Archiv


Zeichnen mit Teilchen

Physik. - Nicht allein Röntgenstrahlen durchdringen den Körper und zeigen verborgene Strukturen wie Knochen und Organe. Eine andere Methode setzt dazu Neutronen ein, die allerdings nicht ganz einfach zu produzieren sind. Ein Quelle für helfenden Teilchen steht in Garching bei München: der Reaktor FRM-II. Seit Montag findet an dem - die 5. Internationale Schwerpunkt-Tagung über Neutronen-Radiologie statt.

    "Neutronenradiographie funktioniert genau wie die herkömmliche Röntgenaufnahme, nur dass dabei eben Neutronenstrahlen eingesetzt werden. Allerdings besitzen Neutronenstrahlen fast gegensätzliche Eigenschaften zu Röntgenstrahlen. Schwere Elemente am Ende des Periodensystems wie etwa Metalle schwächen beispielsweise Röntgenstrahlen ab, während Neutronen nicht auf die Masse der Atome reagieren", erklärt Burkhard Schillinger vom Institut für Experimentelle Physik der Technischen Universität München und zuständig für das Advanced Neutron Tomography And Radiography Experimental System - kurz Antares. Während Neutronen unbeeindruckt durch stärkste Metalle wandern, reagieren sie jedoch äußerst empfindlich auf Wasserstoff: "Wir können damit durch Metall hindurch selbst feine Spuren von Wasserstoff sehen wie beispielsweise Klebeschichten, Dichtringe oder Flüssigkeitsstände." Damit eigne sich die Methode vor allem zur Darstellung organischer Stoffe.

    "Derzeit versuchen wir, einen laufenden Motor zu durchleuchten. Dabei bereitet und noch die Abgasführung einige Probleme. Wir können aber bereits im laufenden Betrieb etwa die Ölverteilung beobachten. Bald, so hoffen wir, können wir auch den Einspritzvorgang sichtbar machen. Das wird aber sicher die Nachweisgrenze des Verfahrens sein", so der Physiker. Dabei gestaltet sich die Messung keineswegs als einfach, denn noch tröpfeln die Neutronen eher aus ihrer Quelle, als dass sie sprudeln. Schillinger vergleicht die Neutronen-Aufnahmen mit optischen Experimenten, die mit einer Kerzenflamme durchgeführt werden müssten. "Sie bekommen einerseits in einem Zeitfenster nur sehr wenige Neutronen. Andererseits leuchten die Neutronenschirme nach und setzen bei der Aufnahmegeschwindigkeit ebenfalls ein Limit von rund 100 Mikrosekunden Wiederholungsfrequenz." So könnten Aufnahmen derzeit nur bei periodischen Vorgängen wie eben einem laufenden Motor durchgeführt werden. "Dabei schauen wir immer wieder an dieselbe Stelle - so wie mit einer Stroboskoplampe beim Einstellen des Zündzeitpunkts."

    Einen Film aus Neutronenfotos zu erstellen, gestaltet sich entsprechend aufwändig, denn einzelne Momente müssen mehrfach aufgenommen werden, um ein einziges Bild im Film zu ergeben. Dies muss dann für jede Einzelaufnahme erneut erfolgen. Dennoch lohnt die Mühe bei bestimmten Anwendungsgebieten: "Dazu gehört die Feuchtedetektion und vor allem das Durchdringen dicker Metallschichten. Eine sehr spektakuläre Anwendung ist die Prüfung der Sprengzünder, die die Arianerakete in ihre einzelnen Stufen trennen. Das wird derzeit in Frankreich durchgeführt. Wenn ein Riss in nur einem einzigen Zünder besteht, kann die Stufe nicht abgetrennt werden und die Rakete würde verloren gehen." Ein anderes großes Feld der Neutronen-Radiologie seien daneben dreidimensionale tomographische Darstellungen.

    [Quelle: Arndt Reuning]