Der Ozean. Durch Strömungen und brechende Wellen werden darin Salz, Nährstoffe und Wärme umverteilt. Es ist ein ständiger Mischungsprozess. Was ihn antreibt, haben Meeresforscher bis heute noch nicht ganz verstanden.
"Bisher weiß man, dass Wind, Wellen und Gezeiten einen großen Anteil an der Durchmischung der Weltmeere haben. Aber theoretische Studien legen nahe, dass ihr Beitrag möglicherweise nicht ausreicht. Deshalb haben manche Forscher sich gefragt, ob und welche weiteren Einflussfaktoren es gibt. Könnten nicht auch Tiere zur globalen Umwälzung der Ozeane beitragen? Dieser Art Fragen wollten wir nachgehen."
Monica Wilhelmus ist Bioingenieurin am California Institute of Technology. Ihr Spezialgebiet ist die Strömungslehre. Sie hat beobachtet, dass kleine Salzkrebse, die im Zooplankton der Meere vorkommen, mit ihren Schwimmbewegungen tatsächlich größere Wasserströme auslösen können – zumindest wenn Tausende dieser rund einen Zentimeter großen Tierchen gleichzeitig in eine Richtung schwimmen.
Der "Flossenschlag" des Salzkrebses
"Wenn man nur einen einzelnen Salzkrebs betrachtet, dann reichen die von ihm ausgelösten Wasserbewegungen kaum über seine Körperlänge hinaus. Aber wenn man viele dieser kleinen Krebse nebeneinander hat, verstärken sich bestimmte Strömungsmechanismen. Es entstehen größere Wasserwirbel – groß genug, um andere Prozesse im Ozean zu beeinflussen."
Zu diesen überraschenden Ergebnissen kam Monica Wilhelmus mit einem Experiment. Dabei nutzte sie eine besondere Eigenschaft der Salzkrebse. Die Tierchen zeigen Phototaxis, das heißt: Sie schwimmen dorthin, wo ein bläuliches Licht im Wasser vorherrscht. Im offenen Ozean führt das dazu, dass die Salzkrebse tagsüber in tiefere Wasserschichten absinken, während sie nachts an die Meeresoberfläche aufsteigen. Im fensterlosen Labor waren Monica Wilhelmus Tag und Nacht egal. Dafür konnte sie mit einem blauen Laserstrahl, den sie in einem großen Wassertank voll mit Salzkrebsen langsam auf und ab bewegte, die Tierchen gezielt nach oben oder unten schwimmen lassen. Die dabei ausgelösten Strömungen im Wasser erfasste sie mit einer speziellen Beobachtungstechnik.
"Die Technik heißt "Particle Image Velocimetry". Dafür mischt man sehr kleine Teilchen, die eine reflektierende Oberfläche besitzen, ins Wasser. Nun kann man mit Hochgeschwindigkeitskameras verfolgen, wie sich die Partikel im Wasser bewegen. So können wir Geschwindigkeit und andere Eigenschaften von Strömungen ermitteln."
Untersuchungen stehen noch am Anfang
Die Weltmeere sind voll von Zooplankton. Nicht nur Salzkrebse, sondern auch Krill, Ruderfußkrebse und andere kleine Tierchen. Welche Energiemenge ihre koordinierte Bewegung in die Ozeane leiten könnte, das hat Monica Wilhelmus hochgerechnet. Die globalen Schätzungen liegen im Bereich von einem Terawatt, was einem Einfluss in einer Größenordnung vergleichbar mit der von Wind oder Gezeiten entsprechen würde. Monica Wilhelmus mahnt allerdings noch zu einer zurückhaltenden Interpretation ihrer Daten:
"Wenn man Experimente macht, beginnt man immer mit dem einfachsten Fall. Unsere Versuche fanden in einer ungeschichteten Wassersäule statt. Im Meer ist das Wasser aber durch Unterschiede in Temperatur und Salzgehalt geschichtet. Es vermischt sich deshalb weniger leicht. Wir bereiten jetzt weitere Experimente vor, die das berücksichtigen. Erst dann werden wir Aussagen darüber treffen können, was tatsächlich im Ozean geschieht."
Sollten die weiteren Versuche die ersten Ergebnisse bestätigen, müssten unter anderem Klimaforscher künftig umdenken. Meere stellen einen enormen Wärmespeicher dar. Würde das Zooplankton tatsächlich den Wärmetransport in tiefere Wasserschichten steigern, wäre das ein wichtiger, bislang aber nicht beachteter Einflussfaktor für unser Klima.