Dienstag, 16. April 2024

Archiv


Zuckerrüben für Tank und Trog

Bei der Herstellung von Bioethanol falle Zuckerrüben-Vinasse als Futtermittel ab, beim Biodiesel ist es Raps-Schrot. Der Anbau dieser Rohstoffe diene daher nicht nur der Kraftstoffindustrie und führe auch nicht zu Nahrungsmittelknappheit, betont Elmar Baumann, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Biokraftstoffindustrie.

Elmar Baumann im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 16.06.2011
    Susanne Kuhlmann: Reizwort E10: Die Markteinführung des Superbenzins mit zehn Prozent Ethanol-Anteil entwickelte sich in den ersten Monaten dieses Jahres zum Debakel für die Mineralöl-Industrie. Die meisten Autofahrer boykottierten den neuen Kraftstoff zunächst aus Angst um ihre Motoren. Bis 2020 sollen zehn Prozent der Energie, die Straßen- und Schienenverkehr brauchen, aber aus regenerativen Quellen stammen. Die mit Abstand bedeutendste ist die Energie vom Acker, Biokraftstoff also. Elmar Baumann ist Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie. Ich fragte ihn vor dieser Sendung, was dafür spricht, doch Benzin mit mehr Bioethanol-Beimischung zu tanken?

    Elmar Baumann: Biokraftstoffe sind zurzeit die einzige gangbare Alternative zu fossilen Kraftstoffen. Das heißt, wenn wir fossiles Öl, was immer umweltschädlicher und treibhausgasschädlicher gefördert wird, ersetzen wollen, haben wir zurzeit nur Biokraftstoffe als Alternative, und zwar in relevanten Mengen. Wir haben in Deutschland 2007 den bisher höchsten Biokraftstoff-Anteil gehabt, da hatten wir also einen Marktanteil von 7,2 Prozent. Alle anderen Alternativen, die es gibt, seien sie also regenerativ, oder auch alternative fossile, haben einen wesentlich geringeren Marktanteil, die sehen sie in den Grafiken praktisch nicht.

    Kuhlmann: Jetzt war ja Anfang des Jahres nicht nur zu hören, die Biokraftstoffe schadeten unter Umständen manchen Motoren, sondern es gab auch das Argument, sie schadeten der Umwelt, zum Beispiel was den Anbau der Rohstoffe betrifft.

    Baumann: Das ist richtig. Da waren alle Varianten von sachlich falschen bis zu bewusst tendenziösen Aussagen zu lesen; zum Teil alte bekannte, die lange widerlegt sind. In Deutschland haben wir seit dem 1. Januar die Nachhaltigkeitsverordnung. Die besagt, dass nur Biokraftstoffe in Verkehr gebracht werden dürfen, die tatsächlich mindestens 35 Prozent weniger Treibhausgase emittieren als fossile Kraftstoffe, und dass außerdem geschützte Flächen nicht für den Rohstoffanbau verwendet werden dürfen, also kein Regenwald gerodet, es darf kein Rohstoff angebaut werden auf Torfmooren und so weiter. Das heißt, wir haben die rigidesten, die strengsten Vorschriften für unsere Rohstoffe. Für andere Bereiche des Biomasseanbaus in der Landwirtschaft gelten sie noch nicht. Noch nicht, sage ich, weil die Bundesregierung sich vorgenommen hat im Koalitionsvertrag, diese Nachhaltigkeitskriterien auszuweiten. Wenn sie also die beste Biomasse in Bezug auf den Schutz von Landschaft und von Treibhausgasminderung, von treibhausgasschonendem Anbau kaufen wollen, dann kaufen sie Biokraftstoffe.

    Kuhlmann: Wo wachsen denn die Rohstoffe für unser E10?

    Baumann: Für E10 zurzeit in Deutschland und Europa, hat einen einfachen Grund: Die Vorgaben der Europäischen Union sind bislang nur in Deutschland umgesetzt worden. Wir sind da also Vorreiter EU-weit. Insofern können nur Rohstoffe verwendet werden, die den deutschen Anforderungen genüge tun. Wir haben in Deutschland zwei Zertifizierungssysteme, die die Kriterien vorgeben, die eingehalten werden müssen. Die Praxis zeigt, es ist der Großteil deutsche Rohstoffe, der eingesetzt wird, und ansonsten Rohstoffe aus Nachbarländern, die sich diesen deutschen Anforderungen unterwerfen, die diese deutschen Kriterien erfüllen. Das heißt, Frankreich, Polen zum Beispiel liefern Rohstoffe.

    Kuhlmann: Der andere große Vorwurf war ja die Tank-Teller-Diskussion, also kurz zusammengefasst: Was im Tank landet, kann man nicht mehr essen.

    Baumann: Ja, ein besonders dummer und unredlicher Vorwurf, insofern als wir zum einen mit jedem Liter Biokraftstoff, den wir herstellen, auch ein Äquivalent an Futtermittel produzieren. Das heißt, beim Ethanol ist es entweder Zuckerrüben-Vinasse als Futtermittel, oder aber Getreide-Schlempe wird da in getrockneter Form verkauft. Das heißt, Futtermittel, mit denen wir Nutztiere mästen können. Beim Biodiesel ist es in der Regel Raps-Schrot. Diese Futtermittel fallen im Massenverhältnis von ungefähr der Hälfte an. Das heißt, wenn sie sich einen Hektar Land vorstellen, auf dem unsere Rohstoffe angebaut werden, wie Zuckerrübe für Ethanol, oder aber Raps für Biodiesel, dann ist die Hälfte der Fläche für Futtermittel reserviert.
    Zum anderen: Warum haben wir in Europa, in Deutschland ursprünglich mal angefangen, Biokraftstoffe zu produzieren? Das war doch die EU-Überschussproduktion an Nahrungsmitteln. Das heißt, wir haben damals in den 90er-Jahren Unmengen Nahrungsmittel vernichtet oder in die Entwicklungsländer subventioniert verklappt und haben damit nachhaltig in Afrika die Landwirtschaft ruiniert. Von diesen Effekten zeugt der heutige Hunger und die Probleme bei der Welternährung immer noch, die darüber hinaus immer schmutzigeres Erdöl substituieren und Treibhausgase einsparen. Uns jetzt also vorzuwerfen, wir würden Nahrungsmittel vernichten, oder wir würden zum Hunger beitragen, ist also in höchstem Maße bizarr. Dieser Vorwurf läuft also ins Leere.

    Kuhlmann: Und welchen Einfluss haben die Preise auf die ganze Entwicklung, dass zum Beispiel für die Rohstoffe, die im Tank landen, mehr Geld gezahlt wird als für die, die verarbeitet werden zu Lebensmitteln?

    Baumann: Ich habe bis zu einem gewissen Grad Verständnis dafür, dass die Lebensmittelindustrie zu möglichst günstigen Preisen ihre Rohstoffe einkaufen will. Es ist richtig, dass die Nachfrage, die wir ausüben für Biokraftstoffproduktion, einen gewissen Effekt hat, insofern, als es halt ein unteres Preisniveau gibt, unter das der Preis der Rohstoffe nicht fallen wird, weil sie die Produkte, die landwirtschaftlichen Rohstoffe tatsächlich entweder für die Nahrungsmittelproduktion verwenden, oder aber für die energetische Nutzung, also für die Biokraftstoffherstellung. Es wird also keine Dumpingpreise mehr geben. Das ist hilfreich für die Landwirtschaft für eine nachhaltige Entwicklung. Für die großen Preissprünge und Preisschwankungen sind wir nicht verantwortlich, da gibt es auch von 2010 eine Publikation der Universität in Wien, die das untersucht hat. Also diese Vorwürfe müssen wir uns nicht zueigen machen.