""Er glaubte von Anfang an an dieses Buchprojekt. Schließlich gelang es Giangiacomo Feltrinelli "Doktor Schiwago" herauszubringen. Als der Autor 1958 für sein Werk den Literaturnobelpreis erhielt, ging es mit dem Verlag Feltrinelli steil bergauf. Die Geschichte um diese Veröffentlichung bietet den Stoff für ein Melodrama"."
Emanuele Trevi ist fasziniert von den erst jetzt bekannt gewordenen Hintergründen der Veröffentlichung des russischen Erfolgsromans "Doktor Zivago". Hintergründe, die Valerio Riva - in den späten 50er Jahren Lektor des noch jungen Verlages Feltrinelli - in einem 400 Seiten dicken Buch zusammengefasst hat. Ein Buch, das ein bezeichnendes Licht auf die italienischen Kommunisten, auf die KPI, auf das kulturelle Klima im Nachkriegsitalien und auf den Einfluss der Sowjets in europäischen Intellektuellenkreisen wirft.
Der berühmte Roman von Boris Pasternak war dem Moskauer Regime so sehr ein Dorn im Auge, dass es nichts ausließ, um dessen Publikation nicht nur im eigenen Land, sondern auch in Europa zu verhindern. Vor allem in Italien, einem Land, in dem die größte kommunistische Partei Westeuropas existierte. Hatte Pasternak sich doch erlaubt, die Liebesgeschichte zwischen Yurij und Lara in der Zeit der russischen Revolution anzusiedeln. Der Autor beschreibt die kommunistischen Revolutionäre nicht als heldenhafte Befreier des Volkes, sondern als rachsüchtige Politfanatiker. Damit widersprach er der offiziellen Lesart der glorreichen Revolution.
""Pasternak und die Sowjets: Beide verband eine mehr als kritische Beziehung. Das Regime wandte sich direkt an jene Verlage, die ‘Doktor Zivago' publizieren wollten. Collins in London wurde von dem offiziellen Handelsvertreter der UDSSR aufgefordert, die Finger von dem Werk zu lassen. Gallimard in Paris wurde sogar mit viel Geld bestochen. Auch französische Kommunisten forderten, angestachelt durch Moskau, den Verlag auf, das Buch nicht zu publizieren. Doch in Italien setzt sich ein Freund Pasternaks, der Slavist Angelo Maria Ripellino, für das Buch ein. Ripellino arbeitete für den Turiner Verlag Einaudi"."
Doch der Verleger Giulio Einaudi dachte gar nicht daran das, wie er es genannt haben soll, "viel zu heiße Buch" herauszubringen. Einaudi wollte sich nicht mit der KPI anlegen. Er wollte nicht der Partei widersprechen. Die nämlich hatte sich ganz auf die Seite Moskaus gestellt. Nikita Chrutschow höchstpersönlich soll sich, berichtet Valerio Riva in seinem Buch über die Veröffentlichungsgeschichte von "Doktor Zivago", an die KPI gewandt haben. Das war 1956. Innerhalb der KPI, weiß Riva, kümmerte sich das Büro für Kulturfragen um den Fall Pasternak. Die KPI übte fortan Druck auf alle italienischen Verleger aus. Auch auf den jungen Giangiacomo Feltrinelli, weiß der Schriftsteller Erri De Luca:
""Das war recht abenteuerlich, denn es wurde von der KPI als unerhört empfunden, dass ein erklärtermaßen linker und kommunistischer Verleger in offenem Widerspruch zur Partei stand. Feltrinelli erhielt 1956 ein Skript des Romans, das aus Russland geschmuggelt worden vor. Hinzu kam, dass Feltrinelli ganz versessen war auf russische Literatur. Mit einem erfolgversprechenden Roman aus der Sowjetunion wollte Feltrinelli das öffentliche Interesse auf sich ziehen"."
Valerio Riva berichtet, dass Giangiacomo Feltrinelli während der Lektüre von Pasternaks Roman mehrfach vor Ergriffenheit geweint haben soll. Nachdem er das Buch beendet hatte, schwor er sich, unter allen Umständen "Doktor Zivago" herauszubringen. Er war, so Valerio Riva, vom Erfolg dieses Buches fest überzeugt. Als die KPI erneut an Feltrinelli herantrat und der Verleger zum wiederholten Mal erklärte, dass er den Roman unter allen Umständen publizieren werde, hatten die Parteifunktionäre eine Idee.
Erri De Luca:
""Sie hatten das Buch gelesen und machten präzise Vorschläge, wie man es entschärfen konnte. Sie schlugen Feltrinelli vor, es hier und da zu kürzen. Ein Unding für den jungen Verleger, der es sich auf diese Weise mit der KPI verscherzte. Feltrinelli entwickelte sich fortan zu einem parteiunabhängigen Linksradikalen. Mit der KPI hatte er nur noch wenig im Sinn". "
1972 starb Giangiacomo Feltrinelli bei der Vorbereitung für einen Anschlag auf einen Strommasten. Er war zu einem politischen Außenseiter geworden. Zu einem Freigeist, der sich von keiner Partei ein X vor uns U machen lassen wollte.
In seinem Buch über die Hintergründe der Veröffentlichung von "Doktor Zivago" schreibt Valerio Riva, dass Pasternak an dem Tag, an dem ein Skript seines Romans nach Italien geschickt wurde, gesagt haben soll: "Laden Sie bitte Herrn Feltrinelli zu meiner Erschießung ein". Der russische Autor wurde nicht vom Regime ermordet. Er wurde ausgegrenzt und starb 1960 in Moskau - im Westen gefeiert, in seiner Heimat ein Fremder.
Emanuele Trevi ist fasziniert von den erst jetzt bekannt gewordenen Hintergründen der Veröffentlichung des russischen Erfolgsromans "Doktor Zivago". Hintergründe, die Valerio Riva - in den späten 50er Jahren Lektor des noch jungen Verlages Feltrinelli - in einem 400 Seiten dicken Buch zusammengefasst hat. Ein Buch, das ein bezeichnendes Licht auf die italienischen Kommunisten, auf die KPI, auf das kulturelle Klima im Nachkriegsitalien und auf den Einfluss der Sowjets in europäischen Intellektuellenkreisen wirft.
Der berühmte Roman von Boris Pasternak war dem Moskauer Regime so sehr ein Dorn im Auge, dass es nichts ausließ, um dessen Publikation nicht nur im eigenen Land, sondern auch in Europa zu verhindern. Vor allem in Italien, einem Land, in dem die größte kommunistische Partei Westeuropas existierte. Hatte Pasternak sich doch erlaubt, die Liebesgeschichte zwischen Yurij und Lara in der Zeit der russischen Revolution anzusiedeln. Der Autor beschreibt die kommunistischen Revolutionäre nicht als heldenhafte Befreier des Volkes, sondern als rachsüchtige Politfanatiker. Damit widersprach er der offiziellen Lesart der glorreichen Revolution.
""Pasternak und die Sowjets: Beide verband eine mehr als kritische Beziehung. Das Regime wandte sich direkt an jene Verlage, die ‘Doktor Zivago' publizieren wollten. Collins in London wurde von dem offiziellen Handelsvertreter der UDSSR aufgefordert, die Finger von dem Werk zu lassen. Gallimard in Paris wurde sogar mit viel Geld bestochen. Auch französische Kommunisten forderten, angestachelt durch Moskau, den Verlag auf, das Buch nicht zu publizieren. Doch in Italien setzt sich ein Freund Pasternaks, der Slavist Angelo Maria Ripellino, für das Buch ein. Ripellino arbeitete für den Turiner Verlag Einaudi"."
Doch der Verleger Giulio Einaudi dachte gar nicht daran das, wie er es genannt haben soll, "viel zu heiße Buch" herauszubringen. Einaudi wollte sich nicht mit der KPI anlegen. Er wollte nicht der Partei widersprechen. Die nämlich hatte sich ganz auf die Seite Moskaus gestellt. Nikita Chrutschow höchstpersönlich soll sich, berichtet Valerio Riva in seinem Buch über die Veröffentlichungsgeschichte von "Doktor Zivago", an die KPI gewandt haben. Das war 1956. Innerhalb der KPI, weiß Riva, kümmerte sich das Büro für Kulturfragen um den Fall Pasternak. Die KPI übte fortan Druck auf alle italienischen Verleger aus. Auch auf den jungen Giangiacomo Feltrinelli, weiß der Schriftsteller Erri De Luca:
""Das war recht abenteuerlich, denn es wurde von der KPI als unerhört empfunden, dass ein erklärtermaßen linker und kommunistischer Verleger in offenem Widerspruch zur Partei stand. Feltrinelli erhielt 1956 ein Skript des Romans, das aus Russland geschmuggelt worden vor. Hinzu kam, dass Feltrinelli ganz versessen war auf russische Literatur. Mit einem erfolgversprechenden Roman aus der Sowjetunion wollte Feltrinelli das öffentliche Interesse auf sich ziehen"."
Valerio Riva berichtet, dass Giangiacomo Feltrinelli während der Lektüre von Pasternaks Roman mehrfach vor Ergriffenheit geweint haben soll. Nachdem er das Buch beendet hatte, schwor er sich, unter allen Umständen "Doktor Zivago" herauszubringen. Er war, so Valerio Riva, vom Erfolg dieses Buches fest überzeugt. Als die KPI erneut an Feltrinelli herantrat und der Verleger zum wiederholten Mal erklärte, dass er den Roman unter allen Umständen publizieren werde, hatten die Parteifunktionäre eine Idee.
Erri De Luca:
""Sie hatten das Buch gelesen und machten präzise Vorschläge, wie man es entschärfen konnte. Sie schlugen Feltrinelli vor, es hier und da zu kürzen. Ein Unding für den jungen Verleger, der es sich auf diese Weise mit der KPI verscherzte. Feltrinelli entwickelte sich fortan zu einem parteiunabhängigen Linksradikalen. Mit der KPI hatte er nur noch wenig im Sinn". "
1972 starb Giangiacomo Feltrinelli bei der Vorbereitung für einen Anschlag auf einen Strommasten. Er war zu einem politischen Außenseiter geworden. Zu einem Freigeist, der sich von keiner Partei ein X vor uns U machen lassen wollte.
In seinem Buch über die Hintergründe der Veröffentlichung von "Doktor Zivago" schreibt Valerio Riva, dass Pasternak an dem Tag, an dem ein Skript seines Romans nach Italien geschickt wurde, gesagt haben soll: "Laden Sie bitte Herrn Feltrinelli zu meiner Erschießung ein". Der russische Autor wurde nicht vom Regime ermordet. Er wurde ausgegrenzt und starb 1960 in Moskau - im Westen gefeiert, in seiner Heimat ein Fremder.