Die von Wolffsohn angepeilte Vergleichsebene ist so klar wie falsch: Er unterstellt seinen Kontrahenten antisemitische Motive, da sein Verweis auf die potentielle Legitimität der Folter darauf abzielt, die fragwürdige Praxis Israels gegenüber palästinensischen Terroristen zu rechtfertigen. Als deutschem Staatsbürger jüdischen Glaubens geht es Ihm darum, das Existenz- und Notwehrrecht des Judenstaates zu untermauern. Nichts als einen Denkanstoß, so legte Wolffsohn am vergangenen Samstag in der "Welt" nach, habe er geben wollen. Und herausgekommen sei eine "Hetzjagd", die sich gegen seine Person richte. "Das hat", so sagte der Historiker der "Welt" im Interview, "natürlich auch mit Antisemitismus zu tun."
So "natürlich" wie Wolffsohn behauptet, ist dieser Zusammenhang nicht. Es gibt etliche, die Israel jedes Recht auf Selbstverteidigung einräumen, aber auch in diesem Kampf die Menschenrechte gewahrt sehen möchten, damit der Staat der Juden nicht zu jenem Zerrbild entartet, das seine radikalen Gegner schon längst von ihm entworfen haben. Nun gut, frei nach Schiller: vom sicheren deutschen Port lässt sich’s gemächlich raten. Doch es soll auch israelische Intellektuelle geben, denen die Knochenbrechermentalität der Regierung Scharon zutiefst zuwider ist. Darüber müßte sich unter aufgeklärten Zeitgenossen streiten lassen. Ohne sich wechselseitig unter Verdacht zu stellen. Und die Berufung auf Zola, das hat Wolffsohn wohl vergessen, meint auch die Berufung auf die unverbrüchlichen Prinzipien der europäischen Aufklärung. Daran darf es auch unter der Bedrohung durch islamische Terroristen keine Abstriche geben - jedenfalls dann, wenn das, was wir verteidigen wollen, auch verteidigenswert bleiben soll. Ansonsten aber lahmt der Vergleich mit dem Streit um Dreyfus auf allen Beinen: Könnte es sein, dass der Historiker Michael Wolffsohn sich da im Kostümverleih eine etwas zu weite Verkleidung ausgeborgt hat? Es wäre sicherlich ein Akt der Größe, wenn Professor Wolffsohn zugeben könnte, dass er sich ganz einfach auf dem Medienparcours vergaloppiert hat. Also zurück vom angemaßten und falsch verstandenen "J’accuse" – und hin zum methodischen Zweifel des René Descartes.