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Zehn Jahre später

Vor genau 10 Jahren unterzeichneten mehr als 40 Staaten, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, die sogenannte "Washingtoner Erklärung". Sie verpflichteten sich damit, die Suche nach Raubkunst aus der NS-Zeit in ihren Sammlungen intensiv zu betrieben und an die Erben zurückzugeben, fair und gerecht. Mit dem Stand von Provenienzrecherche und Rückgabeverfahren befasst sich nun ein Symposium in Berlin.

Von Sigrid Hoff | 13.12.2008
    Auch um das  Ölbild "Berliner Straßenszene" von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Jahr 1913 gab es Streit.
    Auch um das Ölbild "Berliner Straßenszene" von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Jahr 1913 gab es Streit. (picture-alliance/ dpa)
    "Verantwortung wahrnehmen", so lautete der Obertitel der Tagung, die in den letzten zwei Tagen versuchte, eine Zwischenbilanz zehn Jahre nach der Washingtoner Konferenz zu ziehen. Für Deutschland, das Land, von dem der größte Kunstraub der Geschichte ausgegangen war, sei die besondere Verpflichtung weiterhin bindend, betonte Kulturstaatsminister Bernd Neumann in seiner Eröffnungsrede:

    "Wiedergutmachung von NS-Unrecht ist der Bundesregierung nach wie vor ein besonderes Anliegen. Dies kann aus meiner Sicht nur heißen: Jede Form der prinzipiellen Bereitschaft zur Rückgabe anknüpfen. Verjährung kann es nicht geben. "

    Das Engagement der deutschen Museen, sich mit ihrer Sammlungsgeschichte auseinanderzusetzen und nach Objekten unklarer Provenienz zu suchen, ist bis heute bescheiden.

    In Deutschland haben sich viele Einrichtungen der Recherche in den Sammlungen widersetzt mit dem Argument, die finanziellen Mittel fehlten. 10 Jahre nach Washington gilt dieses Argument nun nicht mehr. Die Einrichtung einer zentralen Arbeitsstelle für Provenienzforschung durch den Bund, bei der die Museen jetzt Fördermittel und fachliche Hilfe bekommen können, sei überfällig gewesen, sagt die Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, Isabell Peiffer-Poensgen:

    "Das Problem ist die Konfrontation, was ich schwierig finde, die Museen haben ihre Sachen nicht erforscht, sehen sich mit Rückgabeforderungen konfrontiert, auf die sie aufgrund des Nichtwissen nicht angemessen reagieren können. Das rechtfertige ich nicht, aber das stelle ich fest. Die können das auch von der Vorbildung nicht, die Forschung machen, aber jetzt haben wir die Gelegenheit, sie mit Forscherinnen zu versorgen, praktisch sind es alles Frauen, ihnen das zu ermöglichen."

    Der neue Generaldirektor der Staatlichen Museen in Berlin, Michael Eissenhauer, der als Präsident des Deutschen Museums auf der Tagung sprach, äußerte Verständnis für das Berufsethos des Kurators, dessen Pflicht es nun einmal sei, die Sammlung zu bewahren:

    "Danach kann sich ein Sammlungsstück in jüdischen Besitz befunden haben, hat aber Sammlungsprofil geprägt. Eine Restitution würde schmerzliche Lücke reißen, faire u. gerechte Lösungen sollte für beide Sammlungen gelten. Der Verbleib eine Stückes im öffentlichen Raum ist ein gewichtiger Grund, fair und gerecht zu entschiedne. Im Dialog bleiben, vertrauensvoll nach fairer u. gerechter Lösung zu verfolgen, das sollte Aufgabe sein."

    Diese Haltung löste bei dem amerikanischen Rechtsanwalt Charles Goldstein, Vertreter der Kommission für Kunstrückgabe in den USA, Empörung aus: Schließlich wären diese Werke unrechtmäßig im Besitz der Museen und nur in die Sammlung gekommen, weil ihre eigentlichen Eigentümer verfolgt und umgebracht wurden.

    Georg Heuberger, Vertreter der Jewish Claims Conference in Deutschland, kritisierte ebenfalls, die deutschen Museen würden sich eher widerstrebend mit ihrer Geschichte befassen, weil sie fürchteten, die eigene Verstrickung in die NS-Politik zugeben zu müssen. Das Thema sei jedoch überfällig. Er forderte vor allem, die Opfergruppen in die Verfahren miteinzubinden, wie es auch in den Washingtoner Prinzipien formuliert sei:

    "Ein faires und gerechtes Verfahren kann man ohne gleichberechtigten Dialog mit den Geschädigten nicht beginnen. Die Geschädigten müssen beteiligt werden, auf Augenhöhe. Die geschädigten Familien dürfen nicht in Rolle der Antragsteller oder Bittsteller gepresst werden."

    Die Vereinbarungen von Washington sind jedoch nicht rechtlich bindend. Die Rückgabe von Raubkunst erfolgt in den meisten Ländern in einem freiwilligen, moralisch begründeten Akt. Ein Rückgabegesetz gibt es bisher nur in Österreich.

    Nicht erst seit den Auseinandersetzungen um des Kirchner-Gemäldes "Berliner Straßenszene" stelle sich jedoch die Frage, so Rechtsanwalt und Kunstexperte Peter Raue auf der abschließenden Podiumsdiskussion, ob ein solches Gesetz nicht auch in Deutschland sinnvoll sei:

    "Es sind Millionenwerte, über die entschieden wird, ohne dass es eine parlamentarische oder rechtliche Kontrolle gibt. Das ist mit dem Rechtstaat nicht vereinbar. Der Rechtsfrieden wäre schneller hergestellt, wenn es gesetzliche Grundlagen gäbe. "

    Mit dieser Ansicht blieb er jedoch auf dem Podium allein. Die meisten Teilnehmer hielten die Möglichkeiten der Verfahren zur Restitution in Deutschland für ausreichend.

    So brachte die Tagung keine wirklich neuen Erkenntnisse sondern bewies einmal mehr, dass die Verfahren zur Rückgabe transparenter gestaltet werden sollten und die wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas Kunstraub in der NS-Zeit noch immer in den Anfängen steckt.