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Zocken mit Empfindlichkeiten

Der Aufwand ist gewaltig und kostet die Banken so viel wie die Einführung des Euro. Ab kommenden Dienstag gilt in Deutschland ISIN oder die International Securities Identification Number zur Identifizierung von Aktien. Die neue Identifikationsnummer für Wertpapiere ersetzt die alte deutsche Wertpapierkennnummer. ISIN ist international gültig und soll den Handel von Aktien über die Grenzen hinweg erleichtern. Mit ISIN werden Aktien künftig an allen Börsen mit der gleichen Identifikationsnummer geführt – an fast allen Börsen. Denn ausgerechnet die Börsen London und New York machen die Umstellung nicht mit.

Matthias Rumpf |
    Die Umstellung auf ISIN dürfte deshalb für die meisten in Deutschland an der Börse notierten Unternehmen keinen großen Vorteil bringen. Denn sieht man einmal von den großen Daxwerten ab, sind sie ohnehin nicht an ausländischen Börsen notiert, schon gar nicht jenseits der Finanzzentren London und New York. Viel zu teuer ist die Notierung im Ausland für Werte aus der zweiten Reihe, auch in der EU. Schon an der Bürokratie scheitern viele. Denn für jede Zweitnotierung muss ein Unternehmen ein langwieriges Genehmigungsverfahren durchlaufen und seinen Emissionsprospekt nach immer neuen Kriterien zusammenstellen. Doch das soll in Zukunft anders werden. Der Finanzmarktexperte der EVP-Fraktion im Europaparlament Alexander Radwan erklärt wie.

    Aktuelle Situation ist, dass jedes Unternehmen, das an die Börse geht, die nationalen Regeln beachten muss. Ich gehe also jetzt als Unternehmen an die Frankfurter Börse und muss nach den deutschen Bestimmungen meinen Prospekt genehmigen lassen. Wenn ich aber darüber hinaus an die Amsterdamer Börse, an die Londoner Börse, Mailänder, Pariser Börse gehe, muss ich jewweils in einem dieser Mitgliedstaaten meinen Prospekt zulassen nach den nationalen Vorgaben. Und das sind natürlich Kosten, das ist kompliziert und das erschwert natürlich den weiteren Gang an die Börsen. Zukünftig soll es so sein, dass wir einen Europäischen Pass einführen und dass ein Unternehmen, das diesen Pass bekommen hat, ohne weitere Auflagen und Erfordernisse an die anderen Börsen in Europa gehen kann. Das ist ist vereinfacht, das sind Kostenreduzierungen und macht das Leben einfacher für die Unternehmen.

    Der Europäische Pass für Börsenprospekte, der den Unternehmen die Kapitalaufnahme im europäischen Ausland erleichtert, ist Teil eines Gesetzgebungspakets aus 43 Richtlinien und Verordnungen, für den europäischen Finanzmarkt. Es ist das größte Gesetzgebungspaket seit über 10 Jahren. Mit diesem Aktionsplan für Finanzdienstleistungen, wie das Projekt in Brüssel heißt, soll in der EU ein Binnenmarkt geschaffen werden. Etwas also, das es eigentlich schon längst gibt.

    Das hatte ich in meiner Naivität auch gedacht. Schon 1992, als die großen Feiern zum Start des europäischen Binnemarktes veranstaltet wurden, und ich frage mich heute, wie den Leuten das eigentlich gelungen ist, einer breiten Öffentlichkeit zu entziehen, dass hier ein ganz wichtiger Bereich ist, in dem der Binnenmarkt nicht verwirklicht ist.

    Alexander Schaub leitet seit kurzem die Generaldirektion Binnenmarkt der Europäischen Kommission und ist damit auch zuständig für Finanzdienstleistungen. Ausgerechnet beim Kapital, dem mobilsten aller Wirtschaftsfaktoren, muss der Spitzenbeamte nun nacharbeiten, was seine Vorgänger im Binnenmarktprogramm haben liegen lassen. Bis 2005, darauf haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU vor drei Jahren verständigt, soll er im Bereich Finanzdienstleistungen die Freizügigkeit schaffen, die in der EU für Yoghurts, Kartoffeln oder Autos schon längst Alltag ist. Ist das erreicht, soll die Wirtschaft der EU kräftig wachsen.

    Es gibt eine ganze Reihe von Studien, auch wir haben solche Studien in Auftrag gegeben.Und die zeigen zum Beispiel, dass ein europäischer Binnenmarkt für Wertpapiere und ein verbesserter Marktzugang gemeinschaftsweit in den nächsten zehn Jahren zu einer Erhöhung des Bruttoinlandprodukts um mehr als ein Prozent führen kann.

    Ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts wären über 100 Mrd Euro oder mehr als der EU-Haushalt für ein Jahr. Doch das ist noch nicht alles. Zu den Wachstumseffekten rechnet die Kommission die Einsparungen, die durch eine einheitliche europäische Wertpapierabrechnung erzielt werden können und die Vorteile, die Verbraucher durch billigere und bessere Finanzprodukte haben.

    Wie weit die EU noch von einem Finanzbinnenmarkt entfernt ist, zeigen die hohen Überweisungsgebühren, die die Verbraucher trotz Euroeinführung immer noch zahlen müssen. Im Zahlungsverkehr wie bei der Wertpapierabrechnung besteht das gleich Problem: In den vergangen Jahren hat die Finanzwirtschaft in den Mitgliedstaaten in neue automatische Systeme investiert. Überweisungen im eigenen Land wurden dadurch billiger. Doch die nationalen Systeme sind nur in wenigen Fällen über die Grenzen hinweg kompatibel und ein Ausbau lohnte sich für die Banken nicht. Per Gesetz musste die EU deshalb die Banken zwingen, die Gebühren für grenzüberschreitende Überweisungen zu senken.

    Der Zahlungsverkehr ist symptomatisch für den gesamten Bereich der Finanzdienstleistungen in der EU. Zwar gibt es längst keine Vorschriften mehr, die es verbieten, Geld und Kapital von einem EU-Staat in einen anderen zu transferieren. Doch das bedeutet nicht, dass Finanzprodukte auch wirklich grenzüberschreitend angeboten werden. Nicht einmal fünf Prozent aller Kredite werden in den großen EU-Staaten über Landesgrenzen hinweg vergeben, Kredite an Unternehmen eingeschlossen. Auch bei Aktienfonds sieht es nicht anders aus. Trotz der starken Stellung von Luxemburg kommen in Deutschland gerade einmal 13 Prozent der Fonds aus dem Ausland.

    Häufig verhindern Sprachbarrieren oder unterschiedliche Gewohnheiten den Verkauf von Versicherungen, Krediten oder Anlageprodukten über die EU-Grenzen hinweg. Vielfach sind es auch Bürokratie oder unterschiedliche Rechtsvorschriften, die ein solches Angebot verhindern. Doch die Anpassung dieser Vorschriften ist ein zähes Geschäft. Auch beim eigentlich internationalen Aktienhandel. Das Beispiel Börsenprospekte ist dabei eindrucksvoll. So streitet man im Europaparlament derzeit um die Frage, ob in einem gemeinsamen Markt Börsenprospekte dort genehmigt werden sollen , wo das Unternehmen seinen Sitz hat oder dort, wo es zur Börse zugelassen wird. Zur Gefechtslage noch einmal Alexander Radwan von der EVP.

    Einen Prospekt so zuzulassen, wo die Börse gewählt ist, wünscht sich der Finanzmarkt London sehr stark. Der Club Med, wie man ihn mit Spitznamen nennt, also Länder wie Spanien, Frankreich, Italien möchten dieses ganz verbieten, möchte dies im Heimatland belassen. Es geht ja dahinter auch immer wie stark ein Finanzplatz sich im europäischen Binnenmarkt profilieren kann. Und da kann der eine oder andere Finanzplatz durch solche Regelungen profitieren oder auch verlieren.

    Club Med und Londoner City sind die wichtigsten Kontrahenten in den Auseinandersetzungen um den Europäischen Finanzmarkt. Auf der einen Seite das pulsierende britische Finanzzentrum mit Weltgeltung, das seinen Banken sehr viel Freiraum für Finanzinnovationen lässt. Auf der anderen Seite wenig entwickelte Finanzmärkte in den südlichen Mitgliedstaaten der EU, die zudem mit strengen gesetzlichen Auflagen überwacht werden.

    Dass der einheitliche Finanzmarkt eine Chance für den weit entwickelten Finanzplatz London ist, hat man in Großbritannien schon lange erkannt. Für die britische Regierung steht der Aktionsplan Finanzdienstleistungen ganz oben auf der Agenda. Seit Beginn der Verhandlungen versuchen Heerscharen von Spezialisten die Gesetzgebung in Brüssel im Sinne der Londoner City zu beeinflussen. Mit einem Aufgebot, dem die übrigen Mitgliedsstaaten zumeist wenig entgegenzusetzen haben. Und auch die EU-Kommission scheint gerne den Rat aus London zu befolgen. Häufig ist in Brüssel die Kritik zu hören, die Generaldirektion Binnenmarkt sei aus London ferngesteuert.

    In Deutschland dagegen scheint man lange die Bedeutung des Gesetzespakets unterschätzt zu haben. Denn erst jetzt, nachdem bereits die Hälfte der Richtlinien unter Dach und Fach ist, hat sich die Bundesregierung entschlossen stärker auf die Gesetzgebung Einfluss zu nehmen. Finanzstaatssekretär Caio Koch-Weser.

    Wir können zweifellos davon lernen und haben auch davon gelernt, wie die Londoner City und die Regierung zusammenarbeiten und ihre Interessen zeitgerecht einbringen. Wir haben auch verstärkt die Verzahnung mit dem Finanzplatz Frankfurt. Wir werden weiterhin auch hier im Hause unsere Kapazitäten ausbauen. Denn das Ganze ist natürlich ein großer Wachstumsmarkt. Die Engländer machen das sehr geschickt seit vielen Jahren. Die Londoner City hat überall ein Wort. Aber ich glaube wir brauchen uns nicht zu schämen, wir holen sehr schnell auf.

    Häufig weiß die Bundesregierung allerdings nicht einmal, wie sie den deutschen Finanzplatz in Brüssel vertreten soll. Zu unterschiedlich sind die Interessen der Großbanken auf der einen und der kleinen, aber nicht minder einflussreichen Sparkassen und Volksbanken auf der anderen Seite. So auch beim jüngsten Richtlinienentwurf, der sogenannten Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, die seit vergangenem Herbst in Brüssel vorliegt und zu der sich die Bundesregierung bis heute nicht positioniert hat.

    Mit dieser Richtlinie soll festgelegt werden, in wie weit überhaupt noch Aktiengeschäfte über die öffentlichen Börsen getätigt werden müssen. Während die Deutsche Bank ähnlich wie viele Wertpapierhäuser in London ihren Anlegern mittlerweile anbietet, Aktienorders im eigenen Haus an der Börse vorbei auszuführen und damit Gebühren zu sparen, fürchten die Sparkassen, dass eine solche Internalisierung den Börsen Liquidität entzieht und damit die Qualität der Aktienkurse verwässert. Entsprechend setzen sich die deutschen Großbanken in Brüssel für liberale Regeln für die Internalisierung ein, während die Sparkassen gemeinsam mit dem Club Med möglichst strenge Auflagen durchsetzen wollen. Doch die unterschiedlichen Interessen in Deutschland müssen nicht unbedingt ein Nachteil sein, so Daniela Gebauer, die für das Deutsche Aktieninstitut den Finanzplatz Deutschland in Brüssel vertritt.

    Da ist der britische Markt beispielsweise und auch der französische Markt wesentlich homogener. Von daher kann das auch ein Mitgrund sein, warum es immer so scheint, dass die Deutschen nicht zufrieden sind, weil es immer eine Gruppe gibt, die nicht zufrieden ist. Auf der anderen Seite denke ich, dass das deutsche System und die Divergenzen wie sie haben beispielsweise zwischen Sparkassen und den Großbanken ein Stück weit auch widerspiegeln, wie die Realität in Europa ist. Und von daher, wenn man es schaffen würde, auf deutschem Gebiet einen Kompromiss zu finden, dann hätten wir in Europa auch einen Kompromiss. Das ist vielleicht eine Chance, die wir besser nutzen müssten als Deutsche.

    Doch diese Einigkeit ist am Finanzplatz Deutschland derzeit kaum zu erwarten. Vielmehr herrscht gespannte Ruhe, denn vor allem die Großbanken stecken in einer tiefen Strukturkrise. Vor allem ihr unrentables Filialgeschäft drückt auf die Bilanzen und gerne würden sie einen Teil der Sparkassen oder Volksbanken übernehmen, um so gestärkt am Heimatmarkt auch international wieder mitreden zu können. Denn längst hat rund um Deutschland eine Konzentration im Bankensektor stattgefunden, so dass die deutschen Großbanken ihren Spitzenplatz im europäischen Vergleich verloren haben. Aus Sicht der EU-Kommission wäre der größere Wettbewerb durch den EU-Finanzbinnenmarkt eine gute Gelegenheit, die nötigen Strukturveränderungen in Deutschland voranzutreiben. Noch einmal Alexander Schaub von der Europäischen Kommission:

    Im deutschen Banken- und Finanzsektor sind erhebliche Anpassungen erforderlich. Und die Überversorgung ist ja auch darauf zurückzuführen, dass nicht genügend Wettbewerb herrscht. Sonst hätten die Banken sich da früher angepasst. Und diese Überversorgung mit völlig unrentablen Geschäftsstellen die werden finanziert vom Kunden, die werden ja nicht von den Unternehmen finanziert.

    Ob tatsächlich der Kunde von einer stärkeren Konzentration profitieren wird, dessen ist man sich in Deutschland nicht sicher. Bislang hält die Bundesregierung noch an den drei Säulen Privatbanken, Volksbanken und Sparkassen fest. Doch spätestens seit die Chefs der deutschen Großbanken in diesem Jahr persönlich dem Bundeskanzler ihre prekäre wirtschaftliche Lage offenbart haben, weiß man auch in Berlin, dass etwas geschehen muss. Nur nicht alle Entwicklungen aus den europäischen Nachbarländern sind ermutigend. Caio Koch-Weser

    Wenn sie sich zum Beispiel Großbritannien ansehen, wo eine starke Bankenkonzentration stattgefunden hat, so kann man sich fragen, ob der Kunde in der Fläche wirklich gut bedient ist, das sehen auch viele in London so, im Retail-Bereich. Auf der anderen Seite gehe ich davon aus, dass sich in den nächsten Jahren, Italien ist ein interessantes Beispiel, wie die Säulen sich angenähert haben, sich auch bei uns die Säulen annähern werden. Aber zunächst würde ich davon ausgehen, dass im Privatbankenbereich selbst eine stärkere Konzentration stattfindet.

    Wie in den kommenden Jahren die deutsche Bankenlandschaft umstrukturiert wird, ist noch ungewiss. Bei den Börsen allerdings stehen die Zeichen schon jetzt auf Konzentration Wenn ein deutscher Börsenplatz in Europa noch Gewicht haben kann, dann wird das Frankfurt sein. Doch das Aus für die anderen Börsen muss das nicht unbedingt heißen. Noch einmal Daniela Gebauer vom Deutschen Aktieninstitut.

    Zumachen weiß ich nicht. Aber sie werden sich sehr sehr starke Nischengeschäfte suchen müssen wie zum Beispiel die Stuttgarter Börse jetzt mit ihrem Optionsscheinhandel. Oder eine Strombörse in Leipzig oder eine Warenterminbörse in Hannover. Ich denke aber nicht, dass es Aktienbörsen auf Dauer geben wird an allen Standorten, die wir jetzt haben.

    Doch der EU-Kommission geht es nicht nur darum, den Wettbewerb zwischen Banken und Börsen zu erhöhen. Sie verfolgt mit dem Finanzbinnenmarkt ein strategisches Ziel: Der größere Finanzmarkt soll dazu beitragen, die private Altersvorsorge attraktiver zu machen. Wenn die EU-Bürger zukünftig für ihre Rente mehr selbst auf die Seite legen müssen, dann sollen sie dafür eine bessere Rendite bekommen. Auch für die Finanzbranche ist das ein lohnendes Geschäft. Alexander Radwan:

    Der Binnenmarkt bringt auch Chancen. Ich denke da zum Beispiel an die vor kurzem verabschiedete Pensionsrichtlinie, wo es also zukünftig darum geht, Pensionsfonds, Alterssicherungsfonds in Europa anzubieten. Hier geht es um die zweite Säule der Altersversorgung, also um die betriebliche Altersversorgung. Dort werden über den Binnenmarkt verstärkt neue Produkte auch in Deutschland angeboten werden, die natürlich auch deutsche Banken anbieten werden. Das ist natürlich auch eine Chance für ein neues Geschäftsfeld.

    Chancen, von denen auch die Verbraucher profitieren sollen. Welche Einsparungen alleine durch größere und europaweite Märkte möglich sind, zeigt ein Vergleich zwischen europäischen und amerikanischen Investmentfonds. 800 Mio Euro Vermögen verwaltet ein durchschnittlicher amerikanischer Fonds. Europäische Fonds dagegen bringen es gerade einmal auf ein Fünftel dieser Größe, vor allem, weil sie meist aufgrund der unterschiedlichen Zulassungsprozedur nur in einem EU-Staat vertrieben werden. Dafür werden die Europäer zur Kasse gebeten: Nach Berechnungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung geben die EU-Bürger rund 5 Mrd Euro zu viel für die Verwaltung ihrer Fonds aus, nur weil der europäische Markt für Anlageprodukte so zersplittert ist.

    Auch beim Fondssparen empfiehlt sich Großbritannien als besonders fortschrittlicher Markt. Während auf dem Kontinent die Mitgliedsstaaten gerade den Pensionsfonds detailliert vorschreiben, welchen Anteil ihres Vermögens sie in Aktien und welchen sie in festverzinsliche Papiere investieren müssen, gibt es in Großbritannien schon seit langem lediglich ein allgemeines Vorsichtsprinzip für die Anlagestrategie. Doch selbst wenn die britischen Pensionsfonds dadurch im Schnitt eine bessere Rendite abwerfen, ist das für die Vorsitzende des EP-Aussschusses für Wirtschaft und Währung Christa Randzio-Plath noch lange kein Grund das britische Modell zu übernehmen. Sie will verhindern, dass sich auf dem Kontinent Pensionsansprüche genauso in Luft auflösen, wie es derzeit in den USA und Großbritannien der Fall ist.

    Wir wissen natürlich, dass beispielsweise im angelsächsischen Raum ganz andere Sitten und Gebräuche herrschen und dass die Menschen dort auch ganz anderes mit ihrer Alterssicherung auf der Ebene von Fonds und so weiter umgehen. Aber wir wollen ja gerade, dass die Menschen im kontinenatalen Europa auch Sicherheit bekommen. Und das können wir nicht, indem wir einfach liberalisieren, das kann nicht der Gegenstand unseres Handelns sein. Für uns ist es einfach nur wichtig, dass wir bestimmte Standards etablieren.

    Doch diese gemeinsamen Standards sind nicht einfach festzulegen, nicht nur bei der Alterssicherung. Beim gesamten Verbraucherschutz rund um Finanzdienstleistungen ist Brüssel in der Zwickmühle. Damit sich ein deutscher Verbraucher überhaupt für einen Kredit einer irischen Bank oder eines italienischen Brokerhauses interessiert, muss es nach den Vorstellungen der Kommission in der gesamten EU ein vergleichbares Niveau beim Verbraucherschutz geben. Doch das Ergebnis dieser Bemühungen ist aus Sicht der Banken höchst unbefriedigend. Holger Brandt vom deutschen Sparkassen und Giroverband.

    Was nun von der Kommission auf dem Tisch liegt, ist in hohem Maße bedenklich, weil der Versuch gemacht wird in Kumulation aller Verbraucherschutzvorschriften Europas nun so zu sagen eine Europäische Richtlinie vorzulegen. Das kann nur daneben gehen. Weil ja alle Staaten ihre eigenen Rechtssysteme haben, ob sie nun das Bürgerliche Gesetzbuch oder was auch immer nehmen. Und wenn sie darüber dann eine Kumulation Europas mit anderen Rechtssystemen nehmen, dann haben sie eine absolute Überregulierung und auch eine Regulierung die in die nationalen Rechtssysteme nicht mehr so richtig hineinpasst.

    Dass auch in einem gemeinsamen Finanzmarkt Unterschiede bestehen bleiben ist allen klar. Die unterschiedlichen Rechtssysteme sind da eher ein zweitrangiges Problem. Viel wichtiger ist der gesamte Steuerbereich. Doch beim Steuerrecht sieht der Aktionsplan überhaupt keine Änderung vor. Und solange es hier keine Harmonisierung gibt, sind viele Produkte aus dem Ausland schon aus diesem Grund uninteressant. Noch einmal Caio Koch Weser

    Dieser Finanzdienstleistungsaktionsplan umfasst kaum steuerliche Maßnahmen und zweifellos brauchen wir auch im Steurrecht und in steuerlichen Regelungen eine Unterstützung dieses gemeinsamen Finanzmarktes. Hier sind bisher nur bescheidene Anfänge gemacht. Steuerrecht ist immer ein sehr schwieriges Thema und berührt sehr viele politische Empfindlichkeiten. Ich sehe hier einen großen Nachholbedarf.

    Beim größten deutschen Finanzdienstleister, den Sparkassen, ist man ohnehin sicher, dass die Privatkunden lieber zu ihrer Bank um die Ecke gehen, als sich im Ausland mit Finanzprodukten zu versorgen. Für das Geschäft mit den Privatkunden gebe es deshalb auch keinen Harmonisierungsbedarf.

    Der kleine Kunde, der 20,30, 40 Wertpapiere in seinem Depot hat, der will nun endlich in Paris mit einem Wertpapierhaus, oder der will in der Londoner City sich engagieren. Wenn das die Realität des Marktes ist, würde ich Ihnen recht geben, und sagen: Wir brauchen eine europäische Harmonisierung. Dies ist aber nicht der Markt, dann muss ich versuchen die Regeln nach dem Markt zu verändern und nicht versuchen durch Regeln den ganzen Markt zu verändern.

    In der Tat wird der gemeinsame Finanzmarkt nur dann Realität, wenn Unternehmen und Verbraucher seine Möglichkeiten auch nutzen. Dazu kann man in Brüssel niemanden zwingen. Das weiß auch der Europaabgeordnete Alexander Radwan. Doch er weiß, die Schaffung eines Binnenmarktes braucht vor allem eines:: Einen langen Atem.

    Also ich denke das ist ein Startschuss. Und wenn man Binnenmarkt generell anschaut, angeblich haben wir vor zehn Jahren den Binnenmarkt schon gehabt. Die Kommission hat im Bereich Dienstleistungen, Kapital festgestellt, dass es nach wie vor viele Handelsbeschränkungen gibt. Und iIch denke wir werden uns dann nach einer gewissen Zeit anschauen, wieviel dieser Financial Actionplan realisiert hat und dann eben dort, wo es noch Markthemmnisse gibt nachtarieren müssen.