Wer den Film von Stephen Frears vor Augen hat und mit ihm die verschlagene Erotik eines John Malkovich und den brillanten Hochmut einer Glenn Close, dazu die edle Üppigkeit der barocken Ausstattung, der hat bei dieser Inszenierung einiges zu schlucken. Die Spielfläche besteht aus Boden und zwei Wänden, die aussehen wie Kachelofenmuster; von den Damen in High Heels ist sie nur schwer begehbar, alle staksen immerzu wie Störche über die Bühne. Erotik beim Vicomte de Valmont von Felix Knopp besteht in einer melodisch-weichen Sprechweise, die zum Weinerlichen tendiert. Ab und zu muss der Arme sich bis auf Socken und spitze Schuhe ausziehen, dann klebt ihm der Mikroport-Verstärker am Hintern. Die Intrige wird in düsterer Club-Atmosphäre gesponnen, eine Szene, für die extra ein Choreograf angeheuert wurde, der das mechanistische Bewegungsmuster einer Gesellschaft ohne Zweck und Ziel entwirft. Maren Eggert als Marquise de Merteuil ist weniger die überlegene Puppenspielerin als vielmehr eine desillusionierte Liebende, die sich mit Hilfe ihres Ex-Lovers Valmont gern nochmal den Rest gibt.
"Die Tourvel ist eine Beleidigung. Ich habe Sie nicht in die Freiheit entlassen, damit Sie auf diese Kuh steigen, Valmont. Ich hätte Verständnis dafür, wenn sie sich für die junge Volanges interessieren, ein Gemüse frisch aus dem Kloster. / Graf Chercourt spekuliert auf die Unschuld meiner Nichte. Aber vielleicht fürchten Sie seine Konkurrenz, er hat Ihnen ja schon die Fraissac abgejagt, und damals waren Sie zwei Jahre jünger, sie werden alt, Valmont. / Seien Sie ein guter Hund, Valmont, nehmen Sie die Spur auf, solange sie frisch ist. Ein wenig Jugend im Bett, wenn schon der Spiegel sie nicht mehr her gibt."
Valmont soll Céciles künftigem Ehemann die Hörner aufsetzen, weil dieser die Marquise verlassen hat. Valmont erledigt das souverän nebenher, sein persönliches Schlachtfeld aber wird durch die moralbewehrte Tugendhaftigkeit der verheirateten Präsidentin Tourvel abgesteckt.
Das Drama, das Stephan Kimmig aus 1. Choderlos de Laclos, 2. Heiner Müllers "Quartett", das sich auf den Briefroman vom Vorabend der französischen Revolution bezieht, und 3. dessen Dramatisierung durch Christopher Hampton entwickelt, zeigt die Liebe im harten Licht der gesellschaftlichen Verabredungen: als Geschäft und Investition; als Instrument der Domestizierung von Leidenschaften; als Bühne männlichen Dominanzverhaltens; als neuzeitlicher Härtetest. Optisch und sexuell ist man dabei im 21. Jahrhundert angekommen, die je nach Status und Vermögen akzeptierte Libertinage früherer Jahrhunderte ist zu harmlosen sexuellen Praktiken verkommen; kein Ort, nirgends, an dem echtes Gefühl zu finden wäre. Valmont arbeitet seine innere Leere am groben Sex mit der jungen Cécile ab. In die Tourvel verliebt er sich - und verlässt sie aus Stolz und weil das Spiel es verlangt.
Schwäche zeigen ist in dieser Gesellschaft verpönter als Ehebruch. Zumindest das ist dem Regisseur Stephan Kimmig glänzend gelungen: seine Figuren nicht als Sympathieträger erscheinen zu lassen. Valmont hat kaum etwas vom galant-witzigen Verführer, sondern gibt in Schlabber-Anzug und mit schmierigem Gehabe den Typ "gefährlicher Außenseiter". Selbst die kleine von Valmont genotzüchtigte Cécile - Lisa Hagmeister wirkt wie ein Sonderangebot mit Babyfaktor, wenn sie ebenso naiv wie lasziv die Hüfte vorschiebt - kriegt alles, nur nicht unser Mitleid. Einzig Susanne Wolff als Madame de Tourvel lässt ihrer Figur deutlich psychologische Kontur. Sie lebt die Liebe als Schmerz, rennt gegen innere Mauern aus Moral- und Schuldbewusstsein, bis sie der Leidenschaft unterliegt. Wie Valmont sie zum Schluss gegen ihren Willen erst zur Jägerin und dann zum abgeschossenen Opfer macht, trägt die Züge eines zeitlosen Dramas.
Am Ende aber brilliert die Sprache. Der Text dominiert das Gesellschaftsspiel und den Geschlechterkampf auf der Bühne. Während die Inszenierung durch den Zwang zur selbstgewählten Intimität durch Mikroports über lange Strecken seltsam gefesselt daherkommt, gibt es echte Freiheit nur im Wort, wie der Heiner Müllersche Rollentausch von Valmont mit der Marquise belegt:
"Fallen Sie Valmont, fallen Sie - der Blitz hat Sie getroffen - nehmen Sie Ihre Hand weg, sie schmeckt faulig."
"Der Teufel hat keinen Teil mehr an mir. Legen Sie Ihre Hand auf den leeren Fleck zwischen meinen Schenkel."
Die Industrie-Architektur der Gebläsehalle Duisburg ist auch hier wieder ein dankbarer Mitspieler und liefert genügend grottiges Ambiente für eine zutiefst dekadente und vor allem unglückliche Gesellschaft. Die glaubt, nur ein Spiel zu spielen - das sie am Ende aber umbringen wird. "Es ist gut, eine Frau zu sein, und kein Sieger", sagt die Merteuil, bevor sie sich die Adern öffnet. Stephan Kimmig hat uns in diesem Sinne das Leben als Schlachtfeld von ermüdeten Kriegern vorgeführt.
"Die Tourvel ist eine Beleidigung. Ich habe Sie nicht in die Freiheit entlassen, damit Sie auf diese Kuh steigen, Valmont. Ich hätte Verständnis dafür, wenn sie sich für die junge Volanges interessieren, ein Gemüse frisch aus dem Kloster. / Graf Chercourt spekuliert auf die Unschuld meiner Nichte. Aber vielleicht fürchten Sie seine Konkurrenz, er hat Ihnen ja schon die Fraissac abgejagt, und damals waren Sie zwei Jahre jünger, sie werden alt, Valmont. / Seien Sie ein guter Hund, Valmont, nehmen Sie die Spur auf, solange sie frisch ist. Ein wenig Jugend im Bett, wenn schon der Spiegel sie nicht mehr her gibt."
Valmont soll Céciles künftigem Ehemann die Hörner aufsetzen, weil dieser die Marquise verlassen hat. Valmont erledigt das souverän nebenher, sein persönliches Schlachtfeld aber wird durch die moralbewehrte Tugendhaftigkeit der verheirateten Präsidentin Tourvel abgesteckt.
Das Drama, das Stephan Kimmig aus 1. Choderlos de Laclos, 2. Heiner Müllers "Quartett", das sich auf den Briefroman vom Vorabend der französischen Revolution bezieht, und 3. dessen Dramatisierung durch Christopher Hampton entwickelt, zeigt die Liebe im harten Licht der gesellschaftlichen Verabredungen: als Geschäft und Investition; als Instrument der Domestizierung von Leidenschaften; als Bühne männlichen Dominanzverhaltens; als neuzeitlicher Härtetest. Optisch und sexuell ist man dabei im 21. Jahrhundert angekommen, die je nach Status und Vermögen akzeptierte Libertinage früherer Jahrhunderte ist zu harmlosen sexuellen Praktiken verkommen; kein Ort, nirgends, an dem echtes Gefühl zu finden wäre. Valmont arbeitet seine innere Leere am groben Sex mit der jungen Cécile ab. In die Tourvel verliebt er sich - und verlässt sie aus Stolz und weil das Spiel es verlangt.
Schwäche zeigen ist in dieser Gesellschaft verpönter als Ehebruch. Zumindest das ist dem Regisseur Stephan Kimmig glänzend gelungen: seine Figuren nicht als Sympathieträger erscheinen zu lassen. Valmont hat kaum etwas vom galant-witzigen Verführer, sondern gibt in Schlabber-Anzug und mit schmierigem Gehabe den Typ "gefährlicher Außenseiter". Selbst die kleine von Valmont genotzüchtigte Cécile - Lisa Hagmeister wirkt wie ein Sonderangebot mit Babyfaktor, wenn sie ebenso naiv wie lasziv die Hüfte vorschiebt - kriegt alles, nur nicht unser Mitleid. Einzig Susanne Wolff als Madame de Tourvel lässt ihrer Figur deutlich psychologische Kontur. Sie lebt die Liebe als Schmerz, rennt gegen innere Mauern aus Moral- und Schuldbewusstsein, bis sie der Leidenschaft unterliegt. Wie Valmont sie zum Schluss gegen ihren Willen erst zur Jägerin und dann zum abgeschossenen Opfer macht, trägt die Züge eines zeitlosen Dramas.
Am Ende aber brilliert die Sprache. Der Text dominiert das Gesellschaftsspiel und den Geschlechterkampf auf der Bühne. Während die Inszenierung durch den Zwang zur selbstgewählten Intimität durch Mikroports über lange Strecken seltsam gefesselt daherkommt, gibt es echte Freiheit nur im Wort, wie der Heiner Müllersche Rollentausch von Valmont mit der Marquise belegt:
"Fallen Sie Valmont, fallen Sie - der Blitz hat Sie getroffen - nehmen Sie Ihre Hand weg, sie schmeckt faulig."
"Der Teufel hat keinen Teil mehr an mir. Legen Sie Ihre Hand auf den leeren Fleck zwischen meinen Schenkel."
Die Industrie-Architektur der Gebläsehalle Duisburg ist auch hier wieder ein dankbarer Mitspieler und liefert genügend grottiges Ambiente für eine zutiefst dekadente und vor allem unglückliche Gesellschaft. Die glaubt, nur ein Spiel zu spielen - das sie am Ende aber umbringen wird. "Es ist gut, eine Frau zu sein, und kein Sieger", sagt die Merteuil, bevor sie sich die Adern öffnet. Stephan Kimmig hat uns in diesem Sinne das Leben als Schlachtfeld von ermüdeten Kriegern vorgeführt.