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Zu Besuch in einer Falknerei in Schottland

Wer an die Jagd in England denkt, dem fällt wahrscheinlich zuerst die Fuchsjagd ein - ein nach wie vor populärer Zeitvertreib der oberen Schichten im Vereinigten Königreich, gegen das auch die Regierung von Tony Blair in ihrer zweiten Amtszeit per Gesetz nicht anzugehen vermochte. Weiter oben, im Norden der Insel, wird allerdings nicht mit Füchsen gejagt, sondern mit Falken, die den Kaninchen und Fasanen das Leben in Wald und Flur schwer machen.

Von Guido Meyer |
    Grüne Heide, weiße Schafe, grauer Himmel - und typisch schottische Musik. So sehen sie aus, die Highlands, und so klingen sie. Wir befinden uns in der Grafschaft Perthshire, mitten im historischen Schottland. Die nächstgrößere Stadt, Edinburgh, an der britischen Ostküste gelegen, ist fast siebzig Kilometer entfernt, London schon so ungefähr acht Autostunden. Eigentlich eine romantische Idylle - wenn dieses Geschreie nicht wäre ...

    Ein bisschen komisch ist schon, weil der so viel Krach macht. Und er sieht irgendwie ein bisschen aggressiv aus. Aber ich denk'mal, das wird schon alles gutgehen.

    Ganz wohl ist der Deutschen Andrea Thiele momentan nicht, denn auf ihrem linken Arm sitzt Spey.

    Spey ist ein Harris-Falke so wie all die anderen Greifvögel auch, die wir unseren Besuchern hier anbieten. In der Falknerei Großbritanniens ist diese Spezies derzeit am beliebtesten, obwohl sie eigentlich aus Südamerika in die Alte Welt gekommen ist. Sie haben viele Vorteile, sie beißen zum Beispiel nicht und sind leicht zu handhaben. Außerdem sind sie gute Jäger, was für uns hier sehr wichtig ist. Schließlich sind sie sehr soziale Tiere, die sogar in Gruppen zusammenleben können, was für Greifvögel ungewöhnlich ist. Sie jagen manchmal auch gemeinsam, was wir hier natürlich ausnutzen.

    Jenny Nordenberg ist ein sogenannter Falknery Instructor, kennt sich also aus mit den 22 Falken, Habichten und Adlern hier in der British School of Falconery at Gleneagles, die es seit nunmehr fast zwanzig Jahren in der Grafschaft Perthshire gibt und die für Anfänger auch fünf-und-vierzig-Minuten oder gar Halb-Tages-Kurse in den Grundlagen der Falknerei anbieten.

    Wir wiegen unsere Vögel jeden Morgen, immer um die gleiche Zeit. Denn weder in der freien Wildbahn noch in Gefangenschaft fliegen Greifvögel nur so, aus Spaß. Sie bewegen sich nur, wenn sie unbedingt müssen, also wenn sie großen Hunger haben. Wenn Spey heute zu fett wäre, wenn sie auch nur zehn Gramm mehr als ihr Idealgewicht drauf hätte, würde sie einfach nur in den nächsten Baum fliegen, dort sitzen bleiben und gar nichts tun. Es würde mich dann wieder Stunden kosten, sie zum 'Runterkommen zu bewegen. Wir halten sie also immer ein bisschen gierig, aber auch nicht zu hungrig, denn dann hätten sie ja keine Energie mehr, zu Fliegen und zu Jagen.

    Doch heute ist Spey gut drauf und jagdwillig. Also, auf geht's: Leder-Handschuh anziehen, den linken Arm ausstrecken - und drauf damit mit dem Harris-Falken.

    Es macht Spaß, das zu halten. Hat ein ganz schönes Gewicht. Erstaunliches Gewicht. Nee, keine Angst. Ich hätte Angst, es würd' wegfliegen, aber das ist ja jetzt abgesichert.

    Weil Spey nämlich mit zwei Lederbändchen an seinen Füßen festgehalten wird.

    Und jetzt einfach den Ellbogen Richtung Hüfte nehmen und den Unterarm parallel zur Erde. Stellen Sie sich vor, sie hielten ein Glas Wasser und wollten nichts verschütten.

    Einen Schritt nach vorne - und jetzt ausholen und sie losfliegen lassen. Nur beim nächsten Mal bitte etwas sanfter, nicht so rasant. Das ist kein Ball, kommt der Vorwurf. Aber Übung macht ja bekanntlich den Meister; und wer hat schon zuvor in seinem Leben je einen Falken steigen lassen.

    Dann greift Jenny Nordenberg in ihre Tasche, holt ein Stück rohes Fleisch heraus und legt es auf den Handschuh, was Spey natürlich nicht entgeht - und schon kommt sie zurück und sitzt wieder auf ihrem Platz. Fast schon wie ein zahmes Haustier ...