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Zeitungskrise in den USA

Seit 20 Jahren sinken die Auflagen der Tageszeitungen in den USA. Dieses Jahr konnte man gar eine Rekordeinbuße verzeichnen: Um drei Prozent sackten die amerikanischen Auflagen im letzten halben Jahr gegenüber dem Vorjahr ein. Vor allem Qualitätszeitungen in großen Städten verloren drastisch an Lesern. Einige Tageszeitungen haben bereits reagiert und deutlich Personal abgebaut.

Von David Goeßmann |
    Besonders betroffen von den Auflageneinbrüchen in den USA sind die Metropolenzeitungen wie die Los Angeles Times, der Boston Globe oder die New York Times. Einer der Hauptgründe: Viele ihrer großstädtischen Leser, ausgestattet mit Breitband-Internet, rufen das Zeitungsangebot online ab. Journalistik-Professor Paul Niwa vom Emerson College in Boston:

    "Leser sind nicht mehr nur an eine Zeitung gebunden wie zuvor, sondern sie können eine große Anzahl von Zeitungen im Internet abrufen. Sie können selbst zu Google News gehen und 5 verschiedene Zeitungen finden, mit verschiedenen Perspektiven und es ist alles umsonst. Also das Sammelsurium von Berichterstattung ist gut für die Demokratie, aber ist sehr schwierig für das Überleben von Zeitungen."

    Die amerikanischen Großstadtzeitungen haben noch gegen einen anderen Trend anzukämpfen. Denn während ihre Auflagen sinken, sind die der amerikanischen Regional- und Lokalzeitungen mehr oder weniger stabil. Sie profitieren von dem wachsenden Bedürfnis der Leser nach Informationen aus der nächsten Umgebung. Die Metropolenzeitungen haben es hingegen schwer, ihre Berichterstattung lokal auf die Vorstädte auszurichten.
    Der amerikanische Zeitungs-Dachverband, die Newspaper Association of America, gibt sich trotz der zurückgehenden Auflagen optimisch. John Kimball, Marketingchef des amerikanischen Zeitungsverbands:

    "Die Leserschaft, die sich anhand der verschiedenen Produkte, die Zeitungen täglich produzieren, informiert, ist nicht abnehmend, sondern sie steigt an. Aber die Leserschaft steigt eben nicht bei der gedruckten Version an, sondern bei den Websites, speziellen Nachdrucken, kostenlosen Exemplaren und vielen Formen, die es vor 15, 20 Jahren noch nicht gegeben hat."

    Im September diesen Jahres besuchten rund 60 Millionen Online-Benutzer die Websites von Zeitungen. Eine Rekordsumme. Die New York Times hat bereits mehr Internet-Leser als Leser der Druckausgabe. Der einzige Haken: Anzeigen- und Werbeeinnahmen im Internet sind bedeutend geringer als die der gedruckten Version. Selbst bei der New York Times machen sie nur 20 Prozent im Vergleich zur Printausgabe aus. Analysten rechnen frühestens in zwei Jahrzehnten damit, dass die Internet-Erlöse die Hälfte der derzeitigen Einnahmen erreichen werden. Bis dahin müssen viele Zeitungen einen Drahtseilakt vollbringen angesichts des wachstumsorientierten Aktienmarkts

    "Zeitungen müssen heute eine schwierige Balance machen: Das Internet ist zwar das neue wachsende Produkt, aber die Haupteinnahmequelle ist die Zeitung selbst. Wo finde ich also diesen Ausgleich, wo schicke ich meine Reporter hin, wo investiere ich in die Zeitung."

    US-Zeitung beginnen nun, Kosten einzusparen. Nationale Flagschiffe wie die Washington Post, das Wall Street Journal oder die New York Times werden ihre Formate verkleinern. Etliche Zeitungen haben oder werden massiv Redakteure und Reporter entlassen. Bei der LA Times, der viertgrößten US-Zeitung, stellten sich Herausgeber und Chefredakteur gegen die Stellenstreichungen und wurden vom Besitzer, der Tribune Company, zum Rücktritt gezwungen. Pulitzer-Preisträger Henry Weinstein arbeitet seit 28 Jahren als Autor für die LA Times:

    "Unsere Zeitung hatte im letzten Jahr eine Rendite von 20 Prozent. Einige Unternehmen wären froh darüber. Doch die Wall Street verlangt höhere Renditen, da Zeitungen keine kurzfristigen Wachstumsaussichten versprechen. Also noch mehr Personalabbau. Ich denke, wir hatte schon genug Einschnitte und jetzt ist die Frage: Wo hört man auf? Personalabbau bedeutet weniger Berichterstattung und das erzeugt ein Nachrichten-Vakuum, das sich negativ auswirkt auf die Bürger dieses Landes."

    Die Rufe nach journalistischer Qualitätssicherung haben im Moment einen schlechten Stand. Die Aktionäre üben Druck auf die Verlage aus. Der Tribune Company droht gar das gleiche Schicksal wie vor Monaten dem Traditionshaus Knight Ridder, die Zerschlagung. Die Los Angeles Times steht bereits zum Verkauf. Auch die anderen 10 weiteren Zeitungen des Verlags könnten bald folgen.