Bettina Köster: So richtig zur Ruhe ist die krisengeschüttelte "Frankfurter Rundschau" bislang nicht gekommen. Nach dem großen Anzeigental - was natürlich alle Zeitungen betraf - konnte sich das linksliberale Blatt trotz vieler verschiedener Erneuerungsversuche nicht so richtig erholen. Jetzt will der Kölner Verlag DuMont Schauberg erst mal richtig durchgreifen, wie er sagt, und übernimmt dafür die Mehrheit am Blatt. Bisher hatte die SPD-Medienholding DDVG diese Position; künftig bleibt sie mit 40 Prozent im Boot. Bei diesem Wechsel stellt sich allerdings die Frage, wie viel Chancen die Kölner haben, aus der Baustelle "Frankfurter Rundschau" - wie viele Medienkollegen mutmaßen - ein funktionierendes Zeitungshaus zu machen. Ich bin jetzt verbunden mit dem Medienberater Reiner Wagner aus Saarbrücken. Herr Wagner, wie sehen Sie das als außen stehender Beobachter?
Reiner Wagner: Was einem spontan einfällt, vielleicht kennen Sie die Geschichte von dem toten Pferd? Das ist, da gibt es so verschiedene Lösungen. Eigentlich ist das Pferd tot und man sagt aber: "Wir besorgen eine stärkere Peitsche" oder "Wir wechseln den Reiter" oder "Wir gründen eine Projektgruppe". Also so wirkt das schon ein bisschen auf mich, der Versuch, eine Zeitung, die doch ziemlich in die Grütze gekommen ist, noch mal mit Leben zu erfüllen.
Köster: Das heißt, Sie geben dem Verlag DuMont Schauberg keine große Chance?
Wagner: Das hängt vom Konzept ab. Natürlich ist eine Sanierung dort noch durchführbar. Nur, wenn man dem glauben darf, was gesagt worden ist, nämlich dass man bei dem nationalen Auftritt bleiben will, also eine überregionale Zeitung, die weiter für ganz Deutschland zuständig sein soll, machen will, dort halte ich die Chancen für ausgesprochen gering - entgegen auch den Verlautbarungen aus dem eigenen Hause.
Köster: Ja, das haben sie heute ja selber geschrieben, dass sie noch mal darauf hinweisen, dass es auf jeden Fall ein überregionales Blatt sein soll oder weiter auch bleiben soll. Wie sehen Sie das denn? Hätte sie denn bessere Chancen, wenn sie eine regionale Zeitung wird, sagen wir mal: so ein Abbild des "Kölner Stadt-Anzeigers"?
Wagner: Also ich behaupte, das ist die einzige Chance, zu überleben, weil man den Kosten, die das nationale Engagement bedeutet, keine wirklichen entsprechenden Umsätze entgegenstellen kann. Sie müssen einfach mal sehen. Wenn Sie die letzten fünf Jahre sich anschauen, die haben fast 30.000 Auflage insgesamt verloren, im EV haben sie auch gut - also EV heißt Einzelverkauf -, runde 20.000 verloren. Wenn man das mal ganz grob über den Daumen rechnet, haben die in den letzten fünf Jahren jährlich so rund zehn bis zwölf Millionen Umsatz verloren. Und die müssen ja irgendwo wieder reinkommen. Das heißt: Wenn ich radikal sanieren will, dann muss ich sehen, dass ich die größten Verlustbringer wegschaffe. Und die größten Verlustbringer sind das überregionale Geschäft.
Köster: Aber es hängt ja nicht allein von der Redaktion ab, dass ...
Wagner: ... nein, nein.
Köster: ... ein Blatt ein Erfolg wird.
Wagner: Mit Sicherheit nicht. Das ist nur begrenzt ein Thema der Redaktion. Es ist natürlich auch sehr stark eine Frage, wie gut der Anzeigenverkauf funktioniert. Und es ist eben auch eine Frage, wie sehr es gelingt, die Abo-Auflage zu entwickeln. Sehen Sie mal, es gibt so eine einfache Faustformel, die da heißt: Die Leserbindung - das heißt, dass die Leute, nicht kündigen -, das ist Zuständigkeit der Redaktion; und die neuen Abonnenten, das muss das Marketing und der Vertrieb beschaffen. Und ich denke, dort sind zwei Probleme, die da nicht zusammenpassen, weil national neue Leser zu gewinnen, ist noch sehr viel teurer, als regional neue Leser zu gewinnen. Das heißt, die müssten auf der Marketingseite noch sehr viel mehr Geld in die Hand nehmen, um ihren nationalen Anspruch jetzt bei neuen Lesern aufrechtzuerhalten. Das heißt, viel Geld in die Hand nehmen, um relativ wenig dafür zu erlösen. Das ist eigentlich unternehmerisch - publizistisch ist das ja eine andere Betrachtung als unternehmerisch -, unternehmerisch ist das nicht vertretbar.
Köster: Noch mal zurückzukommen auf die Redaktion. Uwe Vorkötter ist ja jetzt neuer Chefredakteur, er war vorher bei der "Berliner Zeitung" Chefredakteur. Wird er seine Erfahrung aus Berlin übertragen können auf Frankfurt?
Wagner: Im Prinzip jein. Ich denke, er wird wahrscheinlich seine Stuttgarter Erfahrung auch übertragen können. In Stuttgart hatte er ja mehr eine Großstadt und auch ein Umland. Wenn man die "Frankfurter Rundschau" - also was ich empfehlen würde - immer eher eine regionale Zeitung zu werden und den nationalen Anspruch sein zu lassen, dann muss er sehr stark, das heißt, die Zeitung muss sehr stark nicht nur Frankfurt, sondern auch den ganzen Speckgürtel rund um Frankfurt bedienen und dafür ein entsprechendes Angebot machen. Da kann man Berlin sicherlich nicht so ganz übertragen, weil die "Berliner Zeitung", von der er kommt, eine reine Großstadtzeitung ist. Aber ich halte ihn eigentlich für einen so guten Blattmacher, dass die Aufgabe vom Grundsatz her für ihn durchaus lösbar wäre.
Köster: Wir werden es auf jeden Fall weiter beobachten. Ich danke Ihnen erst mal für die Einschätzungen. Reiner Wagner war das. Er ist Medienberater aus Saarbrücken.
Reiner Wagner: Was einem spontan einfällt, vielleicht kennen Sie die Geschichte von dem toten Pferd? Das ist, da gibt es so verschiedene Lösungen. Eigentlich ist das Pferd tot und man sagt aber: "Wir besorgen eine stärkere Peitsche" oder "Wir wechseln den Reiter" oder "Wir gründen eine Projektgruppe". Also so wirkt das schon ein bisschen auf mich, der Versuch, eine Zeitung, die doch ziemlich in die Grütze gekommen ist, noch mal mit Leben zu erfüllen.
Köster: Das heißt, Sie geben dem Verlag DuMont Schauberg keine große Chance?
Wagner: Das hängt vom Konzept ab. Natürlich ist eine Sanierung dort noch durchführbar. Nur, wenn man dem glauben darf, was gesagt worden ist, nämlich dass man bei dem nationalen Auftritt bleiben will, also eine überregionale Zeitung, die weiter für ganz Deutschland zuständig sein soll, machen will, dort halte ich die Chancen für ausgesprochen gering - entgegen auch den Verlautbarungen aus dem eigenen Hause.
Köster: Ja, das haben sie heute ja selber geschrieben, dass sie noch mal darauf hinweisen, dass es auf jeden Fall ein überregionales Blatt sein soll oder weiter auch bleiben soll. Wie sehen Sie das denn? Hätte sie denn bessere Chancen, wenn sie eine regionale Zeitung wird, sagen wir mal: so ein Abbild des "Kölner Stadt-Anzeigers"?
Wagner: Also ich behaupte, das ist die einzige Chance, zu überleben, weil man den Kosten, die das nationale Engagement bedeutet, keine wirklichen entsprechenden Umsätze entgegenstellen kann. Sie müssen einfach mal sehen. Wenn Sie die letzten fünf Jahre sich anschauen, die haben fast 30.000 Auflage insgesamt verloren, im EV haben sie auch gut - also EV heißt Einzelverkauf -, runde 20.000 verloren. Wenn man das mal ganz grob über den Daumen rechnet, haben die in den letzten fünf Jahren jährlich so rund zehn bis zwölf Millionen Umsatz verloren. Und die müssen ja irgendwo wieder reinkommen. Das heißt: Wenn ich radikal sanieren will, dann muss ich sehen, dass ich die größten Verlustbringer wegschaffe. Und die größten Verlustbringer sind das überregionale Geschäft.
Köster: Aber es hängt ja nicht allein von der Redaktion ab, dass ...
Wagner: ... nein, nein.
Köster: ... ein Blatt ein Erfolg wird.
Wagner: Mit Sicherheit nicht. Das ist nur begrenzt ein Thema der Redaktion. Es ist natürlich auch sehr stark eine Frage, wie gut der Anzeigenverkauf funktioniert. Und es ist eben auch eine Frage, wie sehr es gelingt, die Abo-Auflage zu entwickeln. Sehen Sie mal, es gibt so eine einfache Faustformel, die da heißt: Die Leserbindung - das heißt, dass die Leute, nicht kündigen -, das ist Zuständigkeit der Redaktion; und die neuen Abonnenten, das muss das Marketing und der Vertrieb beschaffen. Und ich denke, dort sind zwei Probleme, die da nicht zusammenpassen, weil national neue Leser zu gewinnen, ist noch sehr viel teurer, als regional neue Leser zu gewinnen. Das heißt, die müssten auf der Marketingseite noch sehr viel mehr Geld in die Hand nehmen, um ihren nationalen Anspruch jetzt bei neuen Lesern aufrechtzuerhalten. Das heißt, viel Geld in die Hand nehmen, um relativ wenig dafür zu erlösen. Das ist eigentlich unternehmerisch - publizistisch ist das ja eine andere Betrachtung als unternehmerisch -, unternehmerisch ist das nicht vertretbar.
Köster: Noch mal zurückzukommen auf die Redaktion. Uwe Vorkötter ist ja jetzt neuer Chefredakteur, er war vorher bei der "Berliner Zeitung" Chefredakteur. Wird er seine Erfahrung aus Berlin übertragen können auf Frankfurt?
Wagner: Im Prinzip jein. Ich denke, er wird wahrscheinlich seine Stuttgarter Erfahrung auch übertragen können. In Stuttgart hatte er ja mehr eine Großstadt und auch ein Umland. Wenn man die "Frankfurter Rundschau" - also was ich empfehlen würde - immer eher eine regionale Zeitung zu werden und den nationalen Anspruch sein zu lassen, dann muss er sehr stark, das heißt, die Zeitung muss sehr stark nicht nur Frankfurt, sondern auch den ganzen Speckgürtel rund um Frankfurt bedienen und dafür ein entsprechendes Angebot machen. Da kann man Berlin sicherlich nicht so ganz übertragen, weil die "Berliner Zeitung", von der er kommt, eine reine Großstadtzeitung ist. Aber ich halte ihn eigentlich für einen so guten Blattmacher, dass die Aufgabe vom Grundsatz her für ihn durchaus lösbar wäre.
Köster: Wir werden es auf jeden Fall weiter beobachten. Ich danke Ihnen erst mal für die Einschätzungen. Reiner Wagner war das. Er ist Medienberater aus Saarbrücken.