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Zeichnen allein reicht nicht

Von einem Künstlermangel redet bisher niemand - dennoch wirbt die Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe um Schüler und hat am vergangenen langen Wochenende ein mehrtägiges Designcamp angeboten.

Von Hendrik Kirchhof |
    Es gibt "Jugend musiziert", "Jugend forscht" und "Jugend trainiert für Olympia". Was es nicht gibt, ist "Jugend gestaltet", wundert sich Florian Pfeffer, Professor für Kommunikationsdesign an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Deshalb kam er auf die Idee zum Oh!-Camp, einem viertägigen Kunst- und Designcamp für Schüler zwischen 16 und 19 Jahren:

    "Wir wollen eigentlich mit dem Oh!-Camp jetzt, naja wie so ein Pilotprojekt eigentlich daraus machen. Und dann gucken wir, wie wir das weitertragen können, und das noch größer machen können, um auch eigentlich in der Öffentlichkeit noch stärker ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das wirklich wichtig ist, dass sich Menschen mit kreativen Berufen beschäftigen und dass das auch wirklich ernsthafte Berufe sind."

    In den kreativen Berufen arbeiten mehr Menschen als in der Autoindustrie, sagt Florian Pfeffer, sie machen auch mehr Umsatz und produzieren Dinge, die für uns alle nützlich sind. Ein Designstudium ist schon lange nicht mehr brotlos – die Absolventen arbeiten in diversen Branchen, vom Webdesign bis zum Journalismus. Entsprechend geändert haben sich auch die Voraussetzungen für Studienbewerber:

    "Wenn man früher zum Beispiel Design studieren wollte, war es wichtig, dass man zeichnen konnte. Heute würde ich sagen, ist das überhaupt keine Voraussetzung mehr. Man braucht im Grunde genommen Ideen, aber nicht unbedingt eine bestimmte Technik."

    Das Oh!-Camp soll den gut 100 Teilnehmern zeigen, was sie im Studium erwarten würde. Florian Pfeffer will damit auch Schüler ansprechen, die sich bislang noch nicht für ein Designstudium interessieren, weil sie falsche Vorstellungen davon haben. Insgesamt mehr Bewerber anlocken will er nicht, weil schon jetzt auf jeden Studienplatz rund 20 Kandidaten kommen.

    "Wenn ich aus 300 Leuten die 15 raussuchen muss, die hier beginnen zu studieren, dann ist das wahnsinnig wichtig, die zu finden, die hier am besten aufblühen können. Darum geht es."

    Die Planung des Oh!-Camps war Aufgabe von Studierenden. Sie haben Flyer entworfen, Geldgeber gesucht und die Workshops entwickelt. Die Vorbereitung des Camps war aufwendig, meint Kommunikationsdesignstudent Marko Grewe. Er erinnert sich etwa an die mehrtägige Diskussion um den Namen des Oh!-Camps:

    "Ich glaube, die wurde dann auch mit diesem 'Oh!' einfach abgebrochen, das war dann einfach eine Entscheidung, dass wir zeitlich nicht mehr weiter daran feilen sollten. Aber ich glaube, wir sind ganz zufrieden damit. Dieses Oh, wenn man hier in diese Hochschule kommt, in diese riesen Säle, und dieser Oh-Effekt, der ist schon auf jeden Fall in diesem Gebäude drinnen."

    Die rund 20 Workshops sind sehr unterschiedlich. Beim "Frittenbuden-Design" entwerfen die Schüler aus weißen Plastikbechern, Wegwerfbesteck und Papptellern ein eigenes Service, mit Farben, Kleber oder Modelliermasse. Beim Projekt "Was fühlt ein Dreieck" dagegen geht es um Minimal Art. Martin Dörr hat sich von dem abstrakten Titel nicht abschrecken lassen:

    "Nee, ich fands richtig cool. Ich konnte mir eigentlich unter dem Workshop ziemlich wenig drunter vorstellen. Und ich wurde eigentlich überrascht. Ja, und man konnte seiner Kreativität freien Lauf lassen, während des Workshops."

    Dabei hat Martin Dörr selber Minimal Art geschaffen, indem er mehrere Blätter mit Krepppapier an eine Säule geklebt hat.

    "Ich habe ans unterste Ende der Blätter quasi noch einen Zentimeter Platz gelassen und hab da eine kleine Kugel druntergesteckt und hab das Ganze dann 'Last' genannt, quasi, dass auf der kleinen Kugel das Ganze Blättergewirr lastet."

    Sein Abitur hat er fast hinter sich, nach dem Zivildienst wäre er am liebsten freischaffender Künstler. Das ist ihm dann aber doch zu unsicher:

    "Deswegen hab ich mir gedacht, gehe ich halt auf Kommunikationsdesign. Ja, wenn ich arbeite, will ich auch davon leben können. Und deswegen denke ich halt, dass freie Kunst für mich eher nicht infrage kommt."

    Auch Jana Pregenzer sieht den Beruf der freien Künstlerin skeptisch. Sie kann sich eher vorstellen, Kunstlehrerin zu werden. In der Schule hat sie Kunst als vierstündigen Neigungskurs. Als Vorbereitung auf ein Designstudium eignet sich der Schulunterricht aber nicht unbedingt:

    "Das ist was ganz anderes bei uns finde ich, weil bei uns kriegen wir eine Aufgabe und müssen die dann lösen, und wir haben Richtlinien quasi und danach wird dann benotet. Und wir haben Hälfte Theorie und Hälfte Praxis, und Theorie müssen wir halt auch viel Kunstgeschichte und so wissen. Aber mit dem hier hat es nicht so viel zu tun, weil das hier finde ich ist eher so frei und kreativ."

    Beim Oh!-Camp soll der Spaß nicht zu kurz kommen, schließlich ist es kein Wettbewerb. Am letzten Tag zeigen die Teilnehmer dann einige ihrer Kunstwerke in einer gemeinsamen Ausstellung. Fast wie im richtigen Künstlerleben.