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Das Jahr 2005 war das Jahr voller Hoffnungen für das Handy-TV. Mit der digitalen Fernsehübertragung für tragbare Empfangsgeräte könnten Millionen von Euro verdient werden, hieß es damals vollmundig auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin. Doch wer guckt überhaupt Fernsehen im Handy?

Von Bettina Schmieding |
    "Im Paarlauf fehlen in Deutschland die Talente."

    Und dem Handy-Fernsehen offensichtlich die Zuschauer. Kein Wunder. Die Hauptdarsteller der Serie "Alles was zählt", Folge 603, sind aus Liliput, der Ton klingt wie aus der Tonne. Und ehe man sich versieht, hat man schon auf die falsche Taste gedrückt.

    "Mobile TV Promo Kanal: Das Anklicken einer Kaufoption bedeutet den direkten Kauf, und Sie akzeptieren die Geschäftsbedingungen. Zusätzlich können je nach Produkt und Tarif Verbindungsentgelte entstehen."

    "Gucken, ob mein Make up noch hält. Es tut mir leid. Ich war drüber."

    "Wäre das was für dich? Ja. Geht das auf deinem Handy auch? Ja. Schon mal probiert? Nö. Warum nicht? Zu teuer. Was kostet denn das? Weiß ich nicht, auf jeden Fall ziemlich viel. Wann könntest du dir vorstellen, dass du das gucken würdest? Eigentlich brauche ich das gar nicht. Warum nicht? Weil man zuhause ja auch einen Fernseher hat. Unterwegs, im Bus? Im Bus ist blöd. Da sind zu viele andere Leute."

    "Julietta? Hat sie die Operation gut überstanden?"

    Julietta, die winzige Frau aus Folge 603, hat einen Milzriss. Lebensbedrohlich ist auch die Situation des Handy-TV in Deutschland. Dabei hatte alles so hoffungsvoll begonnen. Das Handy-TV, vor vier Jahren Hoffungsträger Nummer eins auf sämtlichen Medienbranchentreffs zwischen Flensburg und Passau, befindet sich im Siechtum. Trotz gegenteiliger Beteuerungen.

    "(IFA) "Weltweit geht es ordentlich voran mit dem mobilen Fernsehen."

    "(Rach, der Restauranttester) "Mein Gefühl, dass hier irgendetwas nicht stimmt, täuscht mich nicht."

    "Ich stell' mir das so vor wie Internetnutzung per Handy, und das kostet ja auch jede Menge. Ich hab immer vor diesen versteckten Kosten Schiss, mit Klingeltönen et cetera. Da hat man schon so viel Negatives gehört, dass ich mein Handy nur für Fotos und Telefon benutze."

    Das hatten sich die Erfinder aber ganz anders vorgestellt.

    "Die realistische Nutzungssituation ist an der Bushaltestelle oder in irgendeiner Wartesituation, und dann schaltet man sein Handy an und guckt drei, vier Minuten Fernsehen."

    ""Mir wäre es definitiv zu klein. Nicht auf so einem Mini-Bildschirm und schon gar nicht in einem Wartezimmer, oder an einer Bushaltestelle. Da käme ich mir eher albern vor."

    Aber wir müssen gerecht sein, es gibt sie durchaus, die Handy-TV-Enthusiasten.

    "Während der EM. Ich war in München im Finale. Während des Spiels konnte ich mich mit meinem DVB-H Handy in die Schlange anstellen für ein Bier. Die anderen mussten alle sitzenbleiben. Das wird eine Applikation sein, die kommt."

    Ob dieser begeisterte Telefonfernsehzuschauer im Sommer letzten Jahres den Ball auf dem winzigen Display nur erahnt oder wirklich gesehen hat, das ist nicht überliefert. In jedem Fall werden internationale Fußballbegegnungen seit Jahren als der Moment beschworen, wenn es in Sachen Handy-TV wirklich voran geht. Nun sind EM und WM verstrichen, doch Handy TV sitzt immer noch auf der Reservebank. Vielleicht liegt es daran, dass man nichts sieht?

    "Harry Potter zum Beispiel oder Krabat ist sehr dunkel. Da würde man nichts erkennen. Fußball wäre ein bisschen schwer, weil die Figuren sowieso schon so klein sind und auf dem kleinen Bildschirm."

    Aber geben wir dem Telefonfernsehen eine Chance. Irgendwer wird es schon gucken. Wie viele das sind, ist von den Telefongesellschaften allerdings nicht zu erfahren.

    "Ich könnte mir vorstellen, dass man das eine oder andere im Sport vielleicht schauen wollen würde. Und Nachrichten."

    Oder vielleicht dies hier. Erotik geht doch immer, oder?

    "Sex muss die meiste Zeit im Hotel stattfinden oder bei ihm in der Wohnung."

    "Das ist doch interessant, hahaha. Sex sells, keine Frage. Jetzt stell dir vor, du sitzt mit deinem Sex-Kanal, den du gebucht hast, im Zug oder an der Bushaltestelle, das geht doch gar nicht. Für diesen Zweck hast du Ohrstöpsel."