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Zensur aus Gründen der political correctness

Ein kommendes Großprojekt im Martin-Gropius-Bau Berlin, die Ausstellung "Die neuen Hebräer – 100 Jahre Kunst in Israel", die Ende Mai eröffnet werden soll, steht in der Kritik. In Israel. Die Auswahl der Künstler und der Werke sorgt in der Kunstszene dort für einigen Unmut. Viele befürchten, dass mit dieser bislang größten Schau israelischer Kunst und Kultur in Deutschland, ein allzu glattes Israel-Bild präsentiert wird.

Von Natascha Freundel |
    Yigael Tumarkin, geboren 1933 in Dresden und aufgewachsen in Tel Aviv, in den 50ern Bühnenbildner am Berliner Ensemble bei Bertold Brecht, international viel gepriesener Bildhauer, Träger des Deutschen Verdienstkreuzes, ausgezeichnet mit dem großen französischen Rodinpreis und dem Israel-Preis, Tumarkin sitzt zu Mittag in seinem Stammcafe in Tel Aviv - und ärgert sich lautstark:

    " Es war in Israel ne ziemlich gute Kunst, heute ist sie sehr diktiert durch diese politische Correctness und so und jedes Mal gibt es neue Genies und die Älteren schickt man zum Teufel, aber dass man so ne Dame nimmt und die wichtigste Ausstellung macht, das ist deutsche Sturheit und Dummheit und Frechheit und Ellbogen von dieser Dame. Denn so macht man die Sachen nicht."

    Diese Dame heißt Dorit LeVitte. Sie ist nicht nur die Kuratorin der kommenden großen Israel-Schau im Martin-Gropius-Bau, sie ist auch die Initiatorin. Verheiratet mit dem ehemaligen Direktor der Düsseldorfer Kunsthalle, Jürgen Harten, lebt sie seit 25 Jahren in Deutschland. Manch israelischer Kritiker schlussfolgert daraus, sie kenne die israelische Kunstszene nicht genügend. So wurde ihr mit Yigal Zalmona vom Jerusalemer Israel-Museum ein Insider zur Seite gestellt. Schließlich geht um die gesamte "Geschichte der modernen israelischen Kultur von ihrer Entstehung vor etwa 100 Jahren bis zur Gegenwart". Tumarkin, dessen Eisenskulpturen einen ganzen Park in Tel Aviv prägen, wird in Berlin nicht gezeigt. Für den Geschmack der Kuratorin ist sein Werk vielleicht zu ikonographisch, vielleicht aber auch seine Person zu unbequem:
    " Hier und da gibt es begabte Leute, aber die sind so korruptiert, verwöhnt, provinziell, klein. Haben Angst, laut zu sprechen, und wenn man laut nicht spricht und nicht die Wahrheit laut sagt, dann wird viel ganz leise gelogen."

    Ganz ähnlich denkt Moshe Gershuni, auch wenn sein Naturell eher einem sanften Engel gleicht. Jahrgang 1936, ist er im Gegensatz zu Tumarkin weiterhin zentral für die jüngere Künstlergeneration in Israel. Aber die Berliner Schau bereitet auch ihm Bauchschmerzen. Nicht nur, weil er den Eindruck hat, von seinen Bildern wurden für Berlin die weniger zynischen, weniger israel-kritischen ausgewählt:

    " I don’t want the art to serve national causes, nationalistic causes, I don’t want for ex. in this case to be the art under a nationalistic theme, and especially the title does enforce it, so dramatic: "The New Hebrews". I am afraid that when I next time come to Europe everybody will point with his finger at me as shout, look look here goes the new Hebrew."

    Ich will nicht, dass die Kunst nationalen, nationalistischen Zwecken dient, ich möchte nicht, dass sie unter einem nationalistischen Titel steht, wie diesem hier: "Die neuen Hebräer". Ich fürchte, wenn ich das nächste Mal nach Europa komme, zeigt jeder mit dem Finger auf mich und ruft: Schau, da geht der neue Hebräer.

    Der neue Hebräer: Am Strand von Tel Aviv lümmelt er lässig im Liegestuhl, am Checkpoint nach Ramallah drangsaliert er Palästinenser. Die Berliner Schau, deren wichtigstes Ausstellungsstück eine 2000 Jahre alte Tempelrolle von Qumran sein wird, sie könnte als Feigenblatt interpretiert werden, so Gershuni. Denn hinter der so präsentierten Kontinuität von den alten zu den neuen Hebräern verbirgt sich eine alltägliche Politik der Gewalt. Trotzdem hat Gershuni zugesagt:

    "Jedes Kunstwerk hat einen Rahmen, und es gibt keine Lösung für eine Komposition außerhalb des Rahmens, der Konflikt muss innerhalb dieses Rahmens gelöst werden, und so stecken auch wir Israelis und Palästinenser zwischen Jordan und Meer in einem Rahmen. "

    Diese Logik heißt bei ihm: to learn politics from paintings. Politik von der Kunst lernen. Das bedeutet für ihn aber nicht, sich auf einen intellektuell distanzierten Standpunkt zu stellen und wie die Kuratorin Dorit LeVitte im Interview mit der israelischen Zeitung Haaretz auf die Komplexität des Nahostkonfliktes und der israelischen Geschichte hinzuweisen. Ebenso wie etwa der Dichter Aharon Shabtai oder die Sprachwissenschaftlerin Tanja Reinhart ist der vorsichtigen, alle Details beachtenden political correctness überdrüssig. Die politische Gegenwart, glauben viele israelische Intellektuelle heute, darf nicht mit Samthandschuhen angefasst werden.

    " I am fed up about a too understanding kind of thinking. Understanding all the facets and all the layers of the situation and of course I am intelligent and I can see and why and what and then I can say: don’t judge it very simplisticly, because it’s much more conflictual and complex, I am fed up with this."