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Zu Guttenbergs Kennedy-Faktor

Manche bezeichnen ihn als Popstar der Politik, andere schelten ihn dafür. Die einen loben sein Arbeitsethos, die anderen werfen ihm politische "Flexibilität" vor. In den USA hat Karl-Theodor zu Guttenberg es vermocht, ähnlich präsent zu sein - durch altmodische Beziehungspflege.

Von Katja Ridderbusch |
    "... It's good to see so many friends here, and thank you all for coming, and I hope that we find some time to discuss afterward and also exchange a couple of views informally. And it won't be the last time; for the next weeks and months and probably, hopefully, years to come I'll have the opportunity to travel a bit more often."

    Er freue sich, so viele Freunde zu sehen, und er hoffe auf einen interessanten Ideenaustausch. Das sagte Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vor einiger Zeit bei einem Vortrag am Center for Strategic and International Studies in der US-Hauptstadt Washington.
    Ähnliche Worte wird zu Guttenberg wohl auch morgen wählen, wenn er bei der Münchner Sicherheitskonferenz seine Freunde aus aller Welt, und vor allem aus den USA begrüßt. Auf der internationalen Bühne darf der Minister den Unbill an der Heimatfront, die Affären und die Gorch Fock, Waffenspiele und Feldpost für ein paar Stunden hinter sich lassen, und auf internationalem Parkett spottet auch niemand über sein bröckelndes Image als Glamour-Boy der deutschen Politik.
    Im Gegenteil: In der schmissigen Welt der globalen Sicherheitsstrategen zählen andere Qualitäten.

    "Ich persönlich bin tief beeindruckt von seiner Ernsthaftigkeit und von dem Interesse, das er für die Zukunft der NATO und die transatlantischen Beziehungen zeigt. Sein Ruf in den USA ist sehr stark und positiv."
    ... sagt Nicholas Burns, früher NATO-Botschafter der USA in Brüssel und heute Professor an der Harvard University. Tatsächlich betreibt der deutsche Verteidigungsminister seit er Bundestagsabgeordneter der CSU ist – also seit 2002 – eine sorgsame Netzwerkpflege beim amerikanischen Bündnispartner, sucht stets auch den direkten, persönlichen Kontakt zu Kongressabgeordneten und Experten in Washington.
    Das sei höchst ungewöhnlich für einen deutschen Politiker, meint der konservative amerikanische Vordenker John Hulsman:

    "Ich kenne keinen anderen Politiker seiner Generation, der so gut vernetzt ist."

    Thomas Kleine-Brockhoff beobachtet zu Guttenbergs amerikanische Aktivitäten seit vielen Jahren, zunächst als Washington-Korrespondent der "Zeit", heute als Mitarbeiter des German-Marshall-Fund, einem Thinktank in der US-Hauptstadt. Für zu Guttenberg, sagt er, habe die Netzwerkpflege stets eine hohe Priorität gehabt.

    "Er hat sie von Anfang an ernst genommen und ausgebaut. Damit ist er eigentlich alleine unter deutschen Politikern, hat sich damit aber ein Gewicht in Washington geschaffen, das andere Politiker nicht haben, die so jung sind wie er."

    Politisches Networking – eine Generationenfrage also? Nicht unbedingt, sagt Kleine-Brockhoff. In den Tagen des Kalten Krieges nämlich sei transatlantische Politik häufig nur über enge persönliche Kontakte gelaufen; Netzwerke, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs immer loser wurden.

    "Und insofern knüpft Karl-Theodor zu Guttenberg an eine gute Tradition an."

    Zu Guttenberg ist, trotz der jüngsten Skandale, Deutschlands beliebtester Politiker. Er gilt als klug, gebildet, smart - und äußerst ehrgeizig. So ehrgeizig, dass er vielleicht schon als Netzwerk-knüpfender Abgeordneter zielgenau Kurs auf das Amt des Verteidigungsministers nahm?
    Ganz so krass mag es Bill Delahunt nicht formulieren. Der demokratische Kongressabgeordnete war ein Weggefährte des verstorbenen Senators Ted Kennedy - und kennt zu Guttenberg seit fast einem Jahrzehnt:

    "Ich würde ihn eher als jemanden sehen, der sehr konzentriert am transatlantischen Verhältnis arbeitet. Der will, dass seine Stimme gehört wird und der einen wichtigen Beitrag zum Dialog zwischen den USA und Deutschland leistet."

    Zu Guttenbergs amerikanische Gesprächspartner - von erzkonservativen Republikanern bis zu linksliberalen Demokraten – schätzen an dem Deutschen, dass er häufig auch jenseits von Parteilinien operiert.
    Zum Beispiel in einer transatlantischen Arbeitsgruppe zu einer Zeit, als das deutsch-amerikanische Verhältnis wegen des Irak-Krieges in einer tiefen Krise steckte. Der ehemalige NATO-Botschafter Nick Burns erinnert sich:

    "Vor allem in politisch harten Zeiten ist es wichtig, dass die Kommunikationskanäle offen gehalten werden. Herr zu Guttenberg war jemand, der das immer getan hat."

    Der Medienhype um den "Bundessuperstar" – so nannte der "Spiegel" kürzlich zu Guttenberg - ist freilich nicht bis an die Ufer des Potomac River geschwappt. Thomas Kleine-Brockhoff:
    "Also, dieser Hype wird per Echo wahrgenommen aus der deutschen politischen Landschaft; man schmunzelt auch ein bisschen darüber. Karl-Theodor zu Guttenberg ist hier keine Figur für Titelseiten (..), sondern ein ernst zu nehmender Politiker aus Europa."

    Vor allem aber, sagt der Politikberater John Hulsman, sei der deutsche Verteidigungsminister ein harter Arbeiter mit großem Wissensdurst:

    "Von seinem Image als politischer Popstar einmal ganz abgesehen bewundere ich an Karl-Theodor besonders seine klaren Positionen, sein gutes, altmodisches Arbeitsethos, seine tiefe Kenntnis der politischen Szene in den USA und besonders seine Kontakte."

    Ein bisschen verstehen können einige Amerikaner die Begeisterung für den deutschen Star-Minister dann aber offenbar doch. Der Demokrat Bill Delahunt jedenfalls scheut nicht vor großen Vergleichen:

    "Er hat eine wundervolle Frau und eine erfolgreiche Karriere. Er hat viele der Qualitäten, die die Menschen in Präsident Kennedy gesehen haben. Ich bin sicher, Minister zu Guttenberg hat noch eine große Zukunft in Deutschland vor sich."

    Der so Gepriesene mag die Worte seiner amerikanischen Freunde genießen, so lange es geht. Denn spätestens ab Montag wartet auf den Freiherrn wieder der graue Berliner Alltagsbetrieb.