Parteitag in Chemnitz
Zentralrat der Juden kritisiert Linken-Beschluss zu Antisemitismus-Definition

Die Linke sieht sich nach der Annahme der sogenannten Jerusalemer Erklärung durch den Parteitag in Chemnitz mit Kritik des Zentralrats der Juden konfrontiert. Dessen Präsident Schuster wirft der Partei vor, "nicht an der Seite der Jüdinnen und Juden in Deutschland" zu stehen. Der Linken-Co-Vorsitzende van Aken widerspricht, aber auch innerparteilich gibt es Kritik.

    Jan van Aken steht am Rednerpult und gestikuliert mit der rechten Hand.
    Der Linken-Co-Vorsitzende Jan van Aken hatte sich auf dem Parteitag in Chemnitz dagegen ausgesprochen, den Beschluss zur Jerusalemer Erklärung anzunehmen. (picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt)
    Eine knappe Mehrheit der Delegierten hatte sich am Samstag hinter die sogenannte Jerusalemer Erklärung von 2021 gestellt. Die Erklärung wurde von Wissenschaftlern entworfen als Alternative zur sogenannten IHRA-Definition von Antisemitismus, die der Zentralrat und auch die Bundesregierung unterstützen.

    Jerusalemer Erklärung versus Definition der IHRA

    Die Jerusalemer Erklärung erwähnt Israel nicht explizit, sondern definiert Antisemitismus als "Diskriminierung, Vorurteil, Feindseligkeit oder Gewalt gegen Jüdinnen und Juden (oder jüdische Einrichtungen)". Die Definition der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (IHRA) lautet: "Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann." Die Bundesregierung fügte hinzu: "Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein."
    In ihrem Parteitagsbeschluss kritisiert die Linke die IHRA-Definition als "Einfallstor für autoritäres, staatliches Handeln". Die Definition habe sich "zu einem repressiven Instrument entwickelt, um unliebsame Kritik und politischen Protest zu verhindern". Teile der Linken werfen der Parteiführung seit Längerem vor, das Vorgehen der israelischen Regierung im Gazakrieg nicht streng genug zu verurteilen.

    Zentralratspräsident Schuster: "Linke zeigt radikalen Kern"

    Der Zentralrat der Juden kritisierte den Parteitagsbeschluss mit scharfen Worten. Präsident Schuster warf der Linken Ignoranz gegenüber der jüdischen Gemeinschaft vor, in der die IHRA-Definition weltweit anerkannt sei. Die Partei zeige mit dem Beschluss "einen radikalen Kern, der - getrieben von Israelhass - dazu beiträgt, den Antisemitismus unserer Zeit zu verschweigen".
    Das wies van Aken zurück. Er betonte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, Kritik an der israelischen Regierung sei kein Antisemitismus. Beim Schutz von Jüdinnen und Juden, in Deutschland wie in Israel, gebe es "kein Vertun". Das Existenzrecht Israels bleibe "unangefochten Teil unserer DNA". Van Aken sagte, das Problem an der IHRA-Definition sei unter anderem, dass sie eine kritische Auseinandersetzung mit dem Staat Israel und somit seiner Regierung nahezu unmöglich mache. Diese Auseinandersetzung müsse es jedoch gerade in Zeiten des Gaza-Kriegs geben.
    Van Aken hatte auf dem Parteitag davon abgeraten, den Beschluss zur Jerusalemer Erklärung zu fassen. Er war in Israel, als die Terrorgruppe Hamas das Land im Oktober 2023 überfiel, und wendet sich gegen Kritik, die den Staat Israel infrage stellt.

    Kritik auch von Ex-Ministerpräsident Ramelow

    Empört äußerte sich der ehemalige thüringische Ministerpräsident Ramelow. Er stellte auf Instagram die Frage: "Wie kann man etwas beschließen, was eine Angelegenheit von Wissenschaft & Analyse ist? Wie kann man durch Mehrheit versuchen etwas zu bestimmen, was Angelegenheit von Haltung ist? Wer Israel auslöschen und Juden vernichten oder vertreiben will, der ist Antisemit!"
    Diese Nachricht wurde am 12.05.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.