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Zeugnis der kulturellen Verbindungen zwischen Europa und der Türkei

Die "Türckische Cammer" beinhaltet vieles, was die sächsischen Könige als "Orientalica" - Waffen jeder Art, Rüstungen und Pferdegeschirre - zusammentrugen. Nach 70-jähriger Schließung wird sie am Wochenende im Dresdner Residenzschloss wiedereröffnet.

Von Mirko Schwanitz | 05.03.2010
    "Sehr schön. Es ist sehr dunkel, aber das kommt den Stücken sehr zu Gute. Vor allem weil wir ja viele Edelsteine und silber-vergoldete Oberflächen haben."

    Über ein Jahrzehnt haben Chefrestaurator Andreas Frauendorfer und Oberkonservator Holger Schuckelt die Neupräsentation der Türckischen Cammer im Dresdner Schloss vorbereitet. Seit ihrer Auslagerung während des Zweiten Weltkriegs war diese bedeutende Sammlung nicht mehr zugänglich. Von Beleuchtern perfekt in Szene gesetzt, werden nun auf 70 Quadratmetern die 600 prunkvollsten Stücke gezeigt – vom Kaftan bis zum Schwert, vom Zaumzeug bis zum Osmanenzelt.

    "Die Türkische Cammer war die exotische Sammlung der Kurfürsten von Sachsen. Das geht unter Kurfürst August in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts los, wo in erster Linie Geschenke hier nach Dresden gekommen sind, später waren dann Kaiser-Geschenke dabei, aber auch direkt aus Istanbul vom Sultan oder vom Tataren-Khan und schließlich unter August dem Starken, die Blütezeit der Türkenmode hier in Sachsen."

    Gleich das Entrée der Türkischen Cammer ist einer Sondermission des einstigen sächsischen Herrschers gewidmet. 1714 hatte er einen Gesandten nach Istanbul geschickt, um dort Prunk-, Kunst- und Gebrauchsgegenstände zu erwerben. Die aus jenem Ankauf erhaltenen und nun im ersten Raum der Ausstellung gezeigten Gegenstände, zählen heute zu den bedeutendsten Zeugnissen osmanischer Kunst weltweit.

    Welche Wunder die Restauratoren vollbringen mussten, kann nur erahnen, wer das Herz der Ausstellung betritt – ein 300 Jahre altes, fast sechs Meter hohes und über 20 Meter langes osmanisches Prunk-Zelt. Restauratorin Friederike Ebner von Eschenbach.

    "Ich sehe mich immer noch in Gedanken, als ich in Pillnitz das damals dort liegende Dachteil sah, ich vor Schreck nicht wusste, was ich mir zuerst ansehen sollte Das war in so einem desolaten Zustand, es war völlig verschmutzt und hatte große Fehlstellen. Wir haben sechs Jahre daran gearbeitet."

    Allein für dieses Objekt mussten die notwendige Tragegurte nach Originaltechniken des 17. Jahrhunderts nachgefertigt werden. In Spitzenzeiten arbeiteten 35 Restauratorinnen an der mehr als 150 Quadratmeter großen Textilfläche, um dem Zelt seinen alten Glanz zurückzugeben.

    "Als das Zelt noch in voller Pracht war, man kam in ein Paradies. Alles leuchtete dunkelrot. Auf diesem dunkelroten Grund blitzten kleine goldene Lederpailletten und die Stickerei hatte ein Leuchtkraft, die in der Gänze noch erhalten geblieben ist. Man muss sagen, dass dieses Zelt ein Höhepunkt der türkischen Textilkunst des 17. Jahrhunderts darstellt. Es gab ja viele Zelte, aber nicht in dieser Qualität."

    Über neun Millionen Euro hat der Aufbau der Ausstellung gekostet, mit denen die Ausstellungsmacher den Blick auch auf die frühen kulturellen Verbindungen zwischen Europa und der Türkei lenken wollen. In Zusammenarbeit mit türkischen Kulturinstitutionen und Medien sollen auch die Türken auf dieses bedeutende Stück ihres Kulturerbes in Europa aufmerksam gemacht werden, weshalb auch die Broschüren zur Ausstellung in türkischer Sprache erhältlich sind.

    Zum ersten Mal spricht eine Ausstellung damit auch direkt die 2,2 Millionen Türken in Deutschland an. Die Türckische Cammer, erklärt denn auch der zuständige Direktor, Professor Dirk Syndram, sei damit von gänzlich anderer Dimension und Qualität als alle bisherigen Ausstellungen im Dresdner Schloss.

    "Es beginnt etwas Neues. Und das Neue ist noch viel prächtiger als das Alte. Die neue Qualität zeigt, dass eben die Begegnung der Kulturen nicht nur eine Begegnung auf dem Schlachtfeld gewesen ist, der osmanischen und europäischen Kultur."

    Leider erfüllt die Ausstellung genau diesen Anspruch nur ungenügend. Tatsächlich sind viele Objekte trotz der zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert immer wieder geführten Eroberungs- und Rückeroberungskriege Ergebnis gezielter Ankäufe und hoher Wertschätzung türkischen Kultur und Handwerkskunst am Sächsischen Königshof. Was aber die Hintergründe dieser Wertschätzung waren und wie die osmanische Seite diese zur Kenntnis nahm, bleibt am Ende zu sehr im Verborgenen. Wenn die Ausstellungsmacher hier noch einmal nachbessern, könnte es der "Türckischen Cammer" mit ihrem Werbeslogan "Weltkültürerbe" vielleicht tatsächlich gelingen, eine neue kulturelle Brücke zum Bosporus zu schlagen.