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Zeit und Raum unter Kontrolle

Physik. - In einer Welt, in der immer mehr Daten immer schneller und dazu noch mobil übertragen werden, wird eine Sache immer wichtiger: Die genaue Uhrzeit. Wer wissen will, wann bestimmte Datenpakete von einem bestimmten Ort eintreffen, der muss sehr genau wissen, wie spät es ist – für die präzise Synchronisation der elektronischen Kommunikation. Amerikanischen Physikern ist nun ein Fortschritt in diesem Bereich gelungen: Sie haben die kleinste Atomuhr der Welt gebaut.

Von Jan Lublinski | 31.08.2004
    Atomuhren kontrollieren unsere Welt. Sie sorgen dafür, dass unsere beschleunigte Kultur nicht aus dem Takt kommt. In der Regel sind Atomuhren so groß wie amerikanische Kühlschränke, und sie stehen in Großforschungszentren wie etwa dem National Institute for Standards and Technology in Boulder, wo John Kitching in seinem Labor an einem Mikroskop sitzt und Besucher einlädt, einen Blick hinein zu werfen.

    Die Uhren, die sie hier sehen, sind etwa so klein wie Reiskörner. Wir kombinieren hier das Know-how der Atomuhr-Physik, das in den vergangenen 50 Jahren entwickelt wurde, mit Mikrostrukturtechnik und Nanotechnologie.

    Die kleinste Atomuhr der Welt sieht auf den ersten Blick aus wie eine winzige Schachtel. Ihre Wände bestehen aus dünnen Silizium- und Glasschichten. In ihrem Innern erzeugen die Physiker einen Dampf aus Cäsium-Atomen und regen diese durch elektromagnetische Wellen auf ein spezielles Energieniveau an, was bei einer bestimmten Frequenz am besten gelingt. Ist diese Frequenz einmal gefunden, zählt die Uhr die Zahl der Schwingungen der elektromagnetischen Welle und ermittelt so die verstrichene Zeit.

    In herkömmlichen Atomuhren werden diese Schwingungen mit Mikrowellen erzeugt. Weil diese aber Wellenlängen von einigen Zentimetern haben, fallen die Uhren recht klobig aus. John Kitching und Kollegen haben nun einen Weg gefunden, wie sie die Mikrowellen verzichten können: Sie regen, die Cäsium-Atome mit Lichtstrahlen an, die von zwei winzigen Halbleiterlasern erzeugt werden.

    Die neue Mini-Atomuhr funktioniert inzwischen recht gut: Erst nach 10.000 Jahren Betriebszeit geht sie eine Sekunde falsch. Im Vergleich zu den herkömmlichen Atomuhren ist das zwar relativ ungenau, denn die großen Exemplare vertun sich erst nach Millionen von Jahren um eine Sekunde – aber für die meisten denkbaren Anwendungen reicht die Präzision der kleinen Uhr aus. Kitching:

    Die wichtigste kommerzielle Anwendung, bei der Atomuhren verwendet werden, ist die Synchronisation von Kommunikationssystemen. In den vergangenen fünf Jahren wurden darum Atomuhren für Mobilfunknetze gebaut, die etwa so groß sind wie Zigarettenschachteln. Außerdem gibt es eine Reihe von militärischen Anwendungen, wie zum Beispiel Empfänger für das Global Positioning System, denen Störsignale nichts anhaben können.

    Die Satelliten des amerikanischen GPS-Navigationssystems funken ständig ihre eigene Position zur Erde sowie die genaue Uhrzeit der Atomuhren, die sie an Bord haben. Ein Empfänger, der Signale von vier solchen Satelliten erhält, kann seine eigene Position errechnen. Hätte er aber eine eigene Atom-Uhr, käme er mit weniger Signalen aus. - Ein großer Vorteil in schwierigem Gelände oder wenn Störsender einen Teil der GPS-Signale abblocken.

    Auch für neue Waffensysteme ist die neue Technologie geeignet: Mit schnell fliegenden, lenkbaren Raketen ließe sich viel besser kommunizieren, wenn diese eine kleine Atomuhr an Bord hätten. Und das ist noch nicht alles, betont John Kitiching.

    Mit solchen Uhren kann man mehr als nur die Zeit messen. Sie sind auch sehr sensibel auf Veränderungen in der Umgebung, zum Beispiel auf Magnetfelder. Zur Zeit versuchen wir, so eine Atom-Uhr in ein extrem sensibles Magnetometer zu verwandeln. Alle Dinge, die aus Metall sind und die sich bewegen, erzeugen Magnetfelder. Mit unserer Technologie könnten wir zum Beispiel Fahrzeuge erkennen, die in einem Tunnel fahren. Denkbar wäre es auch, diese Magnetfeld-Sensoren von einem Flugzeug über einem Gebiet abzuwerfen und auf diese Weise genau zu bestimmen, welche Dinge sich wo befinden.

    Albert Einstein hatte einst herausgefunden, dass Zeit und Raum eng verknüpft sind. Jetzt ist das US-Militär zu einem weiterführenden Schluss gekommen: Wer die Zeit im Kleinen kontrolliert, der beherrscht die Welt im Großen. Mit 20 Millionen Dollar fördert es die Entwicklung der kleinen Atom-Uhr.