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Zu allen Themen eine Meinung

Über Jahre war "Tempo" die Trend-Postille für alle, die jung waren oder sich jung fühlen wollten. Zwar hatte das Magazin nie die ganz große Deutungshoheit für die gesamte Republik, aber wer etwas auf sich hielt, las regelmäßig "Tempo." Zehn Jahre nach dem Aus erschien eine einmalige Sonderausgabe.

Von Michael Meyer |
    Nein, mit der Modezeitschrift "Vogue" war "Tempo" nicht zu vergleichen, auch wenn Mode eine sehr große Rolle in dem Zeitgeist-Magazin spielte, und Chefredakteur Markus Peichl in einem Interview sagte: "Wenn 'Tempo' eine Band oder ein Musiker wäre, dann wäre es viel eher Madonna, als eine langweilige Band wie Fleetwood Mac."

    "Tempo" war in den 80er und 90er Jahren ganz vorne, wenn es um die Entdeckung neuer Trends, neuer Musik, neuer Lebensformen ging. Zwar hatte das Magazin nie die ganz große Deutungshoheit für die gesamte Republik, aber: Wer etwas auf sich hielt, las regelmäßig "Tempo". "Tempo" hatte zu allen Themen eine Meinung. Nie schrieben Autoren mit einer unentschlossenen Haltung, im Gegenteil: Ein entschiedener Standpunkt war das allerwichtigste, sagt Markus Peichl rückblickend:

    "Es ist mit Sicherheit so, dass es immer das Anliegen von 'Tempo' war, sich ganz unmissverständlich zu Dingen zu äußern, sich zu etwas zu bekennen, selbst auf die Gefahr hin, dass man falsch liegt. Diesen Mut, diese klare Aussage fehlt nach meiner persönlichen Einschätzung in vielen Zeitungen und Zeitschriften. Was uns fehlt im Zeitschriftengeschäft sind Blattmacher, die eine Vision haben und diese Vision ohne Wenn und Aber umsetzen Und ich glaube, dass das es sehr, sehr wichtig wäre, dass wir wieder mehr solche Blätter bekommen, wo der Leser weiß, wo er dran ist, wenn er sie in der Hand hat. "

    Der Standpunkt des Autors kam bei "Tempo" manchmal aber auch arg borniert daher oder war allzu sehr von "Schwarz-Weiß-Denken" geprägt. "Tempo" stand auch für den Import des amerikanischen "New Journalism" nach Deutschland - einer sehr subjektiven Art des Journalismus, der teilweise sogar literarische Qualität hatte. Viele bekannte Journalisten und Schriftsteller wie Maxim Biller, Christian Kracht, Bettina Röhl und andere trugen regelmäßig Kolumnen oder Geschichten zum Heft bei.

    "Tempo" war im Grunde ein gedrucktes "Zak"-Magazin - jene Kultsendung von und mit Friedrich Küppersbusch. Man ließ politische Themen auf ganz Banales prallen und scherte sich nicht um Tabus und schon gar nicht um Political Correctness. In einer der ersten Ausgaben ging es beispielsweise um die "neue Lust auf Prinzen", die Baader-Meinhof- Bande, "Denver Clan"- Star Joan Collins, um die "Tage des Mannes" und um einen brutalen US-Profi-Ringer namens Seargant Slaughter. Das Konzept hatte Erfolg: Zehn Jahre lang war "Tempo" die Trend-Postille für alle, die jung waren oder sich jung fühlen wollten. Nach der Wende ging es langsam mit "Tempo" bergab – das Konzept der geplanten Provokation nutzte sich allmählich ab. 1996 wurde "Tempo" aufgrund von sinkenden Auflagenzahlen eingestellt.