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Zement für brüchige Knochen

Medizin. - Der Knochenschwund - die so genannte Osteoporose - betrifft alleine in Deutschland rund sieben Millionen Menschen. Dabei verliert der alternde Knochen immer weiter an Masse und wird dadurch instabil und brüchig. Die Folgen sind zunehmende Rückenverformungen, schnellere und schlecht heilende Brüche sowie andauernde Schmerzen. Die Therapien wandten sich bislang vor allem gegen die Symptome, eine Aussicht auf Heilung bestand nicht. Mit einem neuen Verfahren sollen die Rückenwirbel jetzt aber von innen stabilisiert werden.

    Mit der stetig ansteigenden Lebenserwartung der Menschen nehmen auch die Folgen des "Zahns der Zeit" auf den Körpers zu. Weil wichtige Hormone immer weniger gebildet werden, verlieren die Knochen zunehmend eingelagerte Minerale und werden damit auch brüchiger. Besonders Frauen haben unter der Osteoporose zuleiden. Eine typische Folge des Leidens ist, dass die Wirbel in sich zusammensacken, weil die nur noch wenigen Knochenbälkchen ihre Last nicht mehr tragen können. Dadurch entstehen keilförmige Wirbelkörper, die zusammen den gekrümmten Rücken formen. Auf der Suche nach einer wirksamen Gegenmaßnahme setzen Ärzte jetzt auch auf einen Eingriff in die Statik der Wirbelsäule: Sie stopfen die kaputten Wirbel einfach aus.

    "Bei der so genannten Vertobroplastie spritzen wir über zwei Nadeln Knochenzement in die betroffenen Wirbel ein", erläutert Ingenieur Steve Ferguson vom Maurice E. Müller Institut im schweizerischen Bern. Der Knochenkitt wird bereits seit langem an anderen Stellen verwendet, etwa um künstliche Gelenke fest im natürlichen Knochen zu verankern. Ungefähr sechs Milliliter der Mineralmixtur genügen, um den angeschlagenen Rückenwirbel zu festigen. Nützlicher Nebeneffekt: Wenn der Zement aushärtet, entwickelt sich im Knochen eine Hitze von rund 60 Grad Celsius. Dabei, so vermuten die Mediziner, würden auch die feinen Nervenenden im Knochen zerstört und der permanente Schmerz, der mit der Osteoporose einhergeht, verschwindet. Doch das könnte auch noch einen anderen Grund haben: "Der Knochenzement fixiert die vielen zerbrochenen Strukturen im Wirbel und mindert damit auch die Reizung der Nerven", so Ferguson.

    Noch mehr Erfolg soll die so genannte Kyphoplastie zeitigen. Dabei werden die Wirbel vor der Verfestigung mit dem Bio-Kitt zuerst aufgerichtet und die Rückenhaltung so korrigiert. "Dazu führen wir einen Ballon in den Wirbelköper ein und dehnen damit den Knochen zu seiner alten Form auf. Dann entfernen wir den Ballon und füllen die Hohlraum mit Zement", erläutert der Forscher. Dies gelinge aber nur, wenn der Wirbelbruch noch frisch und die einzelnen Bruchteile noch nicht wieder miteinander verwachsen seien.

    Noch fehlen allerdings Langzeitstudien zu solchen Bauarbeiten am menschlichen Knochengerüst. Auch bestehe die Gefahr, dass Zement durch Lecks im Knochen in den Rückenmarkkanal austreten und die empfindlichen Nervenbahnen schädigen könne, so mahnen Kritiker. Überdies könne die höhere Festigkeit der zementierten Wirbel über eine höhere Belastung zum Bruch der nicht behandelten, benachbarten Wirbel führen. Daher suchen die schweizerischen Forscher jetzt nach einem Baustoff mit besseren Eigenschaften.

    [Quelle: Sabine Goldhahn]