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Zucker, Pizza, Bioethanol

Seit mehr als zwei Jahrhunderten ist der Anbau von Zuckerrüben in Deutschland ein wichtiger Agrarzweig. Auf dem Weg von der Rübe über die Zuckerfabrik in den Supermarkt hat sich eine ganze Industrie entwickelt. Kein Wunder, dass mit der Südzucker AG Deutschland auch den größten Zuckerhersteller Europa stellt.

Von Michael Brandt |
    Südzucker ist der größte Zuckerhersteller Europa. Die Firma ist 1926 aus dem Zusammenschluss von fünf regionalen Zuckerfirmen in Baden und Württemberg entstanden und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg kontinuierlich gewachsen. Wichtige Wegmarken waren dabei die Fusion mit der Zuckerfabrik Franken in Ochsenfurt im Jahr 1988 sowie die Akquisition von zahlreichen Firmen und Produktionsstätten in ganz Europa, mit Schwerpunkten in Ostdeutschland und in Polen seit Ende der 80er-Jahre.

    Das Hauptgeschäft von Südzucker ist die Produktion von Zuckerprodukten aus Rüben, aber insbesondere im Zusammenhang mit der Reform der europäischen Zuckermarktordnung im Jahr 2006 hat sich viel verändert. Südzucker Vorstandssprecher Wolfgang Heer:

    "Insofern versuchen wir, unsere Rolle neu zu definieren. Das heißt, wir haben neben dem klassischen Geschäft, der Produktion von Zucker aus Rüben, unsere anderen Aktivitäten - Beispiel Mauritius - ausgeweitet."

    Die Zuckermarktordnung reguliert zum einen die Preise für den sogenannten Quotenzucker. Das ist Zucker, der in der EU hergestellt wird und hier als Lebensmittel eingesetzt wird. Zum Zweiten schreibt sie fest, dass nur 85 Prozent des EU-Lebensmittelzuckers aus der EU kommen dürfen. Der Rest wird aus den sogenannten AKP- und LDC-Staaten importiert.

    Für Südzucker bedeutet das, dass die Wachstumsmöglichkeiten auf dem europäischen Zuckermarkt begrenzt sind, und folglich ist man seit 2006 eine doppelte Strategie gegangen. Zum einen wurde in das Zuckergeschäft außerhalb der EU investiert. Dazu gehört etwa das erwähnte Engagement in Mauritius. Und dazu gehört auch die von Südzucker vor wenigen Tagen bekannt gegebene 25-Prozent-Beteiligung an der britischen Firma EDF-Man, dem zweitgrößten Zuckerhändler der Welt: "Für uns ist das eine interessante Kooperation; weil EDF weltweit aufgestellt ist in 65 Ländern. Sie betreiben auch über Beteiligungen Zuckerfabriken und Raffinerien und daraus erwarten wir uns Synergie- und Plattformeffekte für uns als größten europäischen Zuckerhersteller."

    Einerseits also soll das Standbein Zucker mit Akquisitionen gestärkt werden.
    Andererseits betreibt Südzucker, um trotz Zuckermarktordnung weiter zu wachsen, eine Diversifizierung. Das Unternehmen hat dazu mittlerweile neben dem Zucker drei weitere Marktsegmente erschlossen. Die ersten beiden knüpfen unmittelbar am Lebensmittel Zucker an. Zunächst das Segment Spezialitäten: "Da bündeln wir alles, was in die anderen Bereiche nicht passt. Zum Beispiel Portion Pack, das ist ein Portionsartikelhersteller, oder Freiberger, der größte Pizzahersteller Europas, oder Beneo, wo wir Food Ingredients herstellen."

    Dann gibt es das Segment Frucht, in dem Fruchtsäfte und Konzentrate für die Bäckerei- und Molkereiindustrie hergestellt werden.

    Und dann das jüngste und immer wichtigere Segment Crop-Energies, sprich die Herstellung von Bioethanol. Die eigenständige Aktiengesellschaft wurde 2006 gegründet und ist eine 100-prozentige Tochter der Südzucker. Sie betreibt Produktionsstätten für Bioethanol Frankreich, Belgien sowie in Zeitz in Sachsen-Anhalt. Letztere ist die europaweit größte Bioethanolfabrik.

    Im Südzuckervorstand ist Markwart Kunz fürs Bioethanol zuständig: " Wir sind aus unserer Sicht sehr erfolgreich damit. Wir haben ein in sich geschlossenes Konzept aufgelegt, in dem wir Bioethanol integriert in die Lebensmittel und Futtermittelkette produzieren. Das heißt, neben Ethanol produzieren wir auch Lebensmittel und Futtermittel, und dieses Konzept hat sich bewährt, wie man an den Zahlen von Crop Energies sieht."

    Der Umsatz von Crop Energies hat sich mit 437 Millionen im Jahr 2010 im Verhältnis zum Vorjahr deutlich gesteigert. 2009 waren es 362 Millionen. Das operative Ergebnis hat sich mit 46 Millionen sogar vervierfacht. Das Besondere an den Bioethanolanlagen von Südzucker ist, dass sie sowohl aus Rüben wie auch aus Getreide Alkohol produzieren können.

    Kunz sieht im Bioethanolbereich hervorragende Entwicklungschancen - trotz der Diskussion über Benzin mit 10-prozentiger Alkoholbeimischung, dem sogenannten E10: "Wir werden auch 2011 einen steigenden Absatz haben. Der Verbraucher hat E10 noch nicht in dem Ausmaß angenommen, wie es sinnvoll wäre. Wir glauben aber, im Markt einen zunehmenden Trend für E10 zu sehen."

    Crop Energies hat, wie Kunz berichtet, eigene Gutachten bei TÜV und Dekra in Auftrag gegeben, die belegen, dass die Risiken des neuen Kraftstoffs deutlich geringer sind, als es die öffentliche Diskussion derzeit widerspiegelt.

    Die Bioethanolbranche sei insgesamt mit rund einem Sechstel Geschäftsanteil ein wichtiger Eckpfeiler für die strategische Ausrichtung von Südzucker. Auch hier seien, so Vorstandchef Herr wörtlich, "bei Gelegenheit" weitere Akquisitionen geplant. Insgesamt ist geplant, auch künftig etwa die Hälfte der Umsätze mit Zucker zu machen.

    Seit Inkrafttreten der neuen Zuckermarktordnung hat sich beim Zuckergeschäft im Jahr 2006 allerdings viel verändert. Damals war der Weltmarktpreis noch deutlich unter dem geschützten EU-Preis; mittlerweile haben schlechte Ernten, zunehmende Zockermentalität auf dem Zuckermarkt sowie die steigende Nachfrage zu einem heftigen Anstieg des Weltmarktpreises geführt. Teilweise sogar noch über dem EU-Preis. Und er wird, so die Einschätzung von Heer, weiter steigen: "Es ist Tatsache, dass bei einer steigenden Weltbevölkerung der Bedarf an Zucker stark steigen wird. Es gibt seriöse Berechnungen, dass in den nächsten Jahren noch einmal 30 bis 40 Millionen Tonnen Zucker weltweit gebraucht werden."

    Ein weiteres Argument für ein Anziehen der Preise, so Heer: Die Situation beim weltweit größten Zuckerproduzenten Brasilien: "Wir glauben, dass der Zusammenhang gegeben ist, dass Zucker zum Beispiel in Brasilien sehr stark in Ethanol umgewandelt wird und Ethanol über den Preis sehr stark am Öl hängt. Und das wird dazu führen, dass bei steigenden Ölpreisen auch der Zuckerpreis beeinflusst wird."

    Zwar sei laut Zuckermarktordnung der Preis von 85 Prozent des in Europa verbrauchten Zuckers festgelegt, aber die restlichen fünf Prozent Importzucker würden ausreichen, um den Preis auch hier nach oben zu treiben. Alles in allem, wie Heer sagt, eine interessante Situation, bei der die Ausgangsposition für Südzucker zumindest nicht schlecht ist.