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Zeitvertäge an Hochschulen
"Man hat ganz viele Änderungen verpasst"

Jüngere Hochschulforscher und -lehrer müssen oft mit kurzen Vertragslaufzeiten leben. Gewerkschaften sprechen schon von einem "Uni-Prekariat". Eine Gesetzesreform soll das jetzt ändern. Studentenvertreter Sandro Philippi vermisst in dem Regierungsentwurf aber klare Regelungen, um die derzeitige Situation wirklich zu verbessern.

Sandro Phillipi im Gespräch mit Kate Maleike | 01.12.2015
    Studenten gehen am 14.10.2014 auf dem Campus Westend der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main (Hessen) durch die glasumfasste Rotunde, die auch als Cafe dient.
    Studierende der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. (picture alliance/dpa - Frank Rumpenhorst)
    Kate Maleike: Dass Wissenschaftler zu werden oft bedeutet, ein dickes Fell zu haben und sich mit Zeitverträgen abzuplagen, schlechten Bezahlungen und schwierigen Perspektiven, das ist nun wirklich kein Geheimnis mehr. Beschäftigung im Hochschulwesen ist für viele kein Bett auf Rosen, darüber haben wir auch hier in "Campus & Karriere" schon häufig berichtet. Die Bundesregierung will das jetzt ändern, plant die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, und morgen berät dazu der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung abschließend, dann geht der Entwurf in den Bundestag.
    Zur Unterstreichung, dass da dringend etwas passieren muss, findet deshalb heute ein bundesweiter Aktionstag gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen statt, doch befürchten Studierende auch, dass sich durch die geplante Novelle die Beschäftigungsverhältnisse für studentische Hilfskräfte verschlechtern wird. Sandro Philippi ist am Telefon, er ist Vorstandsvorsitzender vom Studierendenzusammenschluss fzs, der zu diesem Aktionstag aufgerufen hat. Guten Tag, Herr Philippi!
    Sandro Philippi: Guten Tag!
    Maleike: Was steht denn in der Novelle drin, was Sie beschäftigt im Hinblick auf die Beschäftigung der Hilfskräfte an den Hochschulen?
    "Ein unpraktisches Gesetz"
    Philippi: Eigentlich müsste man eher fragen, was steht alles nicht drin, denn das ist das Allerschlimmste. Man hat ja ganz viele Veränderung verpasst, zum Beispiel, klar zu regeln, wie befristet wird und nach welchen Kriterien, und was die Studierenden dann insbesondere besorgt, ist natürlich, dass jetzt neu, also als zusätzliche Verschlechterung, noch drin steht, dass es eine Höchstbefristungsdauer auf vier Jahre geben solle, was ja - eigentlich sind ja Höchstbefristungsdauern gut, also in der Wirtschaft ist es ja so geregelt, dass nach zwei Jahren sachgrundloser Befristung eigentlich entfristet eingestellt werden muss. Eigentlich sind so was gute Regelungen, für Studierende ist es natürlich leider kein gangbarer Weg, weil wir uns ganz sicher sein können, dass Studierende nach vier Jahren nicht entfristet werden, sondern einfach keinen Job mehr bekommen. Und wenn man sich mal anschaut, wie lange Studienzeiten realiter gehen oder auch idealiter, so sind sie meistens über vier Jahre. Das heißt aber auch, dass Studierende über vier Jahre sich finanziell versorgen müssen und es schon ein wirklich ganz großes Problem darstellt, wenn man auf einmal nach vier Jahren dann ohne Dok dasteht aufgrund eines unpraktischen Gesetzes.
    Maleike: Der Regierungsentwurf sieht ja diese Begrenzung der studentischen Beschäftigungszeiten derzeit auf vier Jahre vor, also Aktionstag heute - "Es reicht", war in der Pressemitteilung formuliert, Vollversammlung studentischer Beschäftigter, waren bundesweit sozusagen aufgerufen worden. Was wissen Sie, was hat heute stattgefunden, was findet heute statt?
    Philippi: Vor allem wird noch einiges stattfinden. Vollversammlungen beginnen meistens um 14 Uhr, zum Teil auch um 18 Uhr. Heute tatsächlich beginnt eher der Anfang als das Ende von den studentischen Aktionen. Wenn heute an verschiedenen Standorten sich die Beschäftigten, großenteils die studentischen Beschäftigten versammeln, um noch einmal die Situation zu analysieren und daraus politische Konsequenzen zu ziehen. Das heißt, man wird einen gemeinsamen Zwischenruf beschließen, der genau diese Missstände, die ich gerade angeschnitten habe, anprangern wird im Beschäftigungswesen, der sich eventuell auch noch mit dem Tarifeinheitsgesetz befassen wird, und von da aus gehe ich davon aus, dass tatsächlich eher noch weitere Schritte stattfinden werden. Es wird bei den Vollversammlungen ganz bestimmt nicht bleiben, sondern man wird im Anschluss der Vollversammlungen wahrscheinlich über die politische Aktion reden müssen, wie man nämlich die Beschlüsse, die man da fällt, dann auch umsetzt. Denn, wie Sie gerade etwas kritisch bemerkt haben, wird das wahrscheinlich nicht reichen, um jetzt die Hochschule in ihrer Beschäftigungspolitik vollkommen umzuwälzen, aber das ist letzten Endes das Ziel.
    Ein Leben in sozialer Angst
    Maleike: Noch mal ein Wort vielleicht zu den Arbeitsverhältnissen für die Studierenden vor Ort. Sie sagen, wir sind auch auf den Barrikaden, weil die Arbeitssituation für uns als studentische Hilfskraft quasi desolat ist. Beschreiben Sie mal, warum das so ist und was Sie sich wünschen.
    Philippi: Na ja, wenn es keine Definition und keine Mindeststandards für eine Vertragslaufzeit gibt, dann bedeutet das ganz klipp und klar, dass ein großer Teil der studentischen Beschäftigten teilweise für weniger als sechs Monate einen Vertrag bekommt. Das liegt sicherlich auch an der finanziellen Ausstattung des Bildungswesens, das liegt an der Art, wie Bildung und Wissenschaft gesteuert werden. Aber das führt ganz konkret bei den Studierenden dazu, dass sie im Grunde genommen in ständiger sozialer Angst leben müssen, weil sie nicht wissen, wie sie sich in ein paar Monaten finanzieren sollen.
    Maleike: Zur tariflichen Regelung. Sie sagen, die studentischen Hilfskräfte sind in vielen Bundesländern nicht tariflich beschäftigt?
    Philippi: Ja. Es gibt keine Tarifverträge für studentische Beschäftigte. Das bedeutet, dass man zum Beispiel die Lohnhöhe nicht mitverhandeln kann, dass man überhaupt nicht - eigentlich, dass es keine demokratische Vertretung für die Arbeitsinteressen der Studierenden gibt, in denen natürlich auch Arbeitsschutzmaßnahmen besprochen werden können, eben zum Beispiel klare Regelungen der Rechtssicherheit für Krankheitsfälle zum Beispiel ausgehandelt werden können, in denen aber auch Befristungsdauern ausgehandelt werden können. Dort könnte zumindest landesweit dann festgesetzt werden, so Zweimonatsverträge, das geht jetzt gar nicht mehr.
    Maleike: Sandro Philippi war das vom Studierendenzusammenschluss fzs zum Aktionstag heute. Es soll um bessere Verhältnisse gehen für studentische Hilfskräfte und um sehr viel mehr. Danke schön, Herr Philippi!
    Philippi: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.