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Zufluchtsoase Schweden

Die skandinavischen Staaten zeichnen sich durch viele Gemeinsamkeiten aus. In der Ausländerpolitik aber könnte der Unterschied zwischen Schweden und Dänemark kaum größer sein. So verfügt Dänemark über eine der restriktivsten Ausländergesetzgebungen Europas, Schweden hingegen über eine der liberalsten. Doch nicht jedermann goutiert den Kurs der Stockholmer Regierung. Marc-Christoph Wagner berichtet.

    Line Gry blickt müde aus dem Fenster, während der Zug die Öresundbrücke überquert. Morgens um sechs machte sich die Dänin auf den Weg von ihrer Wohnung im schwedischen Malmö zu ihrem Job nach Kopenhagen. Nun, 12 Stunden später, geht es zurück. Ein stressiger Alltag mit täglich nahezu zweieinhalb Stunden Transport. Doch in Dänemark darf Line nicht leben, denn ihrem Mann Ranzo, der aus Uganda stammt, wird dort die Aufenthaltsgenehmigung verweigert.

    "Ich bin sauer auf die Politik, wie sie in Dänemark praktiziert wird. Man erhält erst gar nicht die Chance zu beweisen, dass man sich dort integrieren kann. Es ist ärgerlich, dass es keinen Platz gibt für Menschen, die einen anderen kulturellen Hintergrund haben. Und überhaupt der Ton, in dem über Ausländer gesprochen wird. Es wird viel zu viel generalisiert."

    Anders in Schweden, in dem Ausländer immer noch willkommen scheinen. Mehr als 2000 Dänen mit ausländischen Partnern haben sich in Malmö niedergelassen. Viele Iraker, die ihrem Land aufgrund der Kriegswirren entflohen, landeten nicht in Dänemark, das an der so genannten Koalition der Willigen beteiligt war, sondern im Nachbarland Schweden. Doch gerade im Süden des Landes, in Schonen, scheint der Widerstand gegen den liberalen Ausländerkurs zu wachsen.

    "Unsere großzügige Ausländerpolitik kostet uns Schweden jedes Jahr zwischen 200 und 300 Milliarden Kronen, umgerechnet 20 bis 30 Milliarden Euro. Würde man davon nur die Hälfte verwenden, dann könnte man mehr in Krankenhäuser, in Schulen und die Altenbetreuung investieren."

    Stefan Ulsson lebt in Landskrona, einer Kleinstadt am Öresund, wenige Zugminuten von Malmö entfernt. Bei der letzten Parlamentswahl sorgte die Kleinstadt für Schlagzeilen. Denn in der einstigen Hochburg der Sozialdemokraten, erhielten die Schwedendemokraten, das schwedische Pendant zur rechtspopulistischen Volkspartei in Dänemark, jede dritte Wählerstimme.

    "Die Sozialdemokraten kümmern sich einfach nicht mehr um die Probleme der Menschen, um die Schulen, die Kriminalität, die vielen Ausländer."

    Ulsson führt durch sein Wohnviertel - zwei- und dreistöckige Mietshäuser aus hellem Backstein, das Einkaufszentrum inmitten der Siedlung, die obligatorische Wurstbude auf dem Vorplatz. Hier und dort hängen schwedische Fahnen von den Balkons.

    "Auch die bürgerliche schwedische Regierung möchte ausländische Arbeitskräfte anwerben. Ich begreife das nicht, im Moment haben wir zwischen 300.000 und 400.000 Arbeitslose. Es muss doch möglich sein, diese Menschen umzuschulen und ihnen eine Arbeit zu geben. In den 50er und 60er Jahren mögen wir Gastarbeiter gebraucht haben. Aber die waren ja auch anders: Sie kamen, passten sich an und arbeiteten. Heute brauchen wir keine neuen Ausländer."

    Ulsson spricht viel von der Vergangenheit - als die Werft in Landskrona noch 3000 Menschen beschäftigte, als Schweden noch eine homogene Gesellschaft war, ein neutrales, unabhängiges Land - ohne EU, ohne offene Grenzen, ohne Globalisierung.

    "Die EU ist wie ein Vormund, sie will viel zu viel bestimmen und regulieren. Hätten wir bloß unsere Selbstständigkeit behalten und allein mit unseren nordischen Nachbarländern kooperiert. Nimm die Norweger. Gut, die haben ihr Öl, aber wir Schweden hätten auch auf eigenen Füssen stehen können."