"Niemand wird heute mehr über Filme schlechthin ablehnend urteilen, weil es schlechte Filme gibt – die gibt es – aber alle erlauben sich immer noch, Computerspiele per se abzuurteilen, weil eines oder zwei schlecht sind. Also diese Blindheit, die gilt es doch ein bisschen zu bekämpfen."
So formulierte Winfred Kaminski, Professor am Institut für Medienforschung und Medienpädagogik der Fachhochschule Köln, eines seiner Hauptanliegen für die First International Computer Game Conference Cologne. Sein Institut richtete die dreitägige Konferenz zum Thema "Computerspiele und soziale Wirklichkeit" zusammen mit dem Spielehersteller Electronic Arts aus. Und tatsächlich führte, getreu dem Motto "Clash of Realities", der Zusammenprall ganz unterschiedlicher Konzepte der wissenschaftlichen Analyse von Computerspielen zu einer sehr differenzierten Sichtweise.
"Die Spiele im Computer sind ja Spiele mit Lichtobjekten - reine Abstraktion und Licht, das uns umhüllt. Das entspricht der seelischen Verfassung eines Kleinkindes, das die Welt in halluzinativen und selbstbezogen-verträumten Realitäten erlebt."
Wolfgang Bergmann etwa, Leiter des Instituts für Kinderpsychologie und Lerntherapie in Hannover, verglich die Allmachtsposition des Computerspielers mit einem Regress in die Phase des Ich-zentrierten, frühkindlichen Narzissmus. Die Herausforderung bestehe darin, den zumeist jugendlichen Spielern auch im realen Leben genügend Anreize zu bieten, damit sie sich nicht in das Spiel zurückziehen. Außerdem müsse man die extrem stimulierende Wirkung von Computerspielen besser nutzen – zum Beispiel in der Lerntherapie. Dem hielt Klaus Mathiak entgegen:
"Wenn man so viel lernen kann, kann man nicht auch etwas davon verlernen, was für unser Sozialverhalten günstig ist?"
Der Leiter der Arbeitsgruppe "Experimentelle Verhaltenspsychobiologie" an der Technischen Hochschule Aachen hat Grund zur Besorgnis: Er konnte belegen, dass Spieler von Ego-Shootern, wenn sie im Spiel einem anderen Menschen begegnen, affektive Reaktionen unterdrücken – Gefühle sollen dem möglichst rationalen Töten eben nicht im Weg stehen. Espen Aarseth, Professor am Center of Computer Games Research der IT University Kopenhagen, gab in seinem grundlegenden Vortrag zunächst einen Überblick über die vielen verschiedenen Ansätze der Computerspielforschung: von historischen über ästhetische bis hin zu psychologische Sichtweisen. Hauptsächlich widmete er sich jedoch der Frage, wie Computerspiele in Zeiten ständig weiter verschwimmender Genregrenzen noch voneinander abgegrenzt werden können.
"Spiele bedeuten verschiedene Dinge für verschiedene Menschen. Wir benötigen eine viel genauere Sprache, um zu verstehen, wie sich bestimmte Spiele von anderen unterscheiden, bevor wir verstehen können, was sie ausrichten und was sie sind. Man kann nicht einfach über "die Videospiele" reden, denn das wäre, als würde man über Papier oder über Bücher sprechen. Das sagt nämlich nichts darüber aus, was ein bestimmtes Buch in einem bestimmten Leser anstellt."
Espen Aarseth machte klar, wie differenziert Computerspiele mittlerweile betrachtet werden müssen. Folgerichtig war die gesamte Konferenz von interdisziplinärem Nebeneinander geprägt: Medienwissenschaftler, Pädagogen und Kulturwissenschaftler vereinigten ihre Einzelperspektiven zu einem – wenn auch noch unvollständigen – Gesamtbild. Dabei ließ sich eine Fokusverlagerung vom Spiel zum Spielenden beobachten: Vorträge zu Themen wie "Digitalisierung und ihre Folgen für die Wahrnehmung" oder "In jedem steckt ein Held" dominierten das Programm.
"Und natürlich stellt sich die Frage: Was ist das Ziel, wenn in der Schule mit Computerspielen gearbeitet wird? "
Auch Christopher Scholtz plädierte in seinem Vortrag innerhalb des Themenschwerpunkts "Computerspiele im Unterricht" für diese Verlagerung der Perspektive:
"Ich denke, dass in der Pädagogik und in den Schulen genauso wie bei den Eltern ganz oft die Konzentration darauf liegt, was die Schülerinnen und Schüler spielen und dabei nicht gefragt wird, wie gespielt wird. "
Die Spielpraxis sei mindestens genau so wichtig wie das eigentliche Spiel. Dass Spieler in Counter Strike beispielsweise Menschentürme bauen und sich somit ein vollkommen neues Spielziel setzen, zeugt als so genanntes "subversives Spielen" ebenso vom kreativen Umgang mit dem Spiel wie das Herstellen von Filmen, so genannter Machinimas, in den virtuellen Spielwelten. Scholtz Vortrag war, wie die meisten anderen, sehr gut besucht – wie die gesamte Konferenz. Unter den Zuhörern waren übrigens viele passionierte Spieler – und nicht selten standen sie auch hinter dem Rednerpult:
"Mich hat überrascht, wie viele Leute, die schreiben, auch selber spielen. Das war sehr eindeutig zu sehen, wie viel Kompetenz die Forschenden auch haben aus eigener Praxis."
Eigene Praxis war wohl auch der Grund für ein paar sehr detailverliebte Vorträge, die streckenweise wie Berichterstattung aus der Fan-Community anmuteten. So zum Beispiel Karin Wenz Vortrag über Spielergemeinschaften in Online-Rollenspielen.
"Wenn man Gildenmitglied ist und zu War of Imperium nicht kommt, oder einfach nach zehn Minuten geht, weil man kein Bock mehr hat, dann wäre das fehlende Partizipation, die die Gruppe auch schädigt."
Insgesamt bot die Konferenz jedoch einen fachkundigen, differenzierten und sehr facettenreichen Blick auf das in der öffentlichen Diskussion oft viel zu einseitig dargestellte Phänomen Computerspiele – und sie war ein wichtiger Schritt zur weiteren Etablierung der "Game Studies" als vollwertige Wissenschaft.
So formulierte Winfred Kaminski, Professor am Institut für Medienforschung und Medienpädagogik der Fachhochschule Köln, eines seiner Hauptanliegen für die First International Computer Game Conference Cologne. Sein Institut richtete die dreitägige Konferenz zum Thema "Computerspiele und soziale Wirklichkeit" zusammen mit dem Spielehersteller Electronic Arts aus. Und tatsächlich führte, getreu dem Motto "Clash of Realities", der Zusammenprall ganz unterschiedlicher Konzepte der wissenschaftlichen Analyse von Computerspielen zu einer sehr differenzierten Sichtweise.
"Die Spiele im Computer sind ja Spiele mit Lichtobjekten - reine Abstraktion und Licht, das uns umhüllt. Das entspricht der seelischen Verfassung eines Kleinkindes, das die Welt in halluzinativen und selbstbezogen-verträumten Realitäten erlebt."
Wolfgang Bergmann etwa, Leiter des Instituts für Kinderpsychologie und Lerntherapie in Hannover, verglich die Allmachtsposition des Computerspielers mit einem Regress in die Phase des Ich-zentrierten, frühkindlichen Narzissmus. Die Herausforderung bestehe darin, den zumeist jugendlichen Spielern auch im realen Leben genügend Anreize zu bieten, damit sie sich nicht in das Spiel zurückziehen. Außerdem müsse man die extrem stimulierende Wirkung von Computerspielen besser nutzen – zum Beispiel in der Lerntherapie. Dem hielt Klaus Mathiak entgegen:
"Wenn man so viel lernen kann, kann man nicht auch etwas davon verlernen, was für unser Sozialverhalten günstig ist?"
Der Leiter der Arbeitsgruppe "Experimentelle Verhaltenspsychobiologie" an der Technischen Hochschule Aachen hat Grund zur Besorgnis: Er konnte belegen, dass Spieler von Ego-Shootern, wenn sie im Spiel einem anderen Menschen begegnen, affektive Reaktionen unterdrücken – Gefühle sollen dem möglichst rationalen Töten eben nicht im Weg stehen. Espen Aarseth, Professor am Center of Computer Games Research der IT University Kopenhagen, gab in seinem grundlegenden Vortrag zunächst einen Überblick über die vielen verschiedenen Ansätze der Computerspielforschung: von historischen über ästhetische bis hin zu psychologische Sichtweisen. Hauptsächlich widmete er sich jedoch der Frage, wie Computerspiele in Zeiten ständig weiter verschwimmender Genregrenzen noch voneinander abgegrenzt werden können.
"Spiele bedeuten verschiedene Dinge für verschiedene Menschen. Wir benötigen eine viel genauere Sprache, um zu verstehen, wie sich bestimmte Spiele von anderen unterscheiden, bevor wir verstehen können, was sie ausrichten und was sie sind. Man kann nicht einfach über "die Videospiele" reden, denn das wäre, als würde man über Papier oder über Bücher sprechen. Das sagt nämlich nichts darüber aus, was ein bestimmtes Buch in einem bestimmten Leser anstellt."
Espen Aarseth machte klar, wie differenziert Computerspiele mittlerweile betrachtet werden müssen. Folgerichtig war die gesamte Konferenz von interdisziplinärem Nebeneinander geprägt: Medienwissenschaftler, Pädagogen und Kulturwissenschaftler vereinigten ihre Einzelperspektiven zu einem – wenn auch noch unvollständigen – Gesamtbild. Dabei ließ sich eine Fokusverlagerung vom Spiel zum Spielenden beobachten: Vorträge zu Themen wie "Digitalisierung und ihre Folgen für die Wahrnehmung" oder "In jedem steckt ein Held" dominierten das Programm.
"Und natürlich stellt sich die Frage: Was ist das Ziel, wenn in der Schule mit Computerspielen gearbeitet wird? "
Auch Christopher Scholtz plädierte in seinem Vortrag innerhalb des Themenschwerpunkts "Computerspiele im Unterricht" für diese Verlagerung der Perspektive:
"Ich denke, dass in der Pädagogik und in den Schulen genauso wie bei den Eltern ganz oft die Konzentration darauf liegt, was die Schülerinnen und Schüler spielen und dabei nicht gefragt wird, wie gespielt wird. "
Die Spielpraxis sei mindestens genau so wichtig wie das eigentliche Spiel. Dass Spieler in Counter Strike beispielsweise Menschentürme bauen und sich somit ein vollkommen neues Spielziel setzen, zeugt als so genanntes "subversives Spielen" ebenso vom kreativen Umgang mit dem Spiel wie das Herstellen von Filmen, so genannter Machinimas, in den virtuellen Spielwelten. Scholtz Vortrag war, wie die meisten anderen, sehr gut besucht – wie die gesamte Konferenz. Unter den Zuhörern waren übrigens viele passionierte Spieler – und nicht selten standen sie auch hinter dem Rednerpult:
"Mich hat überrascht, wie viele Leute, die schreiben, auch selber spielen. Das war sehr eindeutig zu sehen, wie viel Kompetenz die Forschenden auch haben aus eigener Praxis."
Eigene Praxis war wohl auch der Grund für ein paar sehr detailverliebte Vorträge, die streckenweise wie Berichterstattung aus der Fan-Community anmuteten. So zum Beispiel Karin Wenz Vortrag über Spielergemeinschaften in Online-Rollenspielen.
"Wenn man Gildenmitglied ist und zu War of Imperium nicht kommt, oder einfach nach zehn Minuten geht, weil man kein Bock mehr hat, dann wäre das fehlende Partizipation, die die Gruppe auch schädigt."
Insgesamt bot die Konferenz jedoch einen fachkundigen, differenzierten und sehr facettenreichen Blick auf das in der öffentlichen Diskussion oft viel zu einseitig dargestellte Phänomen Computerspiele – und sie war ein wichtiger Schritt zur weiteren Etablierung der "Game Studies" als vollwertige Wissenschaft.