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Zu Besuch auf den Kanalinseln
Unterwegs mit den Douzeniers von Guernsey

Auf Guernsey geht es gemächlich zu. Für Recht und Ordnung ist auf der Kanalinsel dennoch gesorgt: In St. Peter Port, der größten Stadt des Eilandes, sorgen 20 sogenannte Douzeniers ehrenamtlich dafür, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Auch wenn manche Regeln skurril wirken.

Von Klaus Martin Höfer | 16.12.2018
    Timothy Bush ist einer von 20 Douzeniers in Guernseys Hafenstadt St. Peter Port. Hier zeigt er seinen Ausweis.
    20 sogenannte Douzeniers kümmern sich in Guernseys größter Stadt St. Peter Port um die Einhaltung der öffentlichen Ordnung. Das größte Problem: Touristen, die auf dem Fahrrad Chaos verbreiten. (deutschlandradio / Klaus Martin Höfer)
    Douzenier Timothy Bush ist auf Kontrollgang durch die Hafenstadt St. Peter Port. Dort, wo er aufgewachsen ist.
    "Douzaine kommt zwar vom französischen Wort für 'zwölf'. In Saint Peter Port, der größten Stadt auf Guernsey, sind wir allerdings 20 Douzeniers."
    20 Douzeniers, die sich ehrenamtlich um die Geschicke der 12.000-Einwohner-Stadt kümmern - die großen, zum Beispiel die Zukunft der Müllentsorgung, und die kleinen, wie die Sicherheit der Fußgänger in den schmalen Straßen.
    "Ich werde euch durch ein paar der Straßen in Saint Peter Port führen. Das ist die Gemeinde, in der ich im November 2016 zum Douzenier gewählt worden bin."
    Ordnung muss sein
    Tim Bush schaut mit kritischem Blick auf eine Hecke, die über eine Mauer auf den Gehweg wächst.
    "Zwei Mal im Jahr müssen wir schauen, ob die Hecken zurückgeschnitten sind. Sie werden dann am 15. Juni und am 15. September von den Douzeniers inspiziert, die sicherstellen, dass zu lange oder schädliche Pflanzen so zurückgeschnitten werden, dass sie nicht auf öffentliche Straßen oder Gehwege ragen."
    Der Gehweg ist schmal, daneben verläuft eine enge, aber viel befahrene Straße. Kommen sich Fußgänger entgegen, müssen sie ausweichen, vielleicht sogar kurz auf die Straße treten. Wenn jetzt noch eine dichtgewachsene Hecke von einem der Grundstücke wild auf den Gehweg ragen würde, wäre dies nicht nur unordentlich, sondern auch gefährlich. Doch an dieser Hecke, die Tim Bush gerade anschaut, gibt es nichts zu mäkeln.
    "Das ist ein gutes Beispiel für eine gut gestutzte Hecke, die fest auf der Mauer darunter aufliegt. Wenn sie um so und so viel Zoll oder Zentimeter zu lange wäre, müssten wir eine Benachrichtigung darüber hinterlassen und ein Gespräch mit dem Besitzer führen und ihn bitten, sich an die Regeln zu halten."
    Wenn radfahrende Touristen für Chaos sorgen
    So richtig autoritär geht es auch dann allerdings nicht zu, die Menschen auf Guernsey wissen schließlich, was zu tun ist. Und zudem ließen sie sich wohl sowieso nicht so einfach etwas sagen. Die Inselbewohner seien nämlich als "Guernsey Donkeys" bekannt, meint Constable Dennis Le Moignan.

    "Guernsey Esel - weil wir so stur sind. Wir sind hartnäckig. Doch wenn wir etwas erledigen müssen, erledigen wir es. Sehr zuverlässig. Aber wir sind stur."
    Nur auf Guernsey gibt es die Filter-Regelung für die Vorfahrt an Straßenkreuzungen.
    Auf Guernsey gibt es ganz spezielle Verkehrsregeln an Straßenkreuzungen. Dort gilt: Wer zuerst ankommt, fährt zuerst. (deutschlandradio / Klaus Martin Höfer)
    Dennis Le Moignan ist einer der beiden Constables, das sind die Chefs der 20 Douzeniers in St. Peter Port. Keiner von ihnen wird bezahlt. Nur auf Guernsey gibt es Douzeniers. Und nur auf Guernsey gibt es "Filter", das sind besondere Vorfahrtsregeln an Straßenkreuzungen: Wer zuerst kommt, darf zuerst fahren, dann die anderen. Das funktioniert, weil keiner auf sein Recht pocht und alle Auto- oder Motorradfahrer die anderen ständig im Blick haben, sich Handzeichen oder Lichtzeichen geben. Mit Chaos ist allerdings immer dann zu rechnen, wenn deutsche Touristen vom Schiff kommen und sich Fahrräder mieten. Jenny Tasker, die ebenfalls Constable in Saint Peter Port ist:
    "Es kommen Schiffe von Deutschland, und sie haben Fahrräder dabei, von Zeit zu Zeit sind es 40 oder 50 und sie machen eine Tour über die Insel, und wir müssen sie immer über die Filter sagen, sie müssen einen nach dem anderen gehen, sie müssen nicht alle zusammen."
    Doch die Menschen auf der Insel fahren vorsichtig. Unfälle, weil Touristen die "Filter"-Regel nicht kennen, gibt es selten, sagen die beiden Constables Jenny Tasker und Dennis Le Moignan.
    Mehr als Landschaftspfleger
    Die Douzeniers sind nicht nur für die Überwachung von Heckenschnitt zuständig, sondern zum Beispiel auch für die Sicherheit in den Steinbrüchen, sie haben ein Auge auf die öffentlichen Parks, sorgen dort für ansehnliche Blumen und sichere Sitzbänke. Und sie organisieren die Feiertage zur Erinnerung an das Ende der Weltkriege.
    Immer am 9. Mai wird der Jahrestag der Befreiung von der deutschen Besatzung 1945 groß gefeiert. Und es wird an die Opfer erinnert, für die am Hafen Gedenkplaketten angebracht wurden. Dass die deutsche Besatzungszeit immer noch sehr präsent ist, liegt für Constable Jenny Tasker auf der Hand.
    Fünf lange Jahre seien es gewesen - und die Kanalinseln waren die einzigen britischen Gebiete gewesen, die von den Deutschen besetzt waren.
    Jahrhunderte bevor die deutschen Besatzer von Sklavenarbeitern vor allem aus der Sowjetunion Bunker und Geschützstellungen bauen ließen, war Guernsey bereits schon einmal befestigt worden. Rund um die Insel stehen Beobachtungstürme aus der Zeit, als die Engländer Angst vor den Franzosen hatten. Den Hafeneingang von Saint Peter Port dominiert eine riesige Burg, die jetzt ein Museum ist, und jeden Mittag Punkt Zwölf wissen alle, was die Zeit geschlagen hat.
    Zwei Museumsmitarbeiter schreiten als Kanoniere verkleidet zu einer alten Kanone, stopfen Schießpulver hinein – auf eine Kanonenkugel verzichten sie. Dann wird es laut.
    Viele Ortsbezeichnungen auf Guernsey haben einen französischen Ursprung, ebenso wie viele Familiennamen. Aber sie werden in einer eigenen Weise ausgesprochen, anders als in Frankreich, und auch bereits anders als auf der Nachbarinsel Jersey.
    Tim Bush und seine Kollegen sind auch für die "douits" zuständig, wieder so ein Wort mit französischem Klang.
    "Douits, das sind kleine Wassergräben, die das Regenwasser ableiten. Sie müssen immer frei sein, und dafür sorgen die Douzeniers. "
    "Ein Douzenier macht das zusammen mit einem Constable. Wir gehen dann durch diese Gräben, und wir sind auch befugt, über das Privatgelände von Einwohnern zu gehen, um zu schauen, dass das Wasser auf deren Grundstücken einwandfrei abläuft."
    Zum Wohle der Passanten
    Douzenier Tim Bush muss jetzt erst mal in den Pub, nicht zum frühen Pint, sondern weil er einen Aufkleber loswerden will. Die Kneipenbetreiber sollen angehalten werden, ihre Toiletten auch Passanten zur Verfügung zu stellen, die ein dringendes Bedürfnis haben. Besser drinnen im Pub als draußen vor der Tür, haben sich die Douzeniers gedacht. Der Aufkleber soll darauf hinweisen, und der Wirt ist leicht zu überzeugen:
    "Wir zeigen den Leuten, dass sie sehr gerne eintreten können, um unsere Einrichtungen zu nutzen, die ja sowieso da sind."
    Und wieder einmal ist das tägliche Leben auf Guernsey, der Insel, die ihren Wohlstand mit weltweiten Finanzdienstleistungen und niedrigen Steuern erwirtschaftet, ein wenig angenehmer geworden - auch wenn es nur um Kleinigkeiten geht.