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Zivilgesellschaft in der Ukraine
Druck auf Opposition und Aktivisten

Ende März finden in der Ukraine Präsidentschaftswahlen statt, im Herbst wird ein neues Parlament gewählt. Der Kurs in Richtung Demokratie und Rechtsstaat ist für die Mehrheit in der Ukraine unstrittig. Umso mehr verwundert, dass Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen und Oppositionspolitiker immer häufiger Opfer von Überfällen sind.

Von Sabine Adler | 04.03.2019
Die Grenze zwischen der Ukraine und der annerktierten Halbinsel Krim.
Die Grenze zwischen der Ukraine und der annektierten Halbinsel Krim. (dpa / Sputnik / Alexandr Polegenko)
Wer in der Ukraine gegen Korruption, für eine saubere Umwelt und für die Rechte von Minderheiten eintritt - als Aktivist, Oppositionspolitiker oder Journalist - lebt gefährlich. In Cherson wurde Kateryna Gandsjuk Opfer eines Säure-Attentats, sie hatte zuvor Polizeigewalt und Käuflichkeit von Amtsträgern angeprangert. In Odessa schoss ein Unbekannter auf Oleg Michailik, der sich gegen die Zerstörung des historischen Stadtzentrums einsetzte. Pawel Lisjanskij trachtete man in den zurückliegenden acht Jahren gleich mehrfach nach dem Leben.
"Ich bin vier Mal überfallen worden und jedes Mal sollte ich physisch vernichtet werden."
Der Gründer der Ostukrainischen Menschenrechtsgruppe in Lissitschansk kämpfte unter anderem für die Zahlung ausstehender Löhne an Bergarbeiter. Seine Mitstreiterin Vera Jastrebowa hilft den Beschäftigen in den Kohlegruben bis heute, das ihnen zustehende Geld per Gericht einzutreiben. Schon seit 2015 wird es nicht regelmäßig ausgezahlt. Wenn die Kumpel aber ihren Forderungen zusätzlich Nachdruck auf der Straße verleihen wollen, ist das in Kriegszeiten heikel, weil man sehr schnell falsch verstanden werden könnte. Vorsichtshalber fand eine Demonstration ohne die Bergmänner statt. Warum, erklärt Vera Jastrebowa.
"Wir haben den Protestmarsch nur mit Frauen und Kinder veranstaltet, weil wir nicht das Risiko eingehen wollten, dass man uns unterstellt, wir würden Aktionen gegen die Ukraine organisieren und irgendwelche separatistischen Absichten hegen. Und die ausstehenden Löhne treffen die Frauen und Kinder der Bergleute schließlich genauso hart."
Die beiden Juristen und Aktivisten sind jung: Vera Jastrebowa ist Ende 20, Pawel Lisjanskij 32. Mit ihrem Engagement gehen sie ein hohes Risiko ein.
"Der Druck auf uns kommt von Beamten, von kriminellen Gruppierungen, von Leuten, denen unsere Arbeit nicht gefällt. Wir sind für sie gefährlich, obwohl wir keine Waffen haben. Uns fürchten die Leute, die Gesetze verletzen, die ihre unrechtmäßig erlangte Macht nicht freiwillig wieder abgeben wollen. Und das Geld, das eigentlich dem Staat für die Entwicklung des Landes gehört, in dunklen Taschen verschwinden lassen."
Im Krieg kommt die Gefahr gleich aus mehreren Richtungen, denn die Aktivisten kritisieren die von Kiew kontrollierten Behörden auf der einen Seite und die Separatisten auf der anderen. So machte die NGO auf die Zwangsarbeit in den Gefängnissen der besetzten Gebiete aufmerksam. Viele von ukrainischen Gerichten zu Freiheitsstrafen verurteilte Kriminelle wurden und werden nicht nur über ihre Haftzeit hinaus in den Straflagern des besetzten Donbass festgehalten, sondern dort rechtswidrig zu Zwangsarbeit herangezogen. Sie dienen den Separatisten als billige Arbeitskräfte zur Finanzierung ihrer so genannten Volksrepubliken. Dass bisher fast 80 Häftlinge freigelassen wurden, verdanken sie nicht zuletzt dem Aktivisten Lisjanskij. Die Ombudsfrau für Menschenrechte in Kiew, Ludmila Denisowa, erwartet die Entlassung von weiteren 50 Personen aus den Lagern der so genannten Donzeker Volksrepublik in den nächsten Wochen.
Die Ombudsfrau für Menschenrechte, Ludmila Denisowa
Die Ombudsfrau für Menschenrechte, Ludmila Denisowa (Deutschlandradio / Sabine Adler)
(*) Die Ombudsfrau ist bei der Übergabe der Gefangenen jedes Mal selbst dabei. Sie hat inzwischen Pawel Lisjanskij zum Ombudsmann für Menschenrechte im Donbass ernannt. Ombudsfrau Denisowa schätzt die Arbeit der Freiwilligen nicht nur, sie betont, dass sie einen Teil ihrer Aufgaben ohne sie nicht bewältigen könnte.
"Wir haben im Land 5.000 Einrichtungen, in denen die Bewegungsfreiheit der Insassen eingeschränkt ist. Das sind die 131 Straflager, 800 Psychiatrien, Alters- und Kinderheime. Ohne die Freiwilligen wäre es völlig unmöglich, sie alle – wie gefordert – regelmäßig zu kontrollieren."
Missstände würden veröffentlicht, die Behörden müssten umgehend reagieren. Trotz des sichtbar zunehmenden Drucks auf die Aktivisten weist man in der Ukraine jeden Vergleich mit Russland zurück. Und doch: Die gewaltsame Überfälle sorgten für Schlagzeilen und beschädigten das Image der Ukraine auch international. Im Fall von Kateryna Gandsjuk kenne man die Drahtzieher, sagt die Ombudsfrau für Menschenrechte Ludmila Denisowa.
"Wir wissen im Fall von Kateryna Gandsjuk von der Staatsanwaltschaft, dass hinter der Organisation des Anschlags der Vorsitzende des Chersoner Oblast-Rates stand. Bei jedem Überfall, jeder Einschüchterung von Journalisten oder Aktivisten wenden wir uns an die Nationalpolizei und das Innenministerium und kontrollieren die Ermittlungen."
Meist tappen die Behörden im Dunkeln
Was die Ombudsfrau als Regel darstellt, ist jedoch die große Ausnahme. Bei dem Mordanschlag auf Oleg Michailik im September in Odessa beispielsweise tappt man im Dunkeln. Der Oppositionspolitiker gehört einer kleinen Partei an, Sila Ludej, hinter der kein superreicher Oligarch steht. Er hat den auf ihn abgefeuerten Schuss überlebt. Doch aus Sorge, dass er bei der Entfernung der Kugel aus seiner Lunge stirbt, wurde er lieber in eine Klinik nach München gebracht, berichtet Beate Apelt von der Friedrich-Naumann-Stiftung Kiew, die mit Oleg Michailik zusammenarbeitet.
"Er ist ja weiterhin bedroht, wollte unter sicheren Umständen operiert werden. Der Hauptaspekt war aber, dass die Kugel, die noch in seiner Brust steckte, dicht am Herzen, als Beweismittel gesichert werden sollte und das nur sichergestellt werden konnte, indem eben die deutsche Polizei im OP stand und nicht die ukrainische."
Oleg Michailik will weiter gegen den zerstörerischen Bauboom in Odessa ankämpfen und erwägt sogar, bei der nächsten Wahl seinen Hauptfeind herauszufordern, den Bürgermeister von Odessa, Gennadi Turkhanov, der hinter dem Anschlag vermutet wird. Tetiana Pechontschik vom Kiewer Informationszentrum für Menschenrechte hat seit den Protesten auf dem Maidan rund 100 Überfälle auf ehrenamtlich engagierte Aktivisten dokumentiert, aber die Dunkelziffer sei viel höher.
"Durch die Proteste auf dem Maidan schlossen sich viele den Nichtregierungsorganisationen an. Einige Reformen bringen es mit sich, dass die Bürger mehr eingebunden werden. Die Dezentralisierung zum Beispiel. Die Kommunen in den Regionen erhalten mehr Selbständigkeit, Verantwortung und auch ein eigenes Budget, über das sie verfügen können. Und dadurch sind mehr Menschen involviert. Grundsätzlich ist die Dezentralisierung positiv, denn sie durchbricht die kriminellen Strukturen und ihre Verbindungen zu den Behörden in der Provinz, was die sich natürlich nicht kampflos gefallen lassen."
Das sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, trotz aller Gefahren. Das Informationszentrum für Menschenrechte beobachtet auch, was auf der Krim geschieht. Dass sie dort seit einiger Zeit keine Überfälle registriert hätten, sei gerade kein Ausweis gefestigter Demokratie.
"In den letzten fünf Jahren haben wir auf der Krim keinen einzigen Vorfall registriert. Weil dort die gesamte Zivilgesellschaft mundtot gemacht worden ist. Die Menschenrechtsaktivisten und kritischen Journalisten haben die Krim verlassen. Und wer nicht öffentlich die Regierung oder die Behörden kritisiert, sondern sie lobt und preist, den muss man auch nicht gewaltsam zum Schweigen bringen."
70 politische ukrainische Häftlinge sitzen derzeit in Gefängnissen auf der von Moskau annektierten Halbinsel Krim beziehungsweise in russischen Straflagern. Der bekannteste, der ukrainische Filmregisseur Oleg Senzow, konnte selbst mit seinem Hungerstreik ihre Freilassung nicht erzwingen.
Heftige Machtkämpfe
Seit dem Abgang von Präsident Janukowitsch vor fünf Jahren werden aber auch intern auf allen Ebenen, von der Staatsspitze bis in die Dörfer, heftige Machtkämpfe ausgetragen, deren Ausgang gerade wegen den bevorstehenden ukrainischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in diesem Jahr ungewiss ist, und die bereits viele Opfer gefordert haben.
"Es ist kein Muster zu erkennen, das direkt zu einer zentralen Stelle führen würde", sagt Daniel Seiberling von der Kiewer Hans-Seidel-Stiftung. "Es gibt hier keine Organisation, die hier die Fäden spannt und die Aufträge geben würde. Es scheint sich spontan in bestimmten Gemeinden zu entwickeln, dass sich die Verteilungskämpfe der lokalen Eliten, der lokalen Größen vor Ort, die sich durch die zivilgesellschaftliche Kontrolle bedroht fühlen, die ihre Einflusssphären, die ihre Businessmodelle offengelegt sehen, und darauf in einer ausgesprochen undemokratischen Weise darauf reagieren, nämlich bis hin zum Mord, Giftanschlägen, Säureanschlägen."
Oleksandra Matwitschuk von der Organisation SOS Maidan
Oleksandra Matwitschuk von der Organisation SOS Maidan (Deutschlandradio / Sabine Adler)
Oleksandra Matwitschuk von der Organisation SOS Maidan sieht einen großen Unterschied zwischen der Gewalt heute und vor den Protesten, die 2013 in Kiew begonnen haben, als der damalige Präsident Viktor Janukowitsch seine Unterschrift unter das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union verweigerte. Sie wird konkret.
"Es ist nicht wie zu Janukowitschs Zeiten, dessen politische Strategie es war, die Zivilgesellschaft zu verfolgen und zu unterdrücken, also die so genannte Vertikale der Macht zu installieren."
Die Menschenrechtsaktivistin Oleksandra Matwitschuk weist darauf hin, dass die Ukraine derzeit mindestens zwei Kämpfe ausficht: den um ihr Territorium und den für demokratische Veränderungen. Sie zitiert den jüngsten Chatman House Bericht, in dem der britische Think Tank konstatiert, dass der Weg der Ukraine noch immer nicht unumkehrbar ist. Ein Rückfall in das alte, von Oligarchen gelenkte System, die sich die gesellschaftlichen Institutionen Untertan machen, ist nach wie vor möglich. Der demokratische Rechtsstaat hat sich in der Ukraine noch längst nicht etabliert, warnt die junge Juristin.
"Es hat keinen Sinn, den Krieg zu gewinnen und die Ukraine zugleich in ein autoritäres Land zu verwandeln. Deswegen müssen die Polizei, das Justizwesen und andere Institutionen wirklich politische Macht bekommen."
Der Transformationsprozess der Ukraine wird durch das Geschehen im Donbass zusätzlich erschwert.
13.000 Tote, 26.000 Verletzte, fast zwei Millionen Binnenflüchtlinge und 5,5 Millionen Menschen, die in den besetzten Territorien leben, haben das Land gezeichnet. Aber nicht selten dient der von Moskau gewollte und unterstützte Krieg als Rechtfertigung für hausgemachte Konflikte.
"Die Behörden versuchen, die Beschränkungen von Bürgerrechten und Freiheiten mit dem Krieg zu rechtfertigen. Das Ganze wird begleitet von einer harschen Kampfrhetorik. Eine andere Begleiterscheinung von Krieg ist, dass die Gewaltbereitschaft insgesamt in der Gesellschaft zunimmt. Es bilden sich paramilitärische Verbände heraus. Es werden Sinti und Roma attackiert und auch die Anschläge auf Bürgerrechtler in den Regionen haben damit zu tun. Vor dem Krieg fanden die lokalen Eliten und Kriminellen andere, weniger gewaltsame Wege, deren Aktivitäten zu unterbinden."
Erfahrung mit fremden Regenten
Die Erfahrung mit fremden Regenten hat die Ukraine geprägt. Litauische Großfürsten, polnische Könige, russische Zaren, sowjetische Parteieliten seien in der Vergangenheit als Feinde empfunden worden, gegen die man sich verbünden müsse, über alle Differenzen hinweg. Diese Mentalität präge bis heute die politische Kultur des Landes, meint die Kiewer Politikberaterin Iryna Serowa.
"Egal, wer bei uns an der Regierung ist: Sie sind alle in der Lage, das Land zu führen, solange es sich in der Krise befindet. Aber wenn es einem besser geht, fängt man an, nachzudenken und Fragen zu stellen. Doch wir schließen uns nur zusammen, wenn es einen äußeren Feind zu bekämpfen gilt."
Die Juristin trainiert Politiker, die ihr das Coaching teuer bezahlen, und führt am Wochenende kostenlose Schulungen durch - für politisch Interessierte. Denn ihr ist die Herangehensweise mancher NGO zu schwarz-weiß und zudem zu sehr von finanziellen Interessen bestimmt.
"Bei uns gibt es diesen ziemlich groben Ausdruck: Subventionsfresser. Eine ganz bestimmte Gruppe von NGO bekommt Projektgelder aus dem Ausland und lässt keinen in diesen Kreis. In deren Augen ist alles schlecht in unserem Land. Denn wenn es keine Probleme gäbe, würden sie ja nicht gebraucht werden, um auf sie aufmerksam zu machen und sie zu lösen. Wenn man ihnen sagt, dass keineswegs alles im Argen liegt, wird man beschuldigt, auf Seiten der Regierung zu stehen."

Iryna Serowa hütet sich, alle Aktivisten über einen Kamm zu scheren und honoriert die Arbeit derer, die das Land voranbringen. Tetiana Pechontchik vom Informationszentrum für Menschenrechte in Kiew lässt auf das freiwillige Engagement nichts kommen. Die Zivilgesellschaft sieht sie als unverzichtbaren Akteur auf der politischen Bühne und im gesellschaftlichen Leben, dem Land ginge es ohne sie weit schlechter.
"Die Zivilgesellschaft ist stark in der Ukraine und zählt zu den Motoren des Wandels. Der Staat ist in dieser Kriegs- und Krisenzeit nicht in der Lage, alle seine Aufgaben zu erfüllen. Deswegen übernehmen Nichtregierungsorganisationen einen Teil. Das fing mit der Ausstattung der völlig ausgeraubten Armee an, die bei Kriegsbeginn im Donbass ohne die Aktivisten nicht einmal die Ausrüstung für den Kampf gehabt hätte. Und sie kümmern sich um die Binnenflüchtlinge, was eigentlich auch nicht Aufgabe der Zivilgesellschaft ist."
Die Menschenrechtsorganisation SOS Maidan dokumentiert seit Jahren Kriegsverbrechen wie Folter auf beiden Seiten der Front und mahnt dringend ein Gesetz an, das die Strafverfolgung der Täter ermöglicht. Oleksandra Matwitschuk:
"Für uns ist unwichtig, wer die Verbrechen verübt hat. Wenn die ukrainische Regierung nicht zeigt, dass sie bereit ist, auf dem von ihr kontrollierten Gebiet zu ermitteln, hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag das Recht, diese Fälle an sich zu ziehen. Die Ukraine muss selbst tätig werden. Und ein solches Gesetz wäre das Instrument dafür."
Die Kiewer Politikberaterin Iryna Serowa.
Die Kiewer Politikberaterin Iryna Serowa. (Deutschlandradio / Sabine Adler)
NGO drängen das Parlament zu Gesetzen
Ukrainische NGO wie die SOS Maidan warten nicht einfach ab, bis das Parlament dringend nötige Gesetze verabschiedet, sie machen eigene Entwürfe, drängen die Abgeordneten zur Eile und lassen sie nicht mehr aus den Augen. Eine Vorgehensweise, die Oksana Syroid durchaus begrüßt. Mitunter schießen die Aktivisten allerdings über das Ziel hinaus, findet die Vize-Sprecherin der Werchowna Rada, die der Oppositionspartei der Partie Samopomitch/Selbsthilfe angehört.
"Die Zivilgesellschaft wurde während der Revolution der Würde geboren und zeichnet sich durch eine starke Meinung aus und den Willen, Verantwortung zu übernehmen. Das ist gut. Aber manchmal möchte sie am liebsten die staatlichen Institutionen ersetzen. Statt die Regierung zu drängen, tätig zu werden, versuchen manche Organisationen der Regierung vorzuschreiben, das zu tun, was sie wollen."
Mit diesem Übereifer kann die streitbare Oppositionspolitikerin leben, aber sie ärgert sich, wenn sich manche Aktivisten als regierungsunabhängig bezeichneten, obwohl sie es längst nicht mehr seien.
"Aktivisten, vor allem die, die Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen wollen, haben sich zum Teil auf eine Seite geschlagen. Einige gehören jetzt einem bestimmten politischen Lager an, unterstützen den Präsidenten oder den Parlamentssprecher Parabui. Manche haben das selbst gemerkt und sind vorsichtig auf Distanz gegangen, andere wiederum lassen sich inzwischen dafür bezahlen."
Noch problematischer verhalte es sich, wenn Freiwillige nicht mehr nur Missstände anprangerten, sondern selbst in Machenschaften verstrickt seien. Dass die allermeisten Überfälle in der Provinz stattfinden, ist ihrer Meinung nach kein Zufall. Die Vize-Parlamentspräsidentin Oksana Syroid macht dafür Petro Poroschenko persönlich verantwortlich, der bei der Präsidentschaftswahl am 31. März um seinen Verbleib im Amt fürchten muss.
"Das hat mit dem Regierungsstil und den Präsidenten zu tun – dem jetzigen, wie denen davor – denn das ist nicht in einem Jahr entstanden. Das fußt auf einer Art Vereinbarung zwischen dem Präsidenten und einem Bürgermeister zum Beispiel. Du kannst tun, was du willst, solange du mir die Stimmen bei der Wahl verschaffst. Und es rächt sich, dass es keinerlei Politik für die Entwicklung der Regionen gab. Niemand kümmerte sich um deren Stabilität, Sicherheit und Wirtschaft."
Das politische System der Ukraine hat zweifellos einen Wandel erlebt, das Parlament ist kein Abnickverein mehr, was an den Aktivisten liegt, die nicht nur protestieren, sondern auch politische Verantwortung übernehmen wollten.
"Zum allerersten Mal in den letzten 20 Jahren sind 50 Abgeordnete wirklich unabhängig, werden nicht von einem Oligarchen finanziert. Früher gab es keinen einzigen. Verglichen mit Null sind 50 doch sehr viel."
Die Ukraine durchläuft eine Übergangsphase. Das Ziel der Aktivisten ist der demokratische Rechtsstaat, der sie einmal besser schützen soll.
(*) Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle wurde ein Satz gestrichen, der auf einer missverständlichen Antwort der O-Ton-Geberin basierte.