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Zeitungs-Deal in Polen
Medien werden das neue Öl

In Polen hat der staatlich kontrollierte Mineralölkonzern PKN Orlen angekündigt, 20 regionale Tageszeitungen von einer deutschen Verlagsgruppe zu übernehmen. Dass es um weiteren medialen Einfluss für die Regierung geht, weist das Unternehmen zurück. Doch Kritiker erinnern an den Umgang mit dem öffentlichen Rundfunk.

Von Florian Kellermann | 08.12.2020
Das Logo des polnischen Mineralölkonzerns PKN Orlen
PKN Orlen: Bislang Minerlölkonzern, will man nun zum Medienhaus werden (CTK)
Das Verbreitungsgebiet der 20 regionalen Tageszeitungen erstreckt sich über das ganze Land, von Danzig bis Krakau, von Breslau bis Lublin. Hinzu kommen über 100 regionale Wochenzeitungen. Der Mineralölkonzern übernimmt auch die zugehörigen Internetportale mit monatlich insgesamt über 17 Millionen Nutzern.
Der Vorstandsvorsitzende des Mineralölkonzerns Orlen, Daniel Obajtek, versicherte, die Investitionsentscheidung habe rein wirtschaftliche Gründe. Im öffentlichen polnischen Radio erklärte er: "Das ist ein Geschäft, das ist ein Geschäft, ich unterstreiche noch einmal: Das ist ein Geschäft. Wir haben die Kette von Zeitschriften-Kiosken Ruch gekauft, und wir bauen unser eigenes Medienhaus auf. In diesen Medien können wir unsere Produkte anpreisen. Wir müssen unsere Kunden kennen lernen, ihre Erwartungen, wir müssen unsere Produkte auf sie zuschneiden."
Frage nach regierungskritischer Berichterstattung stellt sich
Es gehe der Regierung nicht darum, die Inhalte der Zeitungen zu beeinflussen, sagte auch der Vize-Minister im Ministerium für Staatsbeteiligungen, Artur Sobon, von der Regierungspartei PiS gegenüber der regierungskritischen Zeitung "Gazeta Wyborcza": "Ein Eigentümer, der ein gutes Geschäft machen will, muss ein gutes Produkt vorlegen, damit es von den Kunden angenommen wird. Sonst wird er damit keinen Gewinn erzielen."
Auf die Nachfrage, ob die Zeitungen künftig noch Kritik an der Regierung üben könnten, antwortete Sobon allerdings ausweichend. Schließlich gebe es genug andere Titel, in denen die Regierung kritisiert werde, sagte er.
Radiosender "Trojka": Die doppelte Alternative
Das polnische Radioprogramm "Trojka" wird zunehmend auf Regierungslinie gebracht – zum Ärger der Redaktion. Nun haben ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich zwei alternative Sender gegründet. Damit machen sie sich allerdings gegenseitig Konkurrenz.
Vorbild öffentlicher Rundfunk?
Kritiker nehmen dem Konzern und der Regierung nicht ab, dass die Übernahme aus wirtschaftlichen Gründen geschieht. Lukasz Szurminski, Medienwissenschaftler an der Universität Warschau, sagte dem privaten Radiosender TOK FM:
"Man kann davon ausgehen, mit großer Wahrscheinlichkeit, dass diese Medien eine Art Transmissionsriemen werden sollen zwischen dem Regierungslager und der Gesellschaft, kurz gesagt, dass sie der Regierungspropaganda dienen sollen. Ich würde mich hier sehr gerne täuschen. Aber wenn man sich das öffentliche Fernsehen, das öffentliche Radio und die staatliche Nachrichtenagentur ansieht und das, was dort passiert ist, dann muss man annehmen, dass es in diesen regionalen Medien in die gleiche Richtung gehen wird."
Beim öffentlichen Fernsehen verzichtet die Regierungspartei PiS selbst auf den Anschein von Objektivität. Es wird von einem ehemaligen PiS-Abgeordneten geleitet. In den Nachrichtensendungen treten als Experten fast ausschließlich PiS-Sympathisanten auf.
Verkäufer ist deutsche Verlagsgruppe
In den vergangenen Jahren hatten PiS-Politiker Druck auf ausländische Medieninvestoren aufgebaut. Sie beklagten sich wiederholt darüber, dass deren Titel nicht neutral berichteten, sondern ausländische Interessen vertreten. Der Vorwurf richtete sich auch gegen deutsche Verlage.
Kampagne gegen deutsche Medien
Polens Präsident Andrzej Duda greift deutsche Medien während des Wahlkampfes scharf an. Der Vorwurf: Einmischung im Dienste der Berliner Politik. Er erwartet sogar eine Reaktion des deutschen Botschafters. Nicht nur sein Herausforderer hält das für Wahlkampftaktik
Die Pressemitteilung der Verlagsgruppe Passau zum Verkauf ihrer polnischen Tageszeitung geht darauf nicht ein. Die Entscheidung sei aus "strategischen Gründen" gefallen, heißt es dort. Der Kaufpreis soll nach Angaben des Wirtschafts-Internetportals "Puls Biznesu" umgerechnet 27 Millionen Euro betragen.
Personalaustausch erwartet
Medienwissenschaftler Szurminski fürchtet, dass die Zeitungen nun unabhängige Journalisten entlassen könnten. "Beim öffentlichen Fernsehen ging der Personalaustausch sehr schnell, beim Radio deutlich langsamer. Ich denke, bei den Zeitungen wird das auch nach und nach geschehen. Diejenigen, die sich anpassen, haben wohl eine Chance zu bleiben. Aber die Erfahrung zeigt, dass man an ihrer Stelle immer noch Unterwürfigere finden kann. Das ist einfach schlecht für die polnische Medienlandschaft."
Regierungsvertreter schlossen nicht aus, dass Orlen an weiteren Medienunternehmen interessiert sein könnte. Als wichtigstes gilt der Fernsehsender TVN, der zum US-Konzern Discovery gehört. Auch er gerät bei der Regierungspartei PiS regelmäßig in die Kritik.