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Zeit-Geschichte im Kino

In kaum einer Stadt hat die Zeitgeschichte so deutliche Spuren hinterlassen wie in Berlin. Und mit großem Eifer diskutieren hier Politiker und Kulturschaffende darüber, wie die Geschichte lebendig gehalten oder auch inszeniert werden kann. So passt es gut, dass das Berlinale-Programm in diesem Jahr einiges Historisches zu bieten hat.

Von Josef Schnelle |
    Auf dem Weg vom Berlinale-Palast zum Gropius-Bau, der die Filmmesse beherbergt, überquert man drei Mal die Berliner Mauer. Inzwischen nur noch repräsentiert durch einen schmalen Erinnerungsstreifen im Straßenpflaster. Das ehemalige Gestapo-Hauptquartier ist auch nicht weit. So ähnlich wird auch das Programm der Berlinale - zumindest in den ersten Tagen durchzogen von aufblitzender Zeitgeschichte. Doch wie kann es gelingen Geschichte, Vergangenes Leid und Zeitgeist wiederaufleben zu lassen, wenigstens für ein paar Kinostunden. Bei Robert de Niro sind es fast drei Stunden, in denen er die Geschichte des CIA erzählen will. Was hat ihn eigentlich daran gereizt mit dem Titel "Der gute Hirte" ausgerechnet diese Geschichte zu erzählen.

    " Ich bin fasziniert vom Kalten Krieg, bin ein Kind des Kalten Kriegs. In Berlin. Da war ich als Kind ein paar Mal. Auch in Ost-Berlin: Diese ganze Zeit ist aufregend - besonders die Welt der Geheimdienste. Sie sehen das bei James Bond und anderen Filmen. Ich wollte das aber mal so real wie möglich machen."

    Aber was ist eigentlich real. Der Film, die zweite Regiearbeit des Hollywoodstars, der sich als Schauspieler mit einem kleinen aber feinen Gastauftritt als General begnügt, gibt darauf eine interessante Antwort. Vielleicht erreicht man den größten Grand an Authentizität durch extreme Stilisierung. "Der gute Hirte" erzählt die Geschichte eines Mannes ohne Eigenschaften, der anfangs als idealistischer Yale-Student, die Welt sicherer machen möchte und doch gerade jede Sicherheit verliert, seine Frau, seinen Sohn und die Frau die er eigentlich geliebt hat. Matt Damon legt diese Figur als statuarische Stilübung an und drückt dem ausgesprochen gut besetzten und photographierten Film entschieden seinen Stempel auf. So wird aus dem zeitgeschichtlichen Exkurs, der mit der misslungenen Invasion der kubanischen Schweinebucht in den 60er Jahren beginnt und endet, eigentlich ein Melodram vom nicht gelebten Leben in der Tradition von Douglas Sirk. Der Film will aber auch großes Epos sein, vergleichbar mit "Der Pate" als Königsdrama der Mafiawelt. Und er will seine Karten als Spionage-Film wie von Le Carre ausspielen. Doch der Spion kommt aus der Kälte nicht heraus. Weniger wäre vielleicht mehr gewesen, auch hinsichtlich der Länge. Aber De Niros Film gehört zum Besten was die Berlinale bislang in ihrem Wettbewerb gezeigt hat. Was von The Good German kaum jemand sagen dürfte. Regisseur Steven Soderbergh versucht mit den Mitteln des Film Noir, das Berlin der Nachkriegszeit wiederauferstehen zu lassen. Die Autos fahren zur altmodischen und heute unnötigen Rückprojektionen durch Berliner Trümmerlandschaften und George Clooney sucht nach seiner großen Liebe und kommt einer großen Intrige auf die Spur. Soderbergh drehte den Film in Schwarz-Weiß und versuchte seine Schauspieler mittels einer Verhaltensbibel in das Hollywood der 40er Jahre zurück zu versetzen.

    " Die sollte daran erinnern, das der Stil der Filmschauspiels vor 60 Jahren in Hollywood ein ganz anderer war. Das war vor Marlon Brando, vor James Dean, vor Montgomery Clift. Es war ein sehr oberflächlicher Stil. Das heute nachzumachen, das kann heute sehr bizarr wirken. Es ist das Gegenteil von allem, was man heute im Film macht."

    In dieser Kulissenschieberei hat Soderbergh irgendwann seine Geschichte verloren. Selbst George Clooney wirkt hölzern und leblos und Berlin ist nur aus Pappe. Stefan Ruzowitzky aus Österreich hat sich mit seinem Film "Die Fälscher" mehr Authentizität vorgenommen. Seine Geschichte spielt im KZ Sachsenhausen und basiert auf den Erinnerungen eines Beteiligten, der den Wahnsinn einer Spezialoperation überlebt hat. Im großen Stil wollte die SS Pfund und Dollarnoten drucken und zog dazu in einer vergleichsweise luxuriös eingerichteten Baracke Falschgeldspezialisten der kriminellen Szene zusammen. Eine Geschichte vom Überleben mit prallen Genre-Figuren aus dem Gangstermilieu. Ein ganz passabler Film. Aber irgendetwas ist falsch und unbehaglich an diesem Spiel. Kann es eine Erfolgsgeschichte im KZ überhaupt geben? Auch Hauptdarsteller Karl Marcovics beschlich am Wochenende ein merkwürdiges Gefühl:

    "An den Wochenenden, wo ich nicht nach Hause geflogen bin, in Babelsberg im Hotel geblieben bin, da habe ich schon so eine Art von Glocke empfunden, so eine Art von langsamem Registrieren, was das eigentlich heißt, diese Zeit anhand eines Films nochmal aufzurollen und als Rolle da mitten drin zu stecken."