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Zuflucht im Holzhaus
Ferienhäuser für Flüchtlinge

Bislang haben die Bundesländer 900.000 Flüchtlinge in Deutschland registriert. Mit Blick auf den nahen Winter werden warme Unterkünfte immer dringender gesucht. Wohncontainer sind kaum mehr verfügbar. Als Alternative wird immer stärker auf Holzhäuser gesetzt, die eigentlich als Ferienhäuser gedacht waren. Das Firmenporträt über die "Bauer Holzsysteme GmbH".

Von Thomas Wagner | 27.11.2015
    Flüchtlinge gehen am 21.11.2015 an der deutsch-österreichischen Grenze nahe Wegscheid (Bayern) während eines Schneeschauers nach Deutschland.
    Das Konzept der Einzelwohnungen mit separaten Eingängen hilft, Konflikte zwischen verschiedenen Ethnien, wie sie aus Massenunterkünften bekannt sind, von vornherein zu vermeiden, glaubt der Firmenchef: Jörg Bauer. (dpa / picture alliance / Armin Weigel)
    Hämmern, immer wieder Hämmern. Und das viele Hundert Mal am Tag: Aus Platten, Leisten und Brettern entstehen wie in Zeitlupe kleine Gebäude: "Wir bauen jetzt Holzhäuser. Das sind Asylgebäude. Da kommen Flüchtlinge rein."
    Mugdin Imsirovic arbeitet als Zimmermann in der riesigen Werkhalle der "Bauer Holzbausysteme GmbH und CO. KG" am Rande der kleinen Gemeinde Neukirch im Bodenseekreis. Flüchtlingsunterkünfte bauen aus Holz - für Imsirovic ist das etwas ganz Besonderes. Denn, erzählt er: "Ich komme aus Bosnien, war selber Flüchtling und weiß, wie das ist. Und dass wir jetzt solche Häuser für die bauen, finde ich ganz in Ordnung. Ich freu' mich, dass die da reinkommen. Denn die irgendwo in einer Kaserne hineinbringen, das wäre auch nicht so einfach."
    Wechsel in den Verwaltungstrakt. Es geht betriebsam zu: "Gibt's was Neues? Irgendwelche Anrufe?", erkundigt sich Firmenchef Jörg Bauer. Krawatte, Trachtensakko - der Mittfünfziger aus dem Allgäu hat wieder mal viel zu tun. Denn immer mehr Städte bestellen die Holzgebäude in Modulbauweise. Das bedeutet: Ist ein Gebäudetrakt zu klein, kann ein weiteres Modul angedockt werden. Seit 1992 fertigt Bauer Holzgebäude. Ursprünglich als Ferienhäuschen und kleine Bürotrakte gedacht, werden sie zunehmend als Flüchtlingsunterkünfte genutzt - als Alternative zu den klassischen Wohncontainern.
    Soziale Integration
    Denn, erklärt Jörg Bauer: "Wir haben eine komplett andere Konzeption. Unsere Gebäude sind so aufgebaut, dass sie sehr sozial verträglich sind für die Bewohner. Das heißt: Wir bauen jeweils Einzelwohnungen für maximal sechs Personen, immer vor dem Hintergedanken, dass man Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländer und Religionsgemeinschaften voneinander trennen kann. Und das führt zu einer sehr starken sozialen Integration."
    Das Konzept der Einzelwohnungen mit separaten Eingängen hilft, Konflikte zwischen verschiedenen Ethnien, wie sie aus Massenunterkünften bekannt sind, von vornherein zu vermeiden, glaubt der Firmenchef: "Daher haben wir ein Gebäude entwickelt mit vier Wohnungseinheiten, sodass eine optimale Trennung nach Religionsgemeinschaften und Herkunftsländern möglich ist und somit auch eine bessere Integrationsleistung verwirklicht wird."
    Daneben weist Jörg Bauer auf einen weiteren Punkt hin: "An allen Standorten, die wir bisher gebaut haben, haben wir eine ausgesprochen hohe Akzeptanz in der Bevölkerung gefunden. Das heißt: Die Gebäude fügen sich in das Landschaftsbild ein, wirken nicht wie ein störender Körper. Bei unseren Unterkünften hat man nicht den Eindruck, dass es eine Asylunterkunft ist, sondern dass es ein gelungenes Gebäude im 'Bregenzer Baustil' ist."
    Modulare Wohngebäude aus Holz
    Und so erfüllen Architektur und Konstruktionsweise eine wichtige Integrationsfunktion. Zudem sind die Unterkünfte aus Holz im Niedrigenergie-Standard gefertigt: Die Kommunen als Betreiber sparen damit Heizkosten. Für ein Holzgebäude mit vier Wohneinheiten verlangt Bauer um die 400.000 Euro, macht einen Quadratmeterpreis von 2.000 Euro. Dies sei, angesichts der verwendeten Qualitätsholzes und des Niedrigenergie-Standards, keinesfalls überhöht und liege mittlerweile auf dem Preisniveau klassischer Wohncontainer. Die sind deshalb teurer geworden, weil in jüngster Zeit auch die Nachfrage deutlich gestiegen ist - ebenso wie bei den modularen Wohngebäuden aus Holz.
    Deshalb klopfen, sägen, schrauben und montieren die rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der "Bauer Holzbausysteme GmbH und Co. KG" derzeit, was das Zeug hält. Karl Albrecht, der Azubi, ist voll im Einsatz: "Ich bin gerade im zweiten Lehrjahr. Es geht zurzeit echt zackig, bis die Häuser aufgebaut sind. Wir bauen gerade die Bäder ein. Sprich: Die Bodenkonstruktion ist schon mal fertig. Darauf stellen wir die fertig montierten Bäder."
    Firmenchef Jörg Bauer steht daneben, schmunzelt. Er tritt ins Innere eines Fertig-Bades und erklärt: Das ist zum Beispiel eine Bidet-Brause. Das heißt: Die ist direkt neben der Toilette installiert. Und sie brauchen kein Toilettenpapier benutzen. Sie können sich auch so reinigen."
    Und das habe, sagt Jörg Bauer, mit Rücksicht auf die jeweiligen Kulturen zu tun, aus denen die Flüchtlinge nach Deutschland kommen: "Wir haben eben verschiedene Herkunftsländer. Und in manchen Herkunftsländern empfinden sie es als unrein, wenn sie Papier verwenden würden. Und da bieten die Bidet-Brausen natürlich optimale Bedingungen, sich reinzuhalten."
    Jahresumsatz von 20 Millionen Euro
    Mit der passenden Konstruktionsweise und der passenden Architektur Integration vorantreiben - das ist das Rezept des Unternehmens aus dem Bodenseekreis, das sich derzeit vor Aufträgen kaum mehr retten kann: Gelsenkirchen, Darmstadt, Hessen, Augsburg, München, Ravensburg - aus allen Ecken der Republik gehen Aufträge ein. Wartezeit von der Bestellung bis zur Anlieferung: derzeit sechs Wochen. Der Firmenchef bilanziert: "Wir gehen davon aus, dass wir im nächsten Jahr einen Jahresumsatz erreichen von 20 Millionen Euro."
    Firmenchef Bauer geht zurück in sein Büro, blickt kurz über die Zahlen in seinem Ordner: Die Flüchtlingskrise spiegelt sich in seinen Büchern wieder: "In den letzten zwei, drei Monaten haben wir einen starken Auftragszugang und haben Neuaufträge in den letzten 14 Tagen von 40 Häusern bekommen. Wir haben neues Personal eingestellt, beschäftigen jetzt auch Asylbegehrende, welche mithelfen, die eigenen Häuser zu bauen."
    Dabei glaubt Bauer fest daran: Der Zuzug weiterer Flüchtlinge wird nicht ewig so anhalten wie derzeit. Sowohl für sein Familienunternehmen als auch für seine Kunden sei das aber kein Problem, meint er: "Unsere Gebäude sind immer ausgelegt für eine Nachnutzung. Das heißt: Mann kann die Wohnungen später als Sozialwohnungen, als normale Wohnungen oder als Ferien-Appartement nutzen, sodass die Langfristigkeit entsprechend gegeben ist."