Freitag, 19. April 2024

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Zu zweit allein

Als Lotte Lenya und Kurt Weill sich 1924 begegneten und sich sofort ineinander verliebten, war das der Beginn einer turbulenten Beziehung eines denkbar ungleichen Paares. Er, der hochgebildete, aufstrebende Komponist aus einer jüdisch-deutschen Kantorenfamilie, angetreten, die Oper zu erneuern, und sie, die Tänzerin und Schauspielerin, in Wien in ärmlichsten Verhältnissen mit einem prügelnden Vater aufgewachsen.

Von Beate Bartlewski | 10.08.2013
    Weill war von ihrer Stimme fasziniert und schrieb ihr Rollen auf den Leib. Das war ihr nicht genug. "Aber Liebling, Du kommst doch direkt nach meiner Musik", entgegnete er ihr ahnungslos. Für ihn eine Liebeserklärung, für sie zu wenig, um die in ihrer Kindheit erlittenen Defizite auszugleichen.

    Sie stürzte sich in zahlreiche Affären. Aber trotz wiederholter Trennungen auf ihren Stationen von Berlin über Frankreich nach Amerika, riss das Band zwischen beiden nie ab, denn sie brauchten einander elementar. Sie war für ihn Lebenselixier und er für sie der liebende Vater, den sie nie hatte. Als Weill auf dem Höhepunkt seiner Karriere mit nur 50 Jahren starb, war Lenya am Boden zerstört.

    Einzig der Gedanke, für seine Musik zu kämpfen, hielt sie am Leben. So kam es zur Weill-Renaissance in Europa, und Amerika lernte erst durch sie den europäischen Weill kennen. Paradoxerweise machte die Musik ihres Mannes, die für sie zu seinen Lebzeiten eine unüberwindliche Konkurrenz darstellte, Lotte Lenya nach seinem Tod zur eigenständigen Künstlerin.


    Lotte Lenya: "Eines Tages stieß Révy auf eine Zeitungsannonce, in der man "junge Tänzer, Sänger" für das Ballett die "Zaubernacht" eines jungen Komponisten namens Kurt Weill suchte. Révy begleitete mich, denn auch er suchte Arbeit. Ich kam also zum Vorsingen und sah dort all die Bühnenmütter mit ihren Kindern. Kleine, Größere und so weiter. Es war einfach schrecklich. "Ich denke, sie verlangen nach dir." Ich hörte nicht, wie sie mich aufriefen, denn ich war den neuen Namen, Lotte Lenya, noch nicht gewöhnt. Karoline Blamauer erschien mir zu lang für eine Bühnenkarriere. Dann gab mir der Produzent, ein Russe namens Boritsch, das Startzeichen. Ich muss völlig verloren gewirkt haben, bis ich aus dem Orchestergraben eine sanfte Stimme vernahm, die fragte: "Was soll ich für Sie spielen, Fräulein Lenya?" Boritsch drehte sich um und erläuterte: Oh, das ist Herr Weill, unser Komponist." Ich sah ihn kaum, er war halb unter dem Vorsprung des Orchestergrabens verborgen. Ich fragte ihn, ob er "An der schönen blauen Donau" spielen könnte. In leicht amüsiertem Ton erwiderte er: "Ich denke schon." Sobald ich zu dieser Melodie, die ich praktisch seit meiner Geburt gehört hatte, zu tanzen begann, waren alle meine Ängste verflogen. Nach einigen Minuten sagte der Produzent "Das reicht!" - mir erschien das zu kurz. Er fragte mich, was ich sonst noch zeigen könnte, und ich imitierte einen seiltanzenden Clown und sang, diesmal ohne musikalische Begleitung, das Lied einer Straßensängerin. Noch immer hatte ich den Komponisten nicht gesehen und würde ihm erst ein Jahr später, unter ganz anderen Bedingungen, wieder begegnen."

    Jens Rosteck
    Zwei auf einer Insel
    Lotte Lenya und Kurt Weill
    2005 Suhrkamp
    Da war sofort diese geradezu magnetische Anziehungskraft, als sie sich bei einer Kahnfahrt zum Haus des Dramatikers Georg Kaiser 1924 erstmals begegneten: Lotte Lenya (1898-1981), die Arme-Leute-Tochter aus Wien, die sich mit Gelegenheitsjobs und kleinen Bühnenrollen über Wasser hielt. Und Kurt Weill (1900-1950), aus jüdisch-bürgerlichem Elternhaus in Dessau stammend, früh musikalisch gefördert und schon in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts als engagierter Wegbereiter moderner Musik gefeiert. "Famos recherchiert, in gewandtem, schönem Erzählton" (Die Zeit) verknüpft Jens Rosteck das Arbeits- und Liebesleben zweier außergewöhnlicher Künstler.

    Kurt Weill: "Linnerl, es ist wahr: Sie brauchen einen Menschen, der Ihnen gehört, denn da muss einer sein, bei dem Sie nicht lügen sollen. Auch das ist wahr: dass ich es sein muss. Aber womit werden Sie dann antworten? Bei mir wäre dieser Schritt nicht möglich ohne einen starken Einsatz dessen, was Sie achselzuckend Gefühl nennen, und woran Sie so gern glauben, weil Sie es nicht kennen. Muschelchen, heute erst schenke ich Dir: mich; Du darfst das Geschenk ruhig annehmen, es wird Dir nur gutes bringen. Laß mich Dein "Lustknabe" sein, das ist mehr als ein Freund-und weniger als ein Gatte. Ich bin für Dich auf der Welt-das ist zu selbstverständlich, als dass es Dich zu irgendetwas verpflichten könnte. Du wirst es jetzt spüren. Gib mir nur ein kleines Zeichen, dass Du das Geschenk annimmst. Bitte. Laß uns froh sein. Muschi, süßes, und was ich Dir sagen möchte, war dies: das ich nichts sehnlicher wünsche, als zu Dir unendlich gut sein zu dürfen. Ich weiß, dass das Häßliche aus Deinem Leben verschwinden muss, damit Du wieder glauben kannst, dass es nur durch eine sehr gütige Hand weggewischt werden kann. Ich weiß auch, dass niemand so wie ich das besitzt, was Du ersehnst, weil tausend Jahrzehnte und 25 Jahre an mir geschaffen haben. Ich möchte das, was ich bin, an Dich verschwenden. Denn ich habe nichts. Ist es Liebe? Ist es Güte? Ich weiß es nicht. Aber Du sollst es nehmen, mit beiden Händen. Es ist kein Geschenk von mir, denn es lebt nur für Dich; aber es könnte Dein Geschenk an die Menschen werden. Es ist ja unabhängig von Raum, Zeit , Körper. Du mußt nur wissen und fest glauben, dass es da ist-dann besitzt Du es schon. Willst Du?
    "


    Ihre Stimme, seine Heimat

    Zeit.de: Lotte Lenya und Kurt Weill

    The Kurt Weill Foundation für Music - über Lotte Lenya (englisch)

    New York Times: Speaking Love With Kurt and Lotte


    Büchermarkt 3.1.1999: Sprich leise, wenn du Liebe sagst - Der Briefwechsel Kurt Weill / Lotte Lenya

    Lenya: "Weill war sehr klein, unglaublich schüchtern, mit einem merkwürdig kindlichen Lächeln und einem kalten Blick voller Ironie. Sein Bruder Hans kam nach der mütterlichen Linie, doch Kurt, Ruth und Nathan ähnelten mehr dem Vater: hohe Wangenknochen, braune Augen, gewelltes dunkelbraunes Haar, feingliedrige Handgelenke und Fesseln, insgesamt anfällig wirkend, obwohl sie alle sehr gesund waren. Väterlicherseits hatten sie hohen Blutdruck geerbt. Kurt hatte bemerkenswerte Ohren: klein, eng anliegend, wohlgeformt, rund wie Muscheln, ohne Ohrläppchen und berührungsempfindlich - besonders haßte er es, wenn ein Friseur sie berührte. Sehr zarte, schlanke Hände, nach außen hin schmaler werdende Finger, markante Handlinien. Genau einsneunundfünfzig groß, Schuhgröße 41/42, breiter Brustkorb (wohl zum Teil durch Schwimmen erworben), schmale Hüften, kräftiges Kinn, großer, angenehm sinnlicher Mund, wie Charles Boyer. Schmale, gerade Nase, markante Augenbrauen, perfekte Zähne, dominierende hohe Stirn. Sprach mit sanfter Stimme, leicht spöttelnd, weshalb ihn die Leute oftmals für arrogant und sarkastisch hielten. Wußte stets, was er sagen wollte und wie. Im Zorn wurde seine Stimme nahezu unhörbar, kalt und direkt, messerscharf. Offen für rein professionelle Kritik. Er konnte lustig und humorvoll, ironisch und satirisch sein, jedoch nicht bösartig. Er schlief mit offenen Händen und leicht eingerollten Daumen, die Hände auf Schulterhöhe - von der Kindheit bis zum Lebensende. Stets penibel und adrett, wie die gesamte Familie, sehr eigen mit seiner Kleidung, mochte nicht, dass andere etwas, was er besaß, berührten, konnte Knitter und Flecken nicht ausstehen. Liebte einfarbige Krawatten, Socken und Pullover. Begeisterte sich für amerikanische Freizeitkleidung und Lederjacken. Liebte Spaziergänge und schwamm gerne. Verabscheute Gewalt in jeder Form, sah jedoch gern Joe Louis, er mochte dessen pirschende Bewegungsweise. Beim Gehen pflegte er sich unvermittelt die Hosen mit den Unterarmen hochzuziehen. In Gedanken versunken, rieb er sich mit dem rechten Zeigefinger über den Nasenflügel. Einige Leute hielten Kurt für arrogant, doch das war er überhaupt nicht. Er war einfach furchtbar schüchtern, und diese Schüchternheit hielt die Menschen wie eine Mauer von ihm ab. Niemand kannte Kurt Weill wirklich. Bisweilen frage ich mich, ob ich ihn überhaupt kannte. Ich war 24 Jahre mit ihm verheiratet, und wir lebten zwei Jahre unverheiratet zusammen; insgesamt also 26 Jahre. Als er starb, betrachtete ich ihn und war mir nicht sicher, ob ich ihn wirklich kannte. "

    Weill: "Sie ist ein miserable Hausfrau, aber eine sehr gute Schauspielerin. Sie kann keine Noten lesen, aber wenn sie singt, dann hören die Leute zu wie bei Caruso. (Übrigens kann mir jeder Komponist leid tun, dessen Frau Noten lesen kann.) Sie kümmert sich nicht um meine Arbeit. (Das ist einer ihrer größten Vorzüge.) Aber sie wäre sehr böse, wenn ich mich nicht für ihre Arbeit interessieren würde. Sie hat stets einige Freunde, was sie damit begründet, dass sie sich mit Frauen so schlecht verträgt. (Vielleicht verträgt sie sich aber auch mit Frauen darum so schlecht, weil sie stets einige Freunde hat.) Sie hat mich geheiratet, weil sie gern das Gruseln lernen wollte, und sie behauptet, dieser Wunsch sei ihr in ausreichendem Maße in Erfüllung gegangen. Meine Frau heißt Lotte Lenja."

    The Kurt Weill Foundation für Music (englisch)

    DHM: Tabellarischer Lebenslauf von Kurt Weill

    In den 1990er-Jahren wurde das Kurt-Weill-Zentrum in Dessau gegründet. Es handelt sich dabei um die einzige europäische Dokumentations- und Informationsstelle über Leben und Werk des in Dessau geborenen Komponisten. Das Kurt-Weill-Zentrum befindet sich in dem 1925/26 nach Plänen von Walter Gropius erbauten "Meisterhaus Feininger", in dem der Bauhausmeister Lyonel Feininger zwischen 1925 und 1932 lebte. Das einzigartige Gebäude zählt zum UNESCO Welterbe. Das Kurt-Weill-Zentrum steht jedem interessierten Besucher offen und informiert in einer Dauerausstellung über Leben und Werk Kurt Weills.
    Kurt-Weill-Zentrum
    Ebertallee 63
    D-06846 Dessau
    Tel.: 0340 - 619595
    kurt-weill.de

    Jürgen Schebera
    Kurt Weill
    2000 Rowohlt TB.

    David Farneth, Elmar Juchem, Dave Stein
    Kurt Weill
    Ein Leben in Bildern und Dokumenten.
    2000 Ullstein Berlin
    Kurt Weill gilt als einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. 1900 in Dessau in eine der ältesten jüdischen Familien Deutschlands hineingeboren, schuf er zusammen mit Bertolt Brecht die Klassiker "Dreigroschenoper" und "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny". 1933 floh der Komponist mit seiner Ehefrau, der Sängerin und Schauspielerin Lotte Lenya, nach Paris, später nach New York, wo er sich dem Broadway-Musical zuwendete. Eine Text- und Bild-Biografie für Weill-Liebhaber, Brecht-Leser und Musikfreunde.

    David Farneth
    Lotte Lenya
    Die große Autobiografie in Bildern
    Ullmann Publishing (1999)
    Sie "hatte Appetit aufs Leben und auf die Liebe" (Literaturhaus.at), sie war die Seeräuber-Jenny, die Mutter Courage. Sie verschickte mit James Bond "Liebesgrüße aus Moskau", Hollywood ehrte sie mit einem Oscar. Ihr "Mackie-Messer-Song" ist ein Klassiker. Lotte Lenya wurde als Karoline Blamauer in Wien geboren, ging nach Berlin und wurde mit ihrem unverwechselbaren Timbre ("eine Oktave unter der Kehlkopfentzündung", L. L.) zur Muse von Kurt Weill: "Sie kann keine Noten lesen, aber wenn sie singt, dann hören die Leute zu wie bei Caruso." Er schrieb ihr seine Songs quasi direkt in die Kehle. Sie ließ sich von ihm heiraten und wieder scheiden, entkam den Nazis und eroberte Hollywood.

    hoppla!
    6 Audio-CDs
    Die Weill-Lenya Biographie. 500 Min.
    Ein Original-Hörbuch v. Jürger Schebera
    2006 Bear Family Records

    Ohne Dich macht mir überhaupt nichts mehr Spaß
    Lotte Lenya - Kurt Weill
    gelesen von Helene Grass und Gerd Wameling
    zusammengestellt von Anna Hartwich
    musikalische Begleitung: Adam Benzwi
    Live-Aufnahme aus dem Berliner Renaissance-Theater
    2 CDs, Digipak mit Booklet
    Spieldauer: 110 Min.
    Sie sind eines der faszinierendsten Paare der Musikgeschichte: Kurt Weill (1900-1950), weltbekannter Komponist und Schöpfer der "Dreigroschenoper", und Lotte Lenya (1898-1981), unvergessene Sängerin und Schauspielerin. Sie treffen sich 1924 in Berlin, und es ist Liebe auf den ersten Blick. Die beiden heiraten, und ihre Ehe dauert, unterbrochen durch eine Scheidung und Wiederheirat, bis zu Weills Tod 1950 in Amerika. Ihre Briefe - eine Korrespondenz voller Poesie und Schnoddrigkeit, Klatsch, Alltagsärger, erotischer Anspielungen und künstlerischer Reflexion - erzählen von ihrer Liebe, von der Kulturwelt der Weimarer Republik und vom Berlin der "goldenen Zwanziger", von Reaktionen auf Weltereignisse und vom Leben im Exil.
    Der Briefwechsel - in den wichtigsten Metropolen und unbekanntesten Winkeln der Welt verfasst - hat seine Idealbesetzung gefunden: Helene Grass interpretiert den Part der Lotte Lenya - im Gesang wie auch im Vortrag - mit ebenso betörender wie energischer Stimme und bringt die Zuhörer mit Lenyas Sätzen wie "tu Dein Glätzchen nicht zu sehr in die Sonne, sonst wirst Du doof" zum Lachen. - " ... und nun bist Du schon zum zweiten Mal ein Weillchen. Du musst eben alles doppelt haben, Du Ameisenblume", entgegnet Gerd Wameling und trifft genau den passenden ironischen Tonfall für die Mischung aus ernsthafter Reportage und kindlich-liebevollem Sprachspiel.

    Lotte Lenya
    11 Audio-CDs
    Buch u. Bildschallplatte
    Text dtsch.-engl. Bildschallplatte: Reprod. der bei der Berliner Premiere 1931 verkauften Schallplatte zu 'Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny'. 760 Min.
    1998 Bear Family Records

    Brandauer inszeniert
    Die Dreigroschenoper von Brecht & Weill
    Originalausgabe. Hrsg. v. Joachim Lucchesi u. a.
    2006 Suhrkamp
    Am 11. August 2006 feierte Berlin eine Premiere der besonderen Art: die legendäre Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Kurt Weill, inszeniert von Klaus Maria Brandauer im Admiralspalast. Campino spielt den Mackie Messer, Gottfried John und Katrin Saß sind Herr und Frau Peachum. Das opulent bebilderte Begleitbuch enthält alles, was man als Besucher wissen will, und ist doch weit mehr als ein Programmbegleiter: Vielstimmig, fundiert und kurzweilig dokumentiert es das spektakuläre Bühnenereignis, aber auch die Begeisterung des Ensembles. Geschichte und Mythos von Brechts größtem Publikumserfolg werden dargestellt, Brandauer spricht mit Barbara Brecht-Schall, Campino schreibt Tagebuch über seine Annäherung an die Figur des Mackie Messer, zahlreiche Fotos und Beiträge von Mitgliedern des Ensembles führen hinter die Kulissen der Inszenierung - und holen die Bühne ins Buch.


    Tania Schlie, Katrin Traore
    Liebesdinge
    2007 Hoffmann und Campe
    Wie haben berühmte Liebespaare sich kennengelernt? In einem Boot auf einem einsamen See wie Lotte Lenya und Kurt Weill oder in einem Flugzeug kurz vor dem Absturz wie Consuelo und Antoine de Saint-Exupéry? Auf welche zärtlichen, verrückten und gefährlichen Ideen sind Liebende gekommen, um die Auserwählte, den Geliebten zu erobern? Liebe ist das unendliche Glück, jemanden zum Umarmen zu haben. Liebe macht uns zu besseren Menschen, ihr Verlust stürzt in tiefste Verzweiflung und lässt einige sogar zu Verbrechern werden. Liebe ist ein funkelnder Schatz, der das Leben erstrahlen lässt.


    Auszug aus dem Manuskript:
    Kurt Weills Tod stürzte Lotte Lenya in ein tiefes schwarzes Loch. Sie wurde von Trauer und Schuldgefühlen überwältigt. Sie wollte einfach nicht mehr leben. Jahrelang hatten beide in einer symbiotischen Beziehung gelebt. Für Weill war Lenya Lebenselexier, durch sie fühlte er sich lebendig, und sie hatte in ihm endlich den liebenden Vater gefunden, den sie nie hatte. Bei ihm durfte sie die Kind-Frau sein, das kleine Mädchen, launisch, anschmiegsam und kapriziös. Alle Sorgen, egal welcher Art, hatte er von ihr ferngehalten. Was sie darüber hinaus vermissten, hatten sie sich in anderen Beziehungen geholt. Und nun musste sie nicht nur ohne emotionale Stütze auskommen, sondern zum ersten Mal musste sie sich auch mit äußerst komplizierten geschäflichen Dingen auseinandersetzen. Aber Lenya wäre nicht Lenya, hätte sie sich nicht irgendwann aus dem Tal der Tränen aufgerappelt.

    Lenya: "Fünf Wochen sind nun vergangen seit Kurt starb und ich bin noch keinen Schritt weiter gekommen. Das einzige was mich hier zurückhält ist seine Musik und der einzige Wunsch, den ich habe, alles was ich in den letzten 25 Jahren durch ihn gelernt habe, diese Musik zu verteidigen, sie am Leben zu erhalten, was immer in meiner Macht steht alles dafür zu tun. Wirklich wenige wissen von seiner Bedeutung, besonders hier, wo man ja nur einen Teil seiner Werke kennt. Und ich glaube, darin werde ich meine Lebensaufgabe finden, diese Musik bekannt zu machen. Alles ist noch sehr verschwommen und ich weiß noch gar nicht wo anzufangen. Aber das ist der einzige Gedanke der klar aus meinem verworrenen Selbst immer wieder auftaucht; seine Musik - überlasse es niemand, niemand soll in seinen Werken herumwühlen. Das ist das einzige, was mich am Leben erhält.
    "

    Ungefähr sechs Wochen nach Weills Tod traf Lenya George Davis wieder, den sie schon in den 30er-Jahren zur Zeit ihres Nachtclubengagements in New York kennengelernt hatte. George Davis war ein hochbegabter Literat, der nicht nur Chefredakteur der Modezeitschriften "Mademoiselle" und "Flair" gewesen war, sondern auch Entdecker und Verleger von so hochkarätigen Schriftstellern wie Carson McCullers und Truman Capote. Zu der Zeit ihrer Wiederbegegnung hatte er allerdings weder Arbeit noch Geld. Und das war auf seine notorische Unzuverlässigkeit zurückzuführen. Abgesehen davon war er homosexuell veranlagt, und er lebte seine sado-masochistischen Neigungen auf eine gefährliche Art und Weise aus: immer wieder landete er halb tot geprügelt im Krankenhaus. George Davis war es, der Lenya aus ihrer tiefen Apathie holte und ihre Lebensgeister weckte. Er wurde ihr ständiger Begleiter. Beide verband die Liebe zu Kurt Weills Musik und diese Liebe war wohl das stärkste Band, das beide einte. Davis hatte in Europa studiert, und er kannte somit auch Weills europäische Werke. Er besaß ein großes Organisationstalent und er wußte was zu tun war, um Weills europäische Musik in Amerika bekannt zu machen.

    Lenya: "George half mir aus der tiefen, tiefen Depression heraus, in der ich steckte. Er überzeugte mich, dass ich im Theater immer noch einen Platz hatte und dass ich für den Namen Kurt Weill nur etwas tun konnte, indem ich mir einen eigenen Namen machte."

    Hörbuch:

    Die Entstehungsgeschichte der Dreigroschenoper
    Hörcollage von Peter Eckhart Reichel
    Inkl. Originalaufnahmen (Barbara-Song, Eifersuchtsduett, Moritat und Schlusschoral – Titel mit Lotte Lenya)
    Mit Judy Winter, Friedrich Schoenfelder, Sylvester Groth u.a.

    Erschienen bei duo-phon records / Edition Berliner Musenkinder Hörbuch
    Bestellnr.: 07 02 3

    Musikliste:

    1
    YOUKALI TANGO
    The Armadillo String Quartet
    K: Kurt Weill
    B: Barry Socher
    0485
    A&M Records Bestell-Nr. 395 104-2
    "Lost in the Stars/The Music of Kurt Weill"
    track 008 7'27"

    2
    BARBARA-SONG
    Lotte Lenya
    K: Kurt Weill
    5197
    Bear Family Records Bestell-Nr. BCD 16019 KL
    "The Ultimate Lotte Lenya"
    CD1/track 011 0'34"

    3
    LIEBEN
    Gianluigi Trovesi/Gianni Coscia
    K: Kurt Weill
    B: Coscia/Trovesi
    02516
    ECM Records Bestell-Nr. ECM 1907
    "Round About Weill"
    track 008 0'39"

    4
    MIT DER HAND ÜBERN ALEXANDERPLATZ
    Paul Graetz
    K: Friedrich Hollaender
    T: Walter Mehring
    05197
    Bear Family Records Bestell-Nr. BCD 16009/ 1-2
    1'35"
    5
    INTRO FROM MAHAGONNY SONGSPIEL
    Steve Weisberg
    K: Kurt Weill
    B: Steve Weisberg
    0485
    A&M Records Bestell-Nr. 395 104-2
    "Lost in the Stars/The Music of Kurt Weill"
    track 001 0'47"

    6
    ALABAMA-SONG
    Lotte Lenya
    K: Kurt Weill
    5197
    Bear Family Records Bestell-Nr. BCD 16019 KL
    "The Ultimate Lotte Lenya"
    CD1/track 003 1'51"

    7
    KANONEN-SONG
    Münchner Rundfunkorchester / Henri Raudales
    Dir.: Gerd Müller-Lorenz
    K: Kurt Weill
    B: Gerd Müller-Lorenz
    8125
    Orfeo Bestell-Nr. C 539 001 A
    "Kurt Weill/Kleine Dreigroschenmusik"
    track 012 1'11"

    8
    DIE SEERÄUBERJENNY
    Lotte Lenya
    K: Kurt Weill
    5197
    Bear Family Records Bestell-Nr. BCD 16019 KL
    "The Ultimate Lotte Lenya"
    CD1/track 009 1'18"

    9
    Konzert für Violine und Blasorchester, op.12 /Andante con moto
    Münchner Rundfunkorchester Henri Raudales
    Dir.: Gerd Müller-Lorenz
    K: Kurt Weill
    B: Gerd Müller-Lorenz
    8125
    Orfeo Bestell-Nr. C 539 001 A
    "Kurt Weill/Kleine Dreigroschenmusik"
    track 001 1'01"

    10
    ALABAMA-SONG
    Gianluigi Trovesi/Gianni Coscia
    K: Kurt Weill
    B: Coscia/Trovesi
    02516
    ECM Records Bestell-Nr. ECM 1907
    "Round About Weill"
    track 016 5'07"

    11
    SO WHAT?
    Lotte Lenya
    K: Kurt Weill
    5197
    Bear Family Records Bestell-Nr. BCD 16019 KL
    "The Ultimate Lotte Lenya"
    CD7/track 015 1'34"

    12
    BARBARA-SONG
    Gregor Huebner/NRG Quartet
    K: Kurt Weill
    B: Gregor Huebner
    15653
    Niveau Records "New York-NRG Quartet"
    track 008 1'51"

    13
    MAHAGONNY, Scene 4
    Gianluigi Trovesi/Gianni Coscia
    K: Kurt Weill
    B: Coscia/Trovesi
    02516
    ECM Records Bestell-Nr. ECM 1907
    "Round About Weill"
    track 018 2'15"

    14
    ZAUBERNACHT, ALLEGRO MOLTO
    Ensemble Contrasts Dir.: Celso Antunes
    K: Kurt Weill
    B: Meiron Bowen
    08748
    Capriccio Rec./WDR
    "Kurt Weill/ Zaubernacht"
    track 018 0'19"

    15
    BERLIN IM LICHT
    Münchner Rundfunkorchester Henri Raudales
    Dir.: Gerd Müller-Lorenz
    K: Kurt Weill
    B: Gerd Müller-Lorenz
    8125
    Orfeo Bestell-Nr. C 539 001 A
    "Kurt Weill/Kleine Dreigroschenmusik"
    track 014 1'13"

    16
    ANSTATT DASS-SONG
    Münchner Rundfunkorchester Henri Raudales
    Dir.: Gerd Müller-Lorenz
    K: Kurt Weill
    B: Gerd Müller-Lorenz
    8125
    Orfeo Bestell-Nr. C 539 001 A
    "Kurt Weill/Kleine Dreigroschenmusik"
    track 008 0'52"

    17
    SEPTEMBER-SONG
    Chet Baker
    K: Kurt Weill
    B: Chet Baker
    15025
    Riverside Bestell-Nr. 0888072301832
    "Chet-Keepnews Collection"
    track 006 1'05"

    18
    SAGA OF JENNY
    Lotte Lenya
    K: Kurt Weill
    5197
    Bear Family Records Bestell-Nr. BCD 16019 KL
    "The Ultimate Lotte Lenya"
    CD 5/track 003 0'49"

    19
    PIRAT JENNY
    Lotte Lenya
    K: Kurt Weill
    5197
    Bear Family Records Bestell-Nr. BCD 16019 KL
    "The Ultimate Lotte Lenya"
    CD 5/track 015 1'10"

    20
    MACK THE KNIFE
    Lotte Lenya & Louis Armstrong
    K: Kurt Weill
    5197
    Bear Family Records Bestell-Nr. BCD 16019 KL
    "The Ultimate Lotte Lenya"
    CD 11/track 004 1'26"

    21
    OPENING TITLES: JAMES BOND IS BACK/FROM RUSSIA WITH LOVE
    John Barry & Orch.
    K: John Barry/Lionel Bart
    ohne
    EMI Rec. Bestell-Nr.CDP-7-95344-2
    "From Russia with Love/Motion Picture Soundtrack",
    track 001 0'34"

    22
    MY SHIP
    Franco Ambrosetti
    K: Kurt Weill
    B: Franco Ambrosetti
    03126
    Enja Records Bestell-Nr. ENJ 9505-2
    "Ballads 5 Take Five",
    track 005 4'50"

    23
    YOUKALI
    Dee Dee Bridgewater
    K: Kurt Weill
    T: Roger Fernay
    00383
    Universal Rec.. Bestell-Nr. 016 884-2
    "This is new"
    track 007 2'16"

    24
    PROLOG aus DIE SIEBEN TODSÜNDEN
    Lotte Lenya
    K: Kurt Weill
    5197
    Bear Family Records Bestell-Nr. BCD 16019 KL
    "The Ultimate Lotte Lenya"
    CD 02/track 013 0'45"

    25
    TIEF IN ALASKAS SCHNEEWEIßEN WÄLDERN
    Gianluigi Trovesi/Gianni Coscia
    K: Kurt Weill
    B: Coscia/Trovesi
    02516
    ECM Records Bestell-Nr. ECM 1907
    "Round About Weill"
    track 014 0'44"

    26
    THE GREAT HALL
    Henry Threadgill
    K: Kurt Weill
    B: Henry Threadgill
    0485
    A&M Records Bestell-Nr. 395 104-2
    "Lost in the Stars/The Music of Kurt Weill"
    track 006 0'06"

    27
    MACK THE KNIFE
    Stanley Clarke
    K: Kurt Weill
    B: Stanley Clarke
    12436
    Kind of blue Rec. Bestell-Nr. KOB 10010
    "Standards"
    track 002 1'21"

    28
    JOHNNY JOHNSON MEDLEY
    Van Dyke Parks
    K: Kurt Weill
    B: Van Dyke Parks
    0485
    A&M Records Bestell-Nr. 395 104-2
    "Lost in the Stars/The Music of Kurt Weill"
    track 005 1'09"

    29
    SURABAYA JONNY
    Lotte Lenya
    K: Kurt Weill
    5197
    Bear Family Records Bestell-Nr. BCD 16019 KL
    "The Ultimate Lotte Lenya"
    CD 01/track 017 1'30"

    30
    MY SHIP
    Lars Duppler Trio
    K. Kurt Weill
    T: Ira Gershwin
    B: Lars Duppler
    08975
    Edition Collage Bestell-Nr. EC 536-2
    "Le Grand Lustucru"
    track 010 1'31"
    31
    WIE LANGE NOCH
    Lotte Lenya
    K: Kurt Weill
    5197
    Bear Family Records Bestell-Nr. BCD 16019 KL
    "The Ultimate Lotte Lenya"
    CD 09/track 020 1'18"

    32
    Ouverture STREET SCENE
    Scottish Opera Orchestra
    K: Kurt Weill
    00171
    Decca/Universal
    "Street Scene"
    track 001 1'14"
    Kurt Weill, 1944
    Kurt Weill, 1944 (AP Archiv)