Manfred Kloiber: Offenbar nimmt auch Google selbst die zunehmend kritische Haltung der Aufseher sehr ernst, weshalb bei dem IT-Konzern auch ein Strategiewechsel wohl ins Haus stehen soll. Auch auf die zunehmend schärfer werdende Kritik von Datenschützern, Wettbewerbsrechtlern, Urheberrechtsexperten und Verbraucherschützern muss das Unternehmen irgendwie reagieren. Was sind denn da die größten Baustellen auf denen Google dringend tätig werden muss, Peter Welchering?
Peter Welchering: Naja, wenn man sich die Kategorie Großbaustellen anschaut, dann gibt’s gleich drei davon und auf allen dreien muss sehr, sehr schnell gehandelt werden. Das sind drei Baustellen, die heißen Street View, die heißen Google Books oder Search Books und die heißen vor allen Dingen eben auch die amerikanische Kartellbehörde, denn die hat ja im Mai Untersuchungen aufgenommen. Die Federal Trade Commission (FTC) untersucht gerade, ob es nicht doch wettbewerbswidrige Absprachen zwischen Apple und Google gegeben hat. Und die ersten Reaktionen aus der Federal Trade Commission, nachdem eben Eric Schmidt den Apple-Verwaltungsrat verlassen hat, die waren gerade nicht wie erwartet "na, dann ist doch alles erledigt". Nein, die Wettbewerbshüter, die wollen vielmehr nochmal ganz, ganz genau hinschauen, wie sich denn die Produktstrategie der beiden in den vergangenen 18 Monaten entwickelt hat. Denn FTC-intern gilt Schmidts Demission bei Apple als kleines Schuldeingeständnis – auch wenn das natürlich rechtlich überhaupt nicht relevant ist. Also hier muss Google ganz schnell bei den Vertretern der Wettbewerbsbehörde jeden Verdacht auf unerlaubte Absprachen mit Apple ausräumen.
Kloiber: Die nächste Baustelle, Sie haben sie schon aufgezählt, heißt Street View. Was liegt hier an?
Welchering: Ja, vor allen Dingen in Deutschland und Kanada, da gibt es ganz große datenschutzrechtliche Bedenken gegen den Bilderdienst, der ja Google Maps ergänzen soll. Die kanadische Datenschützerin Jennifer Stoddart, die prüft schon seit einiger Zeit, ob Street View nicht gegen die kanadischen Datenschutzgesetzte verstößt. Sie hat erste Hinweise darauf, dass dem so sei. Und sie verweist darauf, dass Google hier ja auch Fotos von einzelnen Menschen in ganz eng umrissenen Bereichen anbietet. Und das seien sogar hochauflösende Fotos, etwa wenn ein Lastwagen die Straße runter fährt. Und die Fotografierten, die sind in der Regel nicht einmal um Erlaubnis gefragt worden. Die Bilder, die können aber von jedem im Internet genutzt werden, etwa auch von Unternehmen. Und das besorgt eben Jeffier Stoddart sehr. Denn hier werden Menschen in Situationen gezeigt, von denen sie gar nicht wissen, dass sie so via Internet in die ganze Welt hinaus gesendet werden. Und es gibt auch schon einige Fälle, wie Internet-Versandhändler in den USA. Die beziehen nämlich die Street-View-Bilder tatsächlich in ihre Überprüfung der Kreditwürdigkeit potenzieller Kunden mit ein. Wer also in einer Straße lebt, in der ausweislich der Street-View-Bilder die Häuser schrecklich runtergekommen sind, der ist dann auch einfach nicht kreditwürdig. Übrigens auch bei uns, hier in der Bundesrepublik. Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz in Deutschland, sieht hier ein Problem. Bei uns wird auch darüber diskutiert, weil nämlich eine Art Geoscooring bei der Kreditwürdigkeitsprüfung durch Street View noch leichter wird. Und dann hängt eben die Einschätzung der Kreditwürdigkeit unter anderem davon ab, ob jemand in einer heruntergekommenen Straße wohnt oder eben in einem Haus mit verwitterten Fassaden. Und mit den Street-View-Bildern, da lässt sich dann natürlich auch eine Menge über einzelne Personen recherchieren. Auch wenn natürlich die Gesichter der zufällig Fotografierten unkenntlich gemacht werden. In Verbindung mit Adress-Datenbanken, ausgestattet mit persönlichen Daten, wie der Mobilfunknummer oder dem Autokennzeichen, können dann die ganz persönlichen, die ganz privaten Lebensumstände einzelner Menschen mit den Street-View-Bildern noch ein Stück besser ausgeleuchtet werden. Und so unsensibel wie bisher wird der Google-Vorstand hier wohl nicht mehr agieren können.
Kloiber: Wenig Sensibilität hat man Google ja auch in Sachen Urheberrecht vorgeworfen. Wird der Google-Vorstand bei Google-Books einlenken?
Welchering: Auf Dauer wird es hier vermutlich Zugeständnisse geben. Die Frage ist, wie weit die gehen? Aber die verbale Kraftmeierei der Vergangenen Wochen, die kann und wird Google überhaupt nicht durchhalten können. Die EU-Kommission will hier auch neue Rahmenbedingungen schaffen. Die Berufsverbände der Autoren, der Journalisten sind aufgerufen – die haben auch schon einiges getan und protestiert. Es gibt immer noch das offene Settlement in den USA, das Gerichtsurteil, das da erwartet wird. Wie der Vergleicht aussieht, kann man auch noch nicht genau sagen. Die Verwertungsgesellschaften sind miteinbezogen. Ja und vor allen Dingen: Mit dem EU-Vorstoß, da wird auch Kanada mitziehen, wie es aussieht. Und insofern wird die bisherige Praxis von Google Book Search, einfach erstmal Bücher einzuscannen und später erst die Autoren dann um Erlaubnis zu fragen, so auf Dauer überhaupt nicht funktionieren. Im Google-Vorstand sind ja die Probleme um Street View und Book Search schon zur Chefsache erklärt worden, und es sieht so aus, als ob unter dem Druck der Diskussion dann auch tatsächlich, vor allen Dingen aus Europa, die Zuschnitte von Verantwortlichkeiten im Google-Vorstand ein stückweit geändert werden. Dass Google sich nicht einfach weiterhin bei Book Search auf den Standpunkt stellen kann "hier gilt amerikanisches Verwertungsrecht und sonst nichts", das haben eben auch schon einige Vorstandsmitglieder von Google signalisiert. Insofern wird es ein sehr spannender Herbst für Google. Und da werden noch einige Personalfragen wohl noch behandelt werden müssen.
Kloiber: Peter Welchering war das, über die zunehmende Kritik an Google. Herzlichen Dank.
Peter Welchering: Naja, wenn man sich die Kategorie Großbaustellen anschaut, dann gibt’s gleich drei davon und auf allen dreien muss sehr, sehr schnell gehandelt werden. Das sind drei Baustellen, die heißen Street View, die heißen Google Books oder Search Books und die heißen vor allen Dingen eben auch die amerikanische Kartellbehörde, denn die hat ja im Mai Untersuchungen aufgenommen. Die Federal Trade Commission (FTC) untersucht gerade, ob es nicht doch wettbewerbswidrige Absprachen zwischen Apple und Google gegeben hat. Und die ersten Reaktionen aus der Federal Trade Commission, nachdem eben Eric Schmidt den Apple-Verwaltungsrat verlassen hat, die waren gerade nicht wie erwartet "na, dann ist doch alles erledigt". Nein, die Wettbewerbshüter, die wollen vielmehr nochmal ganz, ganz genau hinschauen, wie sich denn die Produktstrategie der beiden in den vergangenen 18 Monaten entwickelt hat. Denn FTC-intern gilt Schmidts Demission bei Apple als kleines Schuldeingeständnis – auch wenn das natürlich rechtlich überhaupt nicht relevant ist. Also hier muss Google ganz schnell bei den Vertretern der Wettbewerbsbehörde jeden Verdacht auf unerlaubte Absprachen mit Apple ausräumen.
Kloiber: Die nächste Baustelle, Sie haben sie schon aufgezählt, heißt Street View. Was liegt hier an?
Welchering: Ja, vor allen Dingen in Deutschland und Kanada, da gibt es ganz große datenschutzrechtliche Bedenken gegen den Bilderdienst, der ja Google Maps ergänzen soll. Die kanadische Datenschützerin Jennifer Stoddart, die prüft schon seit einiger Zeit, ob Street View nicht gegen die kanadischen Datenschutzgesetzte verstößt. Sie hat erste Hinweise darauf, dass dem so sei. Und sie verweist darauf, dass Google hier ja auch Fotos von einzelnen Menschen in ganz eng umrissenen Bereichen anbietet. Und das seien sogar hochauflösende Fotos, etwa wenn ein Lastwagen die Straße runter fährt. Und die Fotografierten, die sind in der Regel nicht einmal um Erlaubnis gefragt worden. Die Bilder, die können aber von jedem im Internet genutzt werden, etwa auch von Unternehmen. Und das besorgt eben Jeffier Stoddart sehr. Denn hier werden Menschen in Situationen gezeigt, von denen sie gar nicht wissen, dass sie so via Internet in die ganze Welt hinaus gesendet werden. Und es gibt auch schon einige Fälle, wie Internet-Versandhändler in den USA. Die beziehen nämlich die Street-View-Bilder tatsächlich in ihre Überprüfung der Kreditwürdigkeit potenzieller Kunden mit ein. Wer also in einer Straße lebt, in der ausweislich der Street-View-Bilder die Häuser schrecklich runtergekommen sind, der ist dann auch einfach nicht kreditwürdig. Übrigens auch bei uns, hier in der Bundesrepublik. Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz in Deutschland, sieht hier ein Problem. Bei uns wird auch darüber diskutiert, weil nämlich eine Art Geoscooring bei der Kreditwürdigkeitsprüfung durch Street View noch leichter wird. Und dann hängt eben die Einschätzung der Kreditwürdigkeit unter anderem davon ab, ob jemand in einer heruntergekommenen Straße wohnt oder eben in einem Haus mit verwitterten Fassaden. Und mit den Street-View-Bildern, da lässt sich dann natürlich auch eine Menge über einzelne Personen recherchieren. Auch wenn natürlich die Gesichter der zufällig Fotografierten unkenntlich gemacht werden. In Verbindung mit Adress-Datenbanken, ausgestattet mit persönlichen Daten, wie der Mobilfunknummer oder dem Autokennzeichen, können dann die ganz persönlichen, die ganz privaten Lebensumstände einzelner Menschen mit den Street-View-Bildern noch ein Stück besser ausgeleuchtet werden. Und so unsensibel wie bisher wird der Google-Vorstand hier wohl nicht mehr agieren können.
Kloiber: Wenig Sensibilität hat man Google ja auch in Sachen Urheberrecht vorgeworfen. Wird der Google-Vorstand bei Google-Books einlenken?
Welchering: Auf Dauer wird es hier vermutlich Zugeständnisse geben. Die Frage ist, wie weit die gehen? Aber die verbale Kraftmeierei der Vergangenen Wochen, die kann und wird Google überhaupt nicht durchhalten können. Die EU-Kommission will hier auch neue Rahmenbedingungen schaffen. Die Berufsverbände der Autoren, der Journalisten sind aufgerufen – die haben auch schon einiges getan und protestiert. Es gibt immer noch das offene Settlement in den USA, das Gerichtsurteil, das da erwartet wird. Wie der Vergleicht aussieht, kann man auch noch nicht genau sagen. Die Verwertungsgesellschaften sind miteinbezogen. Ja und vor allen Dingen: Mit dem EU-Vorstoß, da wird auch Kanada mitziehen, wie es aussieht. Und insofern wird die bisherige Praxis von Google Book Search, einfach erstmal Bücher einzuscannen und später erst die Autoren dann um Erlaubnis zu fragen, so auf Dauer überhaupt nicht funktionieren. Im Google-Vorstand sind ja die Probleme um Street View und Book Search schon zur Chefsache erklärt worden, und es sieht so aus, als ob unter dem Druck der Diskussion dann auch tatsächlich, vor allen Dingen aus Europa, die Zuschnitte von Verantwortlichkeiten im Google-Vorstand ein stückweit geändert werden. Dass Google sich nicht einfach weiterhin bei Book Search auf den Standpunkt stellen kann "hier gilt amerikanisches Verwertungsrecht und sonst nichts", das haben eben auch schon einige Vorstandsmitglieder von Google signalisiert. Insofern wird es ein sehr spannender Herbst für Google. Und da werden noch einige Personalfragen wohl noch behandelt werden müssen.
Kloiber: Peter Welchering war das, über die zunehmende Kritik an Google. Herzlichen Dank.