In die Debatte um die Einrichtung einer "Zentralstelle Provenienzforschung", die Kulturstaatsminister Bernd Neumann vor einer Woche angekündigt hat, hat der "Arbeitskreis Provenienzforschung" seine Erwartungen an die neue Institution formuliert. Die in Berlin angesiedelte Zentralstelle soll, neun Jahre nach der Selbstverpflichtung der Bundesrepublik in der "Washingtoner Erklärung", endlich eine breit angelegte Suche nach NS-Raubkunst in den deutschen Museen ermöglichen.
Beatrix Novy: Im neuen Jahr jährt sich zum 10. Mal die sogenannte Raubkunst-Konferenz von Washington. Die war mit einer kollektiven Willensbekundung zu Ende gegangen: 44 Staaten verpflichteten sich, in ihren Museen nach Kunstwerken Ausschau zu halten, die durch die Repression der Nazis unrechtmäßig aus den Händen ihrer Besitzer genommen und über welche Wege auch immer in öffentlichen Museen gelandet waren. Die Deutschen nahmen dabei naturgemäß eine Sonderstellung ein; trotzdem fielen sie am wenigsten durch Aufklärungseifer auf. In den Museen war die Rede von wenig Geld, wenig Arbeitskräften, was eben so vorgebracht wird in solchen Fällen. Mit einer zentralen Stelle für das, was mittlerweile als Provenienzforschung, also Herkunftsforschung, fester Begriff ist, sollte sich das nun ändern – Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat sie vorige Woche angekündigt. Uta Haug von der Hamburger Kunsthalle ist bereits Mitglied des Arbeitskreises Provenienzforschung, welche Erwartungen hat sie an die geplante Zentralstelle?
Ute Haugt: Unsere Erwartungen sind, einen geschützten Informations- und Austauschraum zu bekommen und dass vor allem dort die Grundlagenforschung, die es bisher gegeben hat, beziehungsweise ja in Zukunft auch geben soll, gebündelt wird in Datenbanken, wo also Information zum Beispiel zu Sammlern und Sammlungen, Kunsthändlern, Rückseitenbefunden, Auktionskatalogen und so weiter detailliert erfasst werden und so für alle dann zugänglich sind. Bisher war es ja immer so, dass jeder für sich diese einzelnen Dinge erarbeitete. Und wenn so ein Anspruch einer gleichen Familie woanders auftauchte, musste der das wieder machen. So erhoffen wir uns halt auch Synergieeffekte, sodass die Provenienzforschung, die Werkforschung, die an den Museen ja weiterhin stattfinden muss, dann effektiver ablaufen kann.
Novy: Wie muss man sich das praktisch vorstellen? Die Zentralstelle residiert dann an einem bestimmten Ort, wo sie über alle Mittel verfügt, oder wie ungefähr?
Haugt: Wie genau diese Zentralstelle konstruiert sein wird, das wissen wir, glaube ich, alle noch nicht. Aber nach meiner Kenntnis soll es ja an dem Institut für Museumsforschung angeknüpft sein, beziehungsweise auch am Zentralarchiv in Berlin ansässig sein, örtlich, und dass dort eben auch die Anträge der Museen für Provenienzforschung eingehen und bewilligt werden und eben auch diese informativen Datenbankstrukturen dann da sind, also zumindest zentral da sind. Aber wir müssen ja alle da mit arbeiten, weil wir haben zehn Jahre lang nicht so konsequent an dieser Thematik gearbeitet. Und nächstes Jahr ist ja zehn Jahre Washingtoner Konferenz, und da müssen wir alle mit vereinten Kräften gucken, dass wir weiterkommen.
Novy: Dass man da dann nicht mir leeren Händen hinkommt. Hat der Standort Berlin damit zu tun, dass dort die meisten Dokumente und historischen Akten lagern?
Haugt: Na ja, darüber kann man sich streiten, ob da die meisten Unterlagen liegen. Sicher ist das Zentralarchiv der Berliner Museen eine sehr wichtige Anlaufstelle, und auch die Kunstbibliothek in Berlin. Aber es ist ja so, dass die Provenienzforschung national und international läuft. Das kommt ja immer darauf an, welche Fälle man hat. Also die Infrastruktur ist vielleicht dort die günstigste, aber es hätte auch durchaus in einer anderen großen Stadt sein können, wie München oder Hamburg, eben dort, wo gute kunsthistorische Institute oder Bibliotheken da sind und einfach eine gewisse Infrastruktur auch von musealer Seite vorliegt.
Novy: Wie viel Mitarbeiter soll die Zentralstelle haben? Weiß man das schon, oder denkt man darüber nach?
Haugt: Nach meiner Kenntnis sollen es vier sein, wobei ich nicht weiß, wie viele Wissenschaftler das sein sollen und wie viele Dokumentare oder so. Das entzieht sich meiner Kenntnis.
Novy: Wie sieht es mit der Finanzierung der Zentralstelle aus, Frau Haugt?
Haugt: Ja also, eine Million Euro jährlich, soweit ich weiß, erst mal für sechs Jahre, da kann man sich darüber streiten, ob das reicht oder nicht. Aber es ist schon mal ein toller Anfang. Mir ist nicht bekannt, wie jetzt die Aufteilung dieser einen Million ist. Also die Zentralstelle braucht ja an sich Geld, das ist ja auch völlig in Ordnung, um diese Datenbank zu führen und in dieses Informationsnetz aufzubauen. Dennoch brauchen die Museen ja auch Geld für ihre Provenienzforschung, weil die Werkforschung muss ja vor Ort passieren, das kann diese Zentralstelle ja gar nicht alles leisten und soll sie ja auch, glaube ich, nicht. Wünschenswert ist natürlich, dass die Museen Anträge stellen können dort, um Gelder für Provenienzforschungsprojekte zu bekommen, allerdings müssen die Museen auch gucken, dass sie natürlich auch selber, wenn es dort jetzt keine Gelder mehr geben sollte, weil der Topf eben auch nur begrenzt ist, diese Thematik weiterhin verfolgen.
Novy: Ja, das ist ja auch noch ein wichtiger Punkt. Die Museen sind also nicht mit der Einrichtung der Zentralstelle selber ganz aus der Pflicht, weil die anderen jetzt die Arbeit übernehmen.
Haugt: Nein, auf keinen Fall. Also das ist ja immer so, dass die Träger der Museen diejenigen sind, die ja auch die Berliner Erklärung von 1990 unterschrieben haben und sich damit verpflichtet haben, dass sie diese Forschung auch unterstützen, auch finanziell unterstützen. Das ist sicher noch nicht im optimalen Maße passiert. Und insofern bleiben sie da in der Pflicht. Also die Zentralstelle ist sicher eine wissenschaftliche Institution, die einfach diesen Prozess noch mal fördern sollte und unterstützen soll.
Das vollständige Gespräch mit Ute Haug können Sie bis zum 22.4.2008 als [url=http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2007/11/22/dlf_20071122_1751_d0a9e8e1.mp3
title="MP3-Audio" target="_blank"]MP3-Audio[/url] in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.
Beatrix Novy: Im neuen Jahr jährt sich zum 10. Mal die sogenannte Raubkunst-Konferenz von Washington. Die war mit einer kollektiven Willensbekundung zu Ende gegangen: 44 Staaten verpflichteten sich, in ihren Museen nach Kunstwerken Ausschau zu halten, die durch die Repression der Nazis unrechtmäßig aus den Händen ihrer Besitzer genommen und über welche Wege auch immer in öffentlichen Museen gelandet waren. Die Deutschen nahmen dabei naturgemäß eine Sonderstellung ein; trotzdem fielen sie am wenigsten durch Aufklärungseifer auf. In den Museen war die Rede von wenig Geld, wenig Arbeitskräften, was eben so vorgebracht wird in solchen Fällen. Mit einer zentralen Stelle für das, was mittlerweile als Provenienzforschung, also Herkunftsforschung, fester Begriff ist, sollte sich das nun ändern – Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat sie vorige Woche angekündigt. Uta Haug von der Hamburger Kunsthalle ist bereits Mitglied des Arbeitskreises Provenienzforschung, welche Erwartungen hat sie an die geplante Zentralstelle?
Ute Haugt: Unsere Erwartungen sind, einen geschützten Informations- und Austauschraum zu bekommen und dass vor allem dort die Grundlagenforschung, die es bisher gegeben hat, beziehungsweise ja in Zukunft auch geben soll, gebündelt wird in Datenbanken, wo also Information zum Beispiel zu Sammlern und Sammlungen, Kunsthändlern, Rückseitenbefunden, Auktionskatalogen und so weiter detailliert erfasst werden und so für alle dann zugänglich sind. Bisher war es ja immer so, dass jeder für sich diese einzelnen Dinge erarbeitete. Und wenn so ein Anspruch einer gleichen Familie woanders auftauchte, musste der das wieder machen. So erhoffen wir uns halt auch Synergieeffekte, sodass die Provenienzforschung, die Werkforschung, die an den Museen ja weiterhin stattfinden muss, dann effektiver ablaufen kann.
Novy: Wie muss man sich das praktisch vorstellen? Die Zentralstelle residiert dann an einem bestimmten Ort, wo sie über alle Mittel verfügt, oder wie ungefähr?
Haugt: Wie genau diese Zentralstelle konstruiert sein wird, das wissen wir, glaube ich, alle noch nicht. Aber nach meiner Kenntnis soll es ja an dem Institut für Museumsforschung angeknüpft sein, beziehungsweise auch am Zentralarchiv in Berlin ansässig sein, örtlich, und dass dort eben auch die Anträge der Museen für Provenienzforschung eingehen und bewilligt werden und eben auch diese informativen Datenbankstrukturen dann da sind, also zumindest zentral da sind. Aber wir müssen ja alle da mit arbeiten, weil wir haben zehn Jahre lang nicht so konsequent an dieser Thematik gearbeitet. Und nächstes Jahr ist ja zehn Jahre Washingtoner Konferenz, und da müssen wir alle mit vereinten Kräften gucken, dass wir weiterkommen.
Novy: Dass man da dann nicht mir leeren Händen hinkommt. Hat der Standort Berlin damit zu tun, dass dort die meisten Dokumente und historischen Akten lagern?
Haugt: Na ja, darüber kann man sich streiten, ob da die meisten Unterlagen liegen. Sicher ist das Zentralarchiv der Berliner Museen eine sehr wichtige Anlaufstelle, und auch die Kunstbibliothek in Berlin. Aber es ist ja so, dass die Provenienzforschung national und international läuft. Das kommt ja immer darauf an, welche Fälle man hat. Also die Infrastruktur ist vielleicht dort die günstigste, aber es hätte auch durchaus in einer anderen großen Stadt sein können, wie München oder Hamburg, eben dort, wo gute kunsthistorische Institute oder Bibliotheken da sind und einfach eine gewisse Infrastruktur auch von musealer Seite vorliegt.
Novy: Wie viel Mitarbeiter soll die Zentralstelle haben? Weiß man das schon, oder denkt man darüber nach?
Haugt: Nach meiner Kenntnis sollen es vier sein, wobei ich nicht weiß, wie viele Wissenschaftler das sein sollen und wie viele Dokumentare oder so. Das entzieht sich meiner Kenntnis.
Novy: Wie sieht es mit der Finanzierung der Zentralstelle aus, Frau Haugt?
Haugt: Ja also, eine Million Euro jährlich, soweit ich weiß, erst mal für sechs Jahre, da kann man sich darüber streiten, ob das reicht oder nicht. Aber es ist schon mal ein toller Anfang. Mir ist nicht bekannt, wie jetzt die Aufteilung dieser einen Million ist. Also die Zentralstelle braucht ja an sich Geld, das ist ja auch völlig in Ordnung, um diese Datenbank zu führen und in dieses Informationsnetz aufzubauen. Dennoch brauchen die Museen ja auch Geld für ihre Provenienzforschung, weil die Werkforschung muss ja vor Ort passieren, das kann diese Zentralstelle ja gar nicht alles leisten und soll sie ja auch, glaube ich, nicht. Wünschenswert ist natürlich, dass die Museen Anträge stellen können dort, um Gelder für Provenienzforschungsprojekte zu bekommen, allerdings müssen die Museen auch gucken, dass sie natürlich auch selber, wenn es dort jetzt keine Gelder mehr geben sollte, weil der Topf eben auch nur begrenzt ist, diese Thematik weiterhin verfolgen.
Novy: Ja, das ist ja auch noch ein wichtiger Punkt. Die Museen sind also nicht mit der Einrichtung der Zentralstelle selber ganz aus der Pflicht, weil die anderen jetzt die Arbeit übernehmen.
Haugt: Nein, auf keinen Fall. Also das ist ja immer so, dass die Träger der Museen diejenigen sind, die ja auch die Berliner Erklärung von 1990 unterschrieben haben und sich damit verpflichtet haben, dass sie diese Forschung auch unterstützen, auch finanziell unterstützen. Das ist sicher noch nicht im optimalen Maße passiert. Und insofern bleiben sie da in der Pflicht. Also die Zentralstelle ist sicher eine wissenschaftliche Institution, die einfach diesen Prozess noch mal fördern sollte und unterstützen soll.
Das vollständige Gespräch mit Ute Haug können Sie bis zum 22.4.2008 als [url=http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2007/11/22/dlf_20071122_1751_d0a9e8e1.mp3
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