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"Zu einer effektiven Dopingbekämpfung gehört Transparenz"

Das nationale Sportschiedsgericht hat zum ersten Mal überhaupt einen Schiedsspruch veröffentlicht - den Fall des Radprofis Patrick Sinkewitz. Im Sommer hatte das Schiedsgericht den Radprofi freigesprochen. Sein positiver Test hätte nicht für eine Verurteilung ausgereicht. Die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) kündigte an, vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS zu ziehen.

Von Thomas Kistner | 24.11.2012
    "Zu einer effektiven Dopingbekämpfung gehört Transparenz." Das schreibt Einzelrichter Erdmann der NADA im Verfahren gegen Patrik Sinkewitz ins Stammbuch. Er rügt spektakuläre Mängel im Nachweisverfahren für das Wachstumshormon hGH und ebnet dem Profi, irritiert über das Versteckspiel der NADA, sogar den Weg zum Schweizer Bundesgericht - für den Fall, dass die NADA vorm CAS erneut verheimlicht, wie sie ihre Grenzwerte ermittelt: Das Bundesgericht nehme nicht hin, wenn "fundamentale Rechtsgrundsätze" verletzt und ein Beklagter "über die verfahrensrelevanten Tatsachen" nicht informiert würde.
    Peinliche Rügen. Doch die NADA bleibt störrisch. So fordert Sinkewitz, dass seine Proben für die Neuauflage vorm Cas mit einem verbesserten hGH-Verfahren überprüft werden. Aber die NADA blockt. Warum, fragt Sinkewitz´ Anwalt Rainer Cherkeh: Ist es nicht im Sinne der NADA, wenn sie Sinkewitz` Dopingsünde mit einem neuen Verfahren klar nachweisen kann?
    Das Taktieren der NADA nährt Spekulationen. Dieses Verfahren ist das erste auf Wachstumshormon im verseuchten Radsport. Und in Sinkewitz hat der Radweltverband UCI - Zufall oder nicht - einen Nestbeschmutzer geschnappt, einen, der als Kronzeuge über die verbreitete Dopingkultur ausgepackt hatte. UCI-Boss Pat McQuaid hat ja die Kronzeugen gegen Lance Armstrong jüngst als "Drecksäcke" bezeichnet. Was, wenn jetzt Kronzeuge und Drecksack Sinkewitz fälschlich als erster HGH-Sünder der UCI beschuldigt wäre? Es wäre ein sportpolitisches Desaster. Die Kronzeugen Sinkewitz und Jörg Jaksche sind aber nicht nur bei der UCI, sondern auch bei der in Dopingfragen äußerst liberalen deutschen Sportführung in Ungnade gefallen.

    Die NADA lehnt es beim Gang vor den Cas sogar ab, das Verfahren auf Deutsch fortzuführen, obwohl alle Akten in Deutsch vorliegen. Die Kosten für Übersetzung und ausländische Anwälte treiben Sinkewitz allein in den Ruin, sagt Anwalt Cherkeh.

    Diese und andere Vorgänge wie die Erfurter UV-Affäre machen die NADA zum Gegenentwurf zu der amerikanischen Agentur USADA. Die USADA hatte gegen brutale politische Widerstände einen Indizienprozess gegen den Nationalhelden Armstrong geführt. Sie zwang nicht nur ihn in die Knie, sondern auch die UCI. Doch während nun global die Erkenntnis Raum greift, dass das Dopingproblem auf breiter Funktionärsebene abgesichert wird, duckt sich die NADA weiter brav in den Schatten ihrer Geldgeber aus Innenministerium und Sportführung. Auch ist ein Antidopinggesetz hierzulande unerwünscht. Der deutsche Sport, der ja stets ein Vorreiter des Pharmabetrugs war, entlarvt sich selbst – mit einer Antidoping-Karikatur namens NADA.