Außerdem können wir jetzt Hochwasserwellen durch neue Wasserbecken und Überflutungsgebiete deutlich verzögern."

    Viel Geld ist auch in die Verbesserung der grenzüberschreitenden Vorhersage- und Meldesysteme geflossen, um die Vorwarnzeiten zu verlängern. Auf vielen Konferenzen und in gemeinsamen Kommissionen hat man die Fehler der Vergangenheit aufgearbeitet, bestätigt Tomas Kendik:

    "Mit unseren deutschen Kollegen ist die Zusammenarbeit schneller und besser geworden. Die Kooperation mit Sachsen hat sich deutlich verbessert. Die Weitergabe aller Informationen ist tägliche Routine."

    Doch 100-prozentige Sicherheit gibt es auch heute nicht. Eine neue Flut an Moldau und Elbe ist immer noch möglich, weiß Dammmeister Pavel Melichar. Er kennt seinen Fluss und die Gefahren seit über 20 Jahren.

    "Das ist eine Sache der Natur. Vollständige Sicherheit kann es nie geben. Es kann immer irgendwo irgendwas passieren."