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Ziel EU-Mitgliedschaft
Kosovo umwirbt die Europäische Union

Das Kosovo macht sich fit für die EU: Ein wichtiger Schritt ist die Einrichtung eines Sondertribunals zur Ahndung von Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg. Zugleich ist das Land als sicherer Herkunftsstaat im Gespräch. Die Möglichkeit, kosovarische Asylbewerber einfacher abzuschieben, könnte die Visa-Verhandlungen mit der EU voranbringen.

Von Thomas Otto | 06.08.2015
    Flagge Kosovo
    Wenn Kosovo als sicheres Herkunftsland eingestuft werde, könnten kosovarische Asylbewerber einfacher in ihre Heimat abgeschoben werden. (picture-alliance/ dpa / Matthias Schrader)
    Gerade einmal gut die Hälfte der UN-Mitglieder erkennt das Kosovo als eigenständigen Staat an. Auch in der EU gibt es Widerstand: Rumänien, Griechenland, Spanien, Zypern und die Slowakei verweigern ihre Anerkennung.
    Trotzdem ist die EU im Kosovo präsent, hat schon über 700 Millionen Euro in Entwicklungsprogramme und insgesamt rund eine Milliarde Euro in die EULEX-Mission investiert, mit der im Kosovo ein Rechtsstaat aufgebaut werden soll. Schritt für Schritt soll sich das Land der EU annähern, wünscht sich Präsidentin Atifete Jahjaga:
    "Kosovos Ziel ist die EU-Mitgliedschaft und die Mitgliedschaft in allen regionalen und internationalen Organisationen, wie der UN. Dazu gibt es keine Alternative, weder für das Kosovo, noch für irgendein anderes Land auf dem Westbalkan."
    Einrichtung des Sondertribunal
    Mit der Einrichtung eines Sondertribunals, um Kriegsverbrechen der kosovarischen UÇK-Kämpfer Ende der 90er-Jahre aufzuklären, macht das Land nun einen weiteren Schritt auf die EU zu und erfüllt eine ihrer wichtigsten Forderungen. Von einer EU-Mitgliedschaft ist das Kosovo aber noch weit entfernt: Der Dialog mit den Serben kommt nur langsam voran. Korruption und Vetternwirtschaft sind immer noch an der Tagesordnung, Rechtsstaatlichkeit muss sich erst entwickeln. Und letztendlich auch die wirtschaftliche Lage: Im Schnitt verdienen Kosovaren 350 Euro im Monat - wenn sie eine Arbeit haben. Fast die Hälfte der Menschen ist arbeitslos.
    Einer der wenigen mittelständischen Unternehmer ist Armend Malazogu. Als IT-Experte hat er gutes Geld verdient. Nun lässt der 41-Jährige von lokalen Bauern Obst anbauen und macht daraus Säfte und Smoothies. Zwischen 250 und 400 Kosovaren finden in seiner Firma einen Job – je nach Saison. Malazogu will expandieren und seine Produkte in die EU exportieren. Das scheitert aber bereits am Transport:
    "Unsere kosovarischen Kennzeichen unserer Lkw werden nicht anerkannt, also können wir damit nicht ins Ausland fahren. Unsere Führerscheine und Versicherungen werden auch nicht anerkannt. Unsere Pässe werden nicht anerkannt, wir müssen ein Visum beantragen. Mein Fahrer muss sechs Monate auf einen Termin warten, bis jemand in der Botschaft entscheidet, ob er gut genug für ein Visum ist und unseren LKW zum Beispiel nach Österreich fahren darf."
    Ein alternativer Transport per Schiff oder mit ausländischen Spediteuren sei aber nicht wirtschaftlich, so Malazogu. Für die meisten Kosovaren ist ein Visum für den Schengen-Raum nur schwer erreichbar. Ein Antrag ist teuer, und ein Termin zum Beispiel bei der deutschen Botschaft kaum zu bekommen. Innenminister Skender Hyseni kann deshalb verstehen, wenn Menschen - so wie Tausende Anfang des Jahres - das Land verlassen - wenn er es auch nicht gutheißt:
    "Ein billiges Busticket für 15 bis 20 Euro von unserer Hauptstadt nach Belgrad oder Subotiza - so kann man sehr billig die Schengen-Grenze erreichen. Viel billiger, als die Gebühr für einen Visumantrag, der am Ende abgelehnt wird."
    Kosovo als sicheres Herkunftsland?
    Sollte das Kosovo von Deutschland als sicheres Herkunftsland eingestuft werden, können kosovarische Asylbewerber viel einfacher in ihre Heimat abgeschoben werden. Das würde auch die Verhandlungen um ein Visa-Abkommen mit der EU voranbringen. Die laufen seit drei Jahren, bisher hat das Kosovo noch nicht alle Bedingungen der EU erfüllt. Samuel Žbogar, Leiter des EU-Büros in der Hauptstadt Priština, klingt in Sachen Visaerleichterungen allerdings wenig optimistisch:
    "Es ist kein gutes Timing für die EU, nicht nur wegen der Flüchtlingsströme im Mittelmeer, sondern auch wegen schlechter Erfahrungen der EU-Länder mit bestehenden Visaerleichterungen auf dem Balkan. Viele Menschen beantragen Asyl oder bleiben über ihr Visum hinaus. Es ist ein schlechtes Timing, aber es ist auch schwer, den Kosovaren zu erklären, warum sie weiterhin die einzigen sein sollen, die von diesem Prozess ausgeschlossen sind."
    Genau das frustriert viele im Land, lässt die vergleichsweise große EU-Begeisterung langsam sinken. Innenminister Hyseni bleibt aber - auch mit Blick auf die vielen ethnischen Spannungen auf dem Balkan - optimistisch:
    "In Brüssel werden wir uns vereinen, hoffentlich. Albanien und das Kosovo und Serbien und Mazedonien, Montenegro, Bosnien – sie werden dem Weg Kroatiens und Sloweniens folgen. Wir werden vereint sein in Brüssel."
    Bis dahin wird es aber noch lange dauern - für konkrete Beitrittsverhandlungen gibt es noch keinen Termin. Und neben vielen Reformen im Land braucht es dazu auch den politischen Willen der EU-Mitglieder.