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Zerrt MoND an Pioneer 10 ?

Raumfahrt. -. 1972 begann mit "Pioneer 10" eine Erfolgsgeschichte der US-Weltraumbehörde NASA. Erfolgreich gelangte die Sonde an ihr eigentliches Ziel, den Jupiter. Seit jetzt dreißig Jahren widersteht das Vehikel der permanenten Strahlung und der Kälte und entging bislang auch folgenreichen Kollisionen mit umherirrenden Felsbrocken. Jetzt, am Ende seiner Karriere und weit außerhalb unseres Sonnensystems, macht der Veteran erneut Schlagzeilen: "Pioneer 10" wird langsamer - ohne dass es dafür eine eindeutige Erklärung gäbe.

    Mit 44.000 Kilometern in der Stunde rast "Pioneer 10" immer tiefer in die Weiten des Alls. Doch nicht nur die erfolgreich bestandene Mission und die letzte Aufgabe als Botschafterin der Erde lassen die Kosmologen der NASA jubeln, denn kürzlich belegten letzte Signale der Sonde, dass noch immer ein Fünkchen Leben in dem 30 Jahre alten Apparat ist. Dass aber das inzwischen interstellare Fluggerät nochmals für erheblichen Wirbel sorgen könnte, hatten die Ingenieure und Astrophysiker nicht erwartet. Denn: Sowohl "Pioneer 10" als auch das Schwesterschiff "Pioneer 11"verlieren dort, wo eigentlich kein Stäubchen mehr für Reibung sorgen kann und auch Gravitation keine Rolle zu spielen schien, an Fahrt. In 100 Jahren, so die Kalkulation, werden die Sonden um zehn Stundenkilometer langsamer.

    Um das Phänomen überhaupt erklären zu können, greifen Experten jetzt auf eher exotische Theorien der Physik zurück: "Es geht hier um die so genannte MoND-Theorie. MoND ist eine Abkürzung für Modifizierte Newtonsche Dynamik", erklärt Eugen Willerding vom Institut für Astrophysik und Extraterrestrische Physik in Bonn. Eine leichte Abwandlung der Gesetze von Newton, Einstein und Keppler soll erklären, warum die Sonden seit einigen Jahren um den minimalen, aber dennoch rätselhaften Wert von zehn hoch minus acht Zentimetern pro Sekunde zum Quadrat langsamer werden, als sie es im nahezu materiefreien Raum eigentlich sollten. "Die äußerst geringe, gemessene Verlangsamung liegt gerade in dem Bereich, in dem eventuell die MoND-Theorie greifen könnte", so Willerding. Der Ansatz besage, dass eben bei sehr geringen Beschleunigungen die wirkenden Kräfte nicht mehr umgekehrt proportional zum Abstand im Quadrat abfallen, sondern nur noch umgekehrt proportional zum Abstand. Die Folge: Eine wirkende Gravitation würde gerade in der großen Entfernung stärker zur Geltung kommen, als das unmodifizierte Gesetz Newtons dies zuließe, und damit die Sonden auch stärker bremsen. Allerdings gilt die schon vor 20 Jahren veröffentlichte "MoND"-Theorie als hochspekulativ.

    Eine andere Erklärung würde einen sehr weit außerhalb im All fliegenden, bislang noch unentdeckten, zehnten Planeten nahe legen, der durch seinen Einfluss an den Sonden zieht. Sathyaprakash von der Abteilung für Physik und Astronomie der Universität Cardiff in Wales lehnt diese Idee jedoch ab: "Gäbe es dort draußen ein massereiches Objekt, hätte es sich schon längst durch seine Schwerkraftwirkung auf andere Planeten oder Asteroiden bemerkbar gemacht." Zwar besitze auch Pluto, das Schlusslicht der Planeten im Sonnensystem, eine außergewöhnliche Flugbahn, doch auch die lasse sich ohne einen "Planeten X" erklären.

    Auch Sonnenwind, ein Leck im Raumschiff, Dunkle Materie oder die Expansion des Raumes wurden als mögliche Bremsen erwogen und wieder verworfen. Was bleibt ist Gas und Staub: "Eine Form von lokalem Gas käme in Frage, um Pioneer 10 zu bremsen. Weil aber Pioneer 11 in ungefähr derselben Entfernung ebenfalls langsamer wird, aber in eine ganz andere Richtung fliegt, müsste eine solche Gaswolke als Ring um die Sonne liegen", so der Astrophysiker. Möglicherweise, so Eugen Willerding, könnte Staub, von dem eine Zehntelerdmasse im so genannten Kuiper-Gürtel um das Sonnensystem liegen könnte, eine plausible Erklärung sein: "Die vermutete Dichte des Materials reicht vielleicht für die geringe Abbremsung letztendlich aus."

    [Quelle: Guido Meyer]