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Zeitgemäßer Blick auf die koloniale Vergangenheit

Das Königliche Museum für Zentralafrika in Tervuren, wenige Kilometer außerhalb Brüssels, ist seit über 100 Jahren eine Institution. Bald wird es für drei Jahre renoviert - und auch die manchmal kolonial anmutende Ausstellung zeitgemäß überarbeitet.

Von Annette Riedel |
    "Manchmal werden wir gefragt, warum wir überhaupt renovieren. Das Museum hat so viel Charme und ist so authentisch. Wir sollten es als Museum eines Museum behalten."

    Kristin Opstalen führt durch das Museum. Es liegt in einer riesigen Parkanlage mit Teichen im Stil an französische Schlossparks angelehnt. Das Hauptgebäude erinnert denn auch an das Schloss von Versailles. Am Eingang, gleich links in einem Alkoven, stößt man auf einen ersten Grund, warum es nicht einfach so bleiben kann, wie es ist – charmant und authentisch hin oder her.

    "Ein Grund, warum wir modernisieren müssen, ist die starke kolonialistische Atmosphäre, die das gesamte Museum ausstrahlt. Sehen sie zum Beispiel diese Figur. Man sieht einen stattlichen Belgier und einen kleinen Afrikaner, der bewundernd zu dem Belgier aufschaut. Und der Titel ist: Belgien bringt die Zivilisation in den Kongo."

    Die Figur wird bleiben im erneuerten Afrikamuseum. Wie auch andere Ausstellungsobjekte, die Ausdruck einer stark kolonialistischen Sichtweise auf Afrika sind, wird sie aber in den entsprechenden Kontext gestellt und nicht mehr unkommentiert gezeigt.

    2005 löste eine Sonderausstellung in Belgien noch heute spürbare Schockwellen aus, die sich erstmals den negativen und menschenverachtenden Aspekten der belgischen Kolonialisierung des Kongos widmete. Die Kolonialisierung brachte eben nicht nur einen Zivilisationsprozess, sondern auch Unterdrückung, Ausbeutung, Grausamkeit. Die neue Dauerausstellung wird sich interdisziplinär vier Themenbereichen widmen: Kunst und Ausdruck, Rohstoffe und Bodenschätze, Landschaften und Biodiversität. Und schließlich Gesellschaften:

    "Es wird keinen eigenen Ausstellungsbereich zu Kolonialisierung und Unabhängigkeit geben. Das Thema wird in allen Bereichen immer wieder berührt."

    Das Museumsgebäude steht unter Denkmalsschutz. Zuletzt renoviert wurde es 1957.

    "Der Raum der Krokodile ist einer meiner liebsten. Er ist auch der authentischste, der einzige, der noch fast so aussieht wie bei der Eröffnung des Museums 1910. Die wunderhübschen Schaukästen, mit den Krokodilen, Schlangen und Reptilien sind noch Originale. Es wird der einzige Raum sein, den wir bei der Renovierung nicht umbauen werden."

    Die Schaukästen werden aber mit moderner Museumstechnik aufgerüstet. Gezeigt werden jetzt und werden weiterhin - nur eben anders geordnet und anders beschriftet - neben ausgestopften Tieren und Skulpturen Alltagsgegenstände aus Zentralafrika, auch Kunstgegenstände, zum Beispiel eine wertvolle Luba-Maske.

    Es gab und wird zukünftig weiter wechselnde Sonderausstellung geben – zuletzt mit lebenden Spinnen und Skorpionen - und jede Menge Veranstaltungen, Konzerte, Schulungen.

    Der belgische König Leopold II., der das Afrikamuseum bauen ließ, liebte Tunnel, erzählt Museumsmitarbeiterin Kristin Opstalen. In den Tunnel zwischen dem Museum und der Villa der Verwaltung, durch den sie mich zum Büro des Direktors führt, kommt man normalerweise nicht. Auch nicht in die Katakomben mit Teilen der Museumsbestände. Ein merkwürdiger Geruch liegt hier in der Luft – eine Mischung aus Tierhäuten, Mottenpulver und Staub.

    Man geht vorbei an Dutzenden präparierter Elefantenschädel, Giraffenköpfen, ausgestopften Antilopen und anderem glasäugig glotzenden Getier.

    Zusammentreffen mit Guido Gryseels, seit 2002 Direktor des Afrikamuseums. Es geht nicht nur darum, die Ausstellung anders zu systematisieren, anders zu gewichten, die Beschriftung zu aktualisieren – dem Französischen und Flämischen auch das Englische und eventuell auch das Deutsche hinzuzufügen, sagt er. Es geht darum, moderne Museumskonzepte zu integrieren, durchaus stark angelsächsisch geprägte:

    "Ein Museum muss lebendig sein und die Menschen anlocken. Wenn sie hier etwas lernen – prima. Wenn sie in den Ausstellungen Dinge sehen, die ihre Bewunderung für Afrika wecken – umso besser. Aber zu allererst müssen Besucher, Eltern, Kinder hier einfach einen schönen Tag erleben. Dazu braucht man mehr als ein paar Masken in Schaukästen."

    Und dementsprechend wird die Ausstellung multimedialer werden, interaktive Anteile haben und die Zahl der Veranstaltungen nach der Wiedereröffnung noch zunehmen. Wenn im Sommer für drei Jahre geschlossen wird, stellt das Museum seine Aktivitäten in dieser Zeit nicht völlig ein. Man kann und will sich nicht leisten, jahrelang aus der Wahrnehmung der Öffentlichkeit zu verschwinden, sagt Guido Gryseels:

    "Wir wollen keinesfalls die Verbindung zu den Schulen verlieren. Wir haben mit diversen belgischen und internationalen Museen und Kulturinstituten verabredet, dass wir unsere Bildungsarbeit dort fortsetzen und auch einiges ausstellen könne - beispielsweise vielleicht unseren berühmten ausgestopften Elefanten im Museum der Schönen Künste zeigen, um Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen."