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Zu viele Schlösser, zu wenig Geld. Das Beispiel Sachsen

Das Renaissance-Schloss Cunnersdorf im Landkreis Riesa-Großenhain, unweit von Meissen, hat schon deutlich bessere Zeiten gesehen. Von weitem liegt es noch recht anmutig direkt an einem kleinen Flüsschen, umgeben von einem einst hübschen alten Schlosspark. Doch auf den zweiten Blick wird deutlich, dass hier nicht viel zu retten ist.

Von Alexandra Gerlach |
    "Ja, wir stehen hier am Ufer der Röder, die etwas aufgestaut ist, und die sich durch den Schlosspark windet, der jetzt wunderschön blüht, mit weißen Buschwindröschen, aber, wenn man auf das Schloß schaut, sieht man, dass die rückwärtige Giebelfront schon zu etwa einem drittel eingestürzt ist. Es sind ganz riesige Flächen aus der Fassade herausgestürzt und es ist ein Wunder, dass überhaupt der Rest noch steht."

    Matthias Donath ist Kunsthistoriker. Seit Jahren interessiert er sich zudem für alte Gemäuer in Sachsen, vor allem für Schlösser und Herrensitze. Vier Bücher hat er über sie geschrieben - mit Herzblut - denn er sieht mittelfristig 160 der noch existierenden 600 historischen Landsitze in akuter Gefahr.
    Er will aufmerksam machen:

    " Hier gibt es ganz viele wertvolle, historische Gebäude, es gibt aber kaum jemanden, der sich für den Erhalt dieser Schlösser einsetzt. "

    Neben Schlesien hatte Sachsen 1945 die höchste Dichte an Schlössern und Herrenhäusern. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Besitzer vertrieben und entschädigungslos enteignet, im Rahmen der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone zwischen 1945 und 49. Danach wurden von den damals rund 800 Herrensitzen 200 gesprengt oder abgerissen. Den Rest nutzte man als Wohnraum für die zahllosen Flüchtlinge genutzt oder für soziale Einrichtungen wie
    Kindergärten, Schulen und Altenheime.

    Aus heutiger Sicht der Landesdenkmalpflege war diese Belegung zwar nicht optimal für die Gebäude, wie Landeskonservatorin Rosemarie Pohlack zugibt, aber:
    "Dadurch waren diese Schlösser genutzt, dass diese Nutzung den Häusern nicht entsprochen hat, steht auf einem anderen Blatt, aber immerhin waren sie in Obhut. "

    Nach der Wende wurde schnell entschieden, die Schlösser nicht an ihre alten Eigentümer zurückzugeben. Aus heutiger Sicht ein Fehler:

    "Die ersten Träume, dass man sie auch gut verkaufen könnte, privat verkaufen konnte, die Anfang der 90-iger Jahre noch ganz positiv aussahen, haben sich oft als große Luftnummer oder Wunschtraum, der nicht in Erfüllung ging, herausgestellt."

    Im Fall des jetzt zusammenfallenden Renaissanceschlosses von Cunnersdorf klingt die Nachwende-Geschichte besonders absurd. Dieses wurde restituiert und dann von seinem betagten Alteigentümer verkauft. Der neue Investor ging pleite, nahm aber vorher noch das Dach herunter, weil er mit umfangreichen Bauarbeiten beginnen wollte. Schutzlos blieb das Haus stehen, die Gemeinde sah sich gezwungen eine Notsicherungsmaßnahme auf eigene Kosten vorzunehmen. Es folgte der zweite Verkauf, von dem der neue Käufer bald zurücktreten wollte. Doch dann wurde er höchstrichterlich verpflichtet das Schloß zu behalten. Seitdem lässt er das Haus vergammeln, und der Denkmalschutz schaut ohnmächtig zu. Schlösserexperte Matthias Donath ist wütend:

    "Die staatliche Denkmalpflege kann nur sehr wenig für die Bauten tun, das liegt daran, dass die Denkmalbehörden nur eingreifen können, wenn ein Bauherr bauen möchte, wenn er investieren möchte, wenn er verändern möchte. Wenn aber Gebäude leer stehen, wenn es gar keine Bauherren gibt, wenn niemand investiert, dann hat die staatliche Denkmalpflege auch gar keine Eingriffsmöglichkeiten."
    Auch die Landeskonservatorin schüttelt bedauernd den Kopf und zitiert drei Paragraphen, die das Spannungsgeflecht von Eigentum und Denkmalschutz deutlich machen. Und je mehr die Bevölkerung schrumpfe, um so schlimmer werde die Lage, klagt sie. Immer weniger Menschen seien bereit, sich angesichts des Überangebotes auf dem Wohnungsmarkt um die anstrengende und kostspielige Sanierung alter Bausubstanz zu kümmern.

    Anders ist die Lage in Schloß Lauterbach, nur wenige Kilometer von Cunnersdorf entfernt. Noch sieht die Fassade des kleinen schmucken an einem Teich gelegenen Barockgebäudes erbärmlich aus, aber immerhin, das Baugerüst steht. Nach dem Krieg war hier bis 1983 die Dorfschule untergebracht, danach stand es fast 25 Jahre leer. Seit einem Jahr wird hier saniert, durch einen Förderverein, dessen zweiter Vorsitzender Gerd Joachim Werner ist:

    "Viele unserer Vereinsmitglieder haben hier die Schule besucht, haben hier die Schulbank gedrückt, die sind mit dem Haus also recht vertraut und im Grunde sanieren sie hier ihre kindliche und jugendliche Vergangenheit, ja, kann man so sagen. "

    Wieviel die Sanierung letztendlich kosten wird, ist noch unklar, derzeit werden rund 250.000 Euro aus öffentlichen Mitteln und Spenden verbaut. Im Gegensatz zu Cunnersdorf redet der Denkmalschutz hier kräftig mit:

    "Wir haben hier manchmal mehr mit ihm zu tun, als uns lieb ist, weil der Denkmalschutz natürlich auch ziemlich enge Rahmen setzt, in denen man sich dann bewegen muss und das ist manchmal auch sehr erklärungsbedürftig."

    Schloss Lauterbach wird eine Zukunft haben, soviel scheint sicher. Aus Sicht der sächsischen Landeskonservatorin, Rosemarie Pohlack ist diese Art des ehrenamtlichen Bürger-Engagements modellhaft für die Rettung der gefährdeten Denkmäler:

    "Dass man die Menschen mit dem was sie haben bindet, verwurzelt, dass sie das Ganze lieben. Was man liebt, pflegt man auch, und das verlässt man auch nicht so leicht. "

    Doch für viele historische Landsitze in Sachsen wird es keine Rettung geben, darin ist sich der promovierte Bauforscher und Schlösserexperte Matthias Donath sicher. Sein Fazit lautet:

    "Mit den Schlössern, die in den Dörfern und Kleinstädten verschwinden, verschwindet auch ein Stück Lebenskultur und mit jedem Schloss was abgerissen wird, was verloren geht, geht auch ein Stück Heimat verloren."